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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Dem ohngeacht gaben sich die reichsten und vor-
nehmsten Junggesellen viele Mühe, sich in meine
Gunst zu setzen, allein, ich fühlete damahls in mei-
nem Hertzen noch nicht den geringsten Trieb zur
Liebe, ob schon mein 15tes Lebens-Jahr bey nahe
verstrichen war. Wie man mich aber um selbige
Zeit schon vor mannbar halten wolte, so meldete
sich eben dieser, bereits ziemlich bejahrte Kauffmann
Dostart bey meinem Vater, und hielt um mich an.
Mein Vater mochte zwar wohl den grossen Unter-
scheid unserer Jahre betrachtet haben, indem ich die
1. vor der 5. er dieselbe aber bereits hinter derselben
hatte, weil er aber ein sehr wohl bemittelter Mann,
auch ohne Kinder und andere Erben war, so wurde
mir gar bald angetragen, denselben zu meinem künff-
tigen Ehe-Manne zu erwählen.

Jch hätte des Todes seyn mögen über diese An-
muthung, indem ich mich selbst noch ein Kind zu seyn
schätzte; wurde aber um so viel desto mehr bestürtzt,
da meine Mutter selbst, dieses Seil mit zu ziehen,
anfing, und mir nicht allein zu dieser Heyrath rieth,
sondern auch die besten Lehren gab, wie ich mich künf-
tig hin im Ehe-Stande zu verhalten hätte. Bey
so gestalten Sachen aber, war meine erste Ausrede,
daß ich mich als ein Kind noch unmöglich zum Hey-
rathen resolviren könte, solte es aber ja mit der Zeit
einmahl geschehen, so würde ich gewiß meine Frey-
heit nicht an einen solchen alten eigensinnigen Mann
verkauffen, denn es fänden sich ja wohl noch jün-
gere und geschickte Manns-Personen, ob sie gleich
nicht so viel Mittel hätten, als der alte Dostart.
Das redete ich so in meiner Einfalt aus aufrichtigen

Her-

Dem ohngeacht gaben ſich die reichſten und vor-
nehmſten Junggeſellen viele Muͤhe, ſich in meine
Gunſt zu ſetzen, allein, ich fuͤhlete damahls in mei-
nem Hertzen noch nicht den geringſten Trieb zur
Liebe, ob ſchon mein 15tes Lebens-Jahr bey nahe
verſtrichen war. Wie man mich aber um ſelbige
Zeit ſchon vor mannbar halten wolte, ſo meldete
ſich eben dieſer, bereits ziemlich bejahrte Kauffmann
Doſtart bey meinem Vater, und hielt um mich an.
Mein Vater mochte zwar wohl den groſſen Unter-
ſcheid unſerer Jahre betrachtet haben, indem ich die
1. vor der 5. er dieſelbe aber bereits hinter derſelben
hatte, weil er aber ein ſehr wohl bemittelter Mann,
auch ohne Kinder und andere Erben war, ſo wurde
mir gar bald angetragen, denſelben zu meinem kuͤnff-
tigen Ehe-Manne zu erwaͤhlen.

Jch haͤtte des Todes ſeyn moͤgen uͤber dieſe An-
muthung, indem ich mich ſelbſt noch ein Kind zu ſeyn
ſchaͤtzte; wurde aber um ſo viel deſto mehr beſtuͤrtzt,
da meine Mutter ſelbſt, dieſes Seil mit zu ziehen,
anfing, und mir nicht allein zu dieſer Heyrath rieth,
ſondern auch die beſten Lehren gab, wie ich mich kuͤnf-
tig hin im Ehe-Stande zu verhalten haͤtte. Bey
ſo geſtalten Sachen aber, war meine erſte Ausrede,
daß ich mich als ein Kind noch unmoͤglich zum Hey-
rathen reſolviren koͤnte, ſolte es aber ja mit der Zeit
einmahl geſchehen, ſo wuͤrde ich gewiß meine Frey-
heit nicht an einen ſolchen alten eigenſinnigen Mann
verkauffen, denn es faͤnden ſich ja wohl noch juͤn-
gere und geſchickte Manns-Perſonen, ob ſie gleich
nicht ſo viel Mittel haͤtten, als der alte Doſtart.
Das redete ich ſo in meiner Einfalt aus aufrichtigen

Her-
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[148/0156] Dem ohngeacht gaben ſich die reichſten und vor- nehmſten Junggeſellen viele Muͤhe, ſich in meine Gunſt zu ſetzen, allein, ich fuͤhlete damahls in mei- nem Hertzen noch nicht den geringſten Trieb zur Liebe, ob ſchon mein 15tes Lebens-Jahr bey nahe verſtrichen war. Wie man mich aber um ſelbige Zeit ſchon vor mannbar halten wolte, ſo meldete ſich eben dieſer, bereits ziemlich bejahrte Kauffmann Doſtart bey meinem Vater, und hielt um mich an. Mein Vater mochte zwar wohl den groſſen Unter- ſcheid unſerer Jahre betrachtet haben, indem ich die 1. vor der 5. er dieſelbe aber bereits hinter derſelben hatte, weil er aber ein ſehr wohl bemittelter Mann, auch ohne Kinder und andere Erben war, ſo wurde mir gar bald angetragen, denſelben zu meinem kuͤnff- tigen Ehe-Manne zu erwaͤhlen. Jch haͤtte des Todes ſeyn moͤgen uͤber dieſe An- muthung, indem ich mich ſelbſt noch ein Kind zu ſeyn ſchaͤtzte; wurde aber um ſo viel deſto mehr beſtuͤrtzt, da meine Mutter ſelbſt, dieſes Seil mit zu ziehen, anfing, und mir nicht allein zu dieſer Heyrath rieth, ſondern auch die beſten Lehren gab, wie ich mich kuͤnf- tig hin im Ehe-Stande zu verhalten haͤtte. Bey ſo geſtalten Sachen aber, war meine erſte Ausrede, daß ich mich als ein Kind noch unmoͤglich zum Hey- rathen reſolviren koͤnte, ſolte es aber ja mit der Zeit einmahl geſchehen, ſo wuͤrde ich gewiß meine Frey- heit nicht an einen ſolchen alten eigenſinnigen Mann verkauffen, denn es faͤnden ſich ja wohl noch juͤn- gere und geſchickte Manns-Perſonen, ob ſie gleich nicht ſo viel Mittel haͤtten, als der alte Doſtart. Das redete ich ſo in meiner Einfalt aus aufrichtigen Her-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/156>, abgerufen am 18.04.2024.