Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Er
lein am besten thut man, sie die unschuldige
Kinderfigur,
auch das Caninichen zu nennen.
Einen vortrefflichen Gebrauch des Fürwortes Er
haben wir in den Gedichten des unsterblichen
Hallers
zu bewundern. Es ist unsere Schuldig-
keit, die Quelle zu krönen, aus der wir so vieles
Dickes und Dünnes schöpfen.

Nie mit sich selbst vergnügt, sucht jeder aus-
senher

Die Ruh, die niemand ihm verschaffen kann, als
er. 98 S.

Jn der Schweiz saget man a. St. sich ihm; und
a. St. wir er. Jn Frankreich würden ihn alle
Schüler auspfeifen: in Deutschland bewundern
ihn Gelehrte. Ländlich, sittlich!

Erborne.

Wir haben bisher umsonst die Bedeutung
dieses Beywortes gesuchet: würde der Gramma-
tiker
es sonst brauchen? Er weis nämlich oft das,
was wir suchen, zu verstecken. Große Leute
müssen sich nämlich nicht ganz, sondern nur
halb ausschreiben. Wir müssen immer noch
etwas für uns behalten; und uns freuen, wenn
unsere Verehrer uns ersuchen müssen, ihnen den
Sinn zu erklären. Z. E. Hier sind zwey alte
Trödelweiber, die Schleyer verleihen; auch ei-
ne Scheu, die mit Larven handelt.

Erlernte Ehrbarkeit leiht manchem ihren
Schleyer,
Wann andrer, die die Scheu mit keiner Larve
deckt,
Er-

Er
lein am beſten thut man, ſie die unſchuldige
Kinderfigur,
auch das Caninichen zu nennen.
Einen vortrefflichen Gebrauch des Fuͤrwortes Er
haben wir in den Gedichten des unſterblichen
Hallers
zu bewundern. Es iſt unſere Schuldig-
keit, die Quelle zu kroͤnen, aus der wir ſo vieles
Dickes und Duͤnnes ſchoͤpfen.

Nie mit ſich ſelbſt vergnuͤgt, ſucht jeder auſ-
ſenher

Die Ruh, die niemand ihm verſchaffen kann, als
er. 98 S.

Jn der Schweiz ſaget man a. St. ſich ihm; und
a. St. wir er. Jn Frankreich wuͤrden ihn alle
Schuͤler auspfeifen: in Deutſchland bewundern
ihn Gelehrte. Laͤndlich, ſittlich!

Erborne.

Wir haben bisher umſonſt die Bedeutung
dieſes Beywortes geſuchet: wuͤrde der Gramma-
tiker
es ſonſt brauchen? Er weis naͤmlich oft das,
was wir ſuchen, zu verſtecken. Große Leute
muͤſſen ſich naͤmlich nicht ganz, ſondern nur
halb ausſchreiben. Wir muͤſſen immer noch
etwas fuͤr uns behalten; und uns freuen, wenn
unſere Verehrer uns erſuchen muͤſſen, ihnen den
Sinn zu erklaͤren. Z. E. Hier ſind zwey alte
Troͤdelweiber, die Schleyer verleihen; auch ei-
ne Scheu, die mit Larven handelt.

Erlernte Ehrbarkeit leiht manchem ihren
Schleyer,
Wann andrer, die die Scheu mit keiner Larve
deckt,
Er-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0148" n="122"/><fw place="top" type="header">Er</fw><lb/>
lein am be&#x017F;ten thut man, &#x017F;ie <hi rendition="#fr">die un&#x017F;chuldige<lb/>
Kinderfigur,</hi> auch das <hi rendition="#fr">Caninichen</hi> zu nennen.<lb/>
Einen vortrefflichen Gebrauch des Fu&#x0364;rwortes <hi rendition="#fr">Er</hi><lb/>
haben wir in den Gedichten des <hi rendition="#fr">un&#x017F;terblichen<lb/>
Hallers</hi> zu bewundern. Es i&#x017F;t un&#x017F;ere Schuldig-<lb/>
keit, die Quelle zu kro&#x0364;nen, aus der wir &#x017F;o vieles<lb/><hi rendition="#fr">Dickes</hi> und <hi rendition="#fr">Du&#x0364;nnes</hi> &#x017F;cho&#x0364;pfen.</p><lb/>
            <cit>
              <quote>Nie mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vergnu&#x0364;gt, &#x017F;ucht jeder <hi rendition="#fr">au&#x017F;-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;enher</hi></hi><lb/>
Die Ruh, die niemand <hi rendition="#fr">ihm</hi> ver&#x017F;chaffen kann, als<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">er. 98 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Jn der <hi rendition="#fr">Schweiz</hi> &#x017F;aget man a. St. <hi rendition="#fr">&#x017F;ich ihm;</hi> und<lb/>
a. St. <hi rendition="#fr">wir er.</hi> Jn <hi rendition="#fr">Frankreich</hi> wu&#x0364;rden ihn alle<lb/>
Schu&#x0364;ler auspfeifen: in <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chland</hi> bewundern<lb/>
ihn Gelehrte. La&#x0364;ndlich, &#x017F;ittlich!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Erborne.</head>
            <p>Wir haben bisher um&#x017F;on&#x017F;t die Bedeutung<lb/>
die&#x017F;es Beywortes ge&#x017F;uchet: wu&#x0364;rde der <hi rendition="#fr">Gramma-<lb/>
tiker</hi> es &#x017F;on&#x017F;t brauchen? Er weis na&#x0364;mlich oft das,<lb/>
was wir &#x017F;uchen, zu ver&#x017F;tecken. Große Leute<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich na&#x0364;mlich nicht <hi rendition="#fr">ganz,</hi> &#x017F;ondern nur<lb/><hi rendition="#fr">halb aus&#x017F;chreiben.</hi> Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en immer noch<lb/>
etwas fu&#x0364;r uns behalten; und uns freuen, wenn<lb/>
un&#x017F;ere Verehrer uns er&#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ihnen den<lb/>
Sinn zu erkla&#x0364;ren. Z. E. Hier &#x017F;ind zwey alte<lb/>
Tro&#x0364;delweiber, die <hi rendition="#fr">Schleyer verleihen;</hi> auch ei-<lb/>
ne Scheu, <hi rendition="#fr">die mit Larven handelt.</hi></p><lb/>
            <cit>
              <quote><hi rendition="#fr">Erlernte Ehrbarkeit leiht</hi> manchem ihren<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Schleyer,</hi></hi><lb/>
Wann andrer, die die Scheu mit keiner Larve<lb/><hi rendition="#et">deckt,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Er-</hi></fw><lb/></quote>
            </cit>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0148] Er lein am beſten thut man, ſie die unſchuldige Kinderfigur, auch das Caninichen zu nennen. Einen vortrefflichen Gebrauch des Fuͤrwortes Er haben wir in den Gedichten des unſterblichen Hallers zu bewundern. Es iſt unſere Schuldig- keit, die Quelle zu kroͤnen, aus der wir ſo vieles Dickes und Duͤnnes ſchoͤpfen. Nie mit ſich ſelbſt vergnuͤgt, ſucht jeder auſ- ſenher Die Ruh, die niemand ihm verſchaffen kann, als er. 98 S. Jn der Schweiz ſaget man a. St. ſich ihm; und a. St. wir er. Jn Frankreich wuͤrden ihn alle Schuͤler auspfeifen: in Deutſchland bewundern ihn Gelehrte. Laͤndlich, ſittlich! Erborne. Wir haben bisher umſonſt die Bedeutung dieſes Beywortes geſuchet: wuͤrde der Gramma- tiker es ſonſt brauchen? Er weis naͤmlich oft das, was wir ſuchen, zu verſtecken. Große Leute muͤſſen ſich naͤmlich nicht ganz, ſondern nur halb ausſchreiben. Wir muͤſſen immer noch etwas fuͤr uns behalten; und uns freuen, wenn unſere Verehrer uns erſuchen muͤſſen, ihnen den Sinn zu erklaͤren. Z. E. Hier ſind zwey alte Troͤdelweiber, die Schleyer verleihen; auch ei- ne Scheu, die mit Larven handelt. Erlernte Ehrbarkeit leiht manchem ihren Schleyer, Wann andrer, die die Scheu mit keiner Larve deckt, Er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/148
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/148>, abgerufen am 29.03.2024.