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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Me
als du schon deine irdische Hülle einmal abgeleget
hattest? Man hat Mährchen von Leuten, die wie-
der aufgelebt seyn sollen; allein diese neugeschaffe-
ne Menschen waren bis zu ihrem zweyten Tode
allem Jrdischen abgestorben: es muß doch nicht
so seyn!

Melancholisch.

So kann man zu einem Schwer-
müthigen sagen: Sie haben heut ein melan-
cholisches Aug.

-- "Sein tiefes und melancholisches Auge
"Funkelte,
da sprach er mit zornig geflügel-
ter Stimme. Off. St. Kl. 107 S.

Jst das wahr, daß ein Aug funkelt, in dem sich
die Schwermuth lesen läßt?
Werden wir nicht
auch bald freundlich geflügelte, oder gefiederte
Stimmen
bekommen?

Mähl.

Mähl hat noch niemand gesäet: allein
der große Rath, der telescopische Brillenma-
cher, säet
gar Semmelmähl. Was wird er
doch erndten? Wurmsaamen! Noah, ir-
gendwo.

Mensch.

Was ist ein Mensch? Ein

"Zweydeutig Mittelding von Engeln und
von Vieh. Haller, 104 S.

Ob wir gleich nicht recht wissen, was ein zweydeu-
tig Mittelding
für ein Ding ist: so bewundern
wir doch diesen Ausdruck; finden aber, daß vor
uns
die Teufel noch sind; hinter uns hingegen
die Affen diese Leiter der Wesen hinaufklettern.
Se. Gn. stehen sonder Zweifel auf einer Sprosse
mit den Engeln, da Sie ja bey lebendigem Leibe
halb Ewigkeit sind.

"Aus
T 4

Me
als du ſchon deine irdiſche Huͤlle einmal abgeleget
hatteſt? Man hat Maͤhrchen von Leuten, die wie-
der aufgelebt ſeyn ſollen; allein dieſe neugeſchaffe-
ne Menſchen waren bis zu ihrem zweyten Tode
allem Jrdiſchen abgeſtorben: es muß doch nicht
ſo ſeyn!

Melancholiſch.

So kann man zu einem Schwer-
muͤthigen ſagen: Sie haben heut ein melan-
choliſches Aug.

— “Sein tiefes und melancholiſches Auge
“Funkelte,
da ſprach er mit zornig gefluͤgel-
ter Stimme. Off. St. Kl. 107 S.

Jſt das wahr, daß ein Aug funkelt, in dem ſich
die Schwermuth leſen laͤßt?
Werden wir nicht
auch bald freundlich gefluͤgelte, oder gefiederte
Stimmen
bekommen?

Maͤhl.

Maͤhl hat noch niemand geſaͤet: allein
der große Rath, der teleſcopiſche Brillenma-
cher, ſaͤet
gar Semmelmaͤhl. Was wird er
doch erndten? Wurmſaamen! Noah, ir-
gendwo.

Menſch.

Was iſt ein Menſch? Ein

Zweydeutig Mittelding von Engeln und
von Vieh. Haller, 104 S.

Ob wir gleich nicht recht wiſſen, was ein zweydeu-
tig Mittelding
fuͤr ein Ding iſt: ſo bewundern
wir doch dieſen Ausdruck; finden aber, daß vor
uns
die Teufel noch ſind; hinter uns hingegen
die Affen dieſe Leiter der Weſen hinaufklettern.
Se. Gn. ſtehen ſonder Zweifel auf einer Sproſſe
mit den Engeln, da Sie ja bey lebendigem Leibe
halb Ewigkeit ſind.

“Aus
T 4
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[295/0321] Me als du ſchon deine irdiſche Huͤlle einmal abgeleget hatteſt? Man hat Maͤhrchen von Leuten, die wie- der aufgelebt ſeyn ſollen; allein dieſe neugeſchaffe- ne Menſchen waren bis zu ihrem zweyten Tode allem Jrdiſchen abgeſtorben: es muß doch nicht ſo ſeyn! Melancholiſch. So kann man zu einem Schwer- muͤthigen ſagen: Sie haben heut ein melan- choliſches Aug. — “Sein tiefes und melancholiſches Auge “Funkelte, da ſprach er mit zornig gefluͤgel- ter Stimme. Off. St. Kl. 107 S. Jſt das wahr, daß ein Aug funkelt, in dem ſich die Schwermuth leſen laͤßt? Werden wir nicht auch bald freundlich gefluͤgelte, oder gefiederte Stimmen bekommen? Maͤhl. Maͤhl hat noch niemand geſaͤet: allein der große Rath, der teleſcopiſche Brillenma- cher, ſaͤet gar Semmelmaͤhl. Was wird er doch erndten? Wurmſaamen! Noah, ir- gendwo. Menſch. Was iſt ein Menſch? Ein “Zweydeutig Mittelding von Engeln und von Vieh. Haller, 104 S. Ob wir gleich nicht recht wiſſen, was ein zweydeu- tig Mittelding fuͤr ein Ding iſt: ſo bewundern wir doch dieſen Ausdruck; finden aber, daß vor uns die Teufel noch ſind; hinter uns hingegen die Affen dieſe Leiter der Weſen hinaufklettern. Se. Gn. ſtehen ſonder Zweifel auf einer Sproſſe mit den Engeln, da Sie ja bey lebendigem Leibe halb Ewigkeit ſind. “Aus T 4

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/321>, abgerufen am 20.04.2024.