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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Der Satz ist richtig; nur mit den Folgen siehet es
unsicher aus. Denn, wie ein Maler, der nur
den Geschmack des Vatto hat, wohl Alexan-
dern
nach vattoischem Geschmacke malen wird;
so ziehet auch ein Dichter dem Meßias ein Gewand
von miltonischen Lappen geflicket an.

Strecken. "Die Gegend rührt ein heilig Schröcken,
"Man sieht die Häupter wartend stre-
cken. Samml. Nicol. 110 S.

Wir stellen uns hierbey Gänse vor, die die Hälse
wegstrecken,
wenn sie durch ein Thor gehen.
Denn die Jünger streckten die Hälse so, als der
Heyland dem Sturme geboth. Fallen wir dabey
mit unsern Gedanken auf die langen Bärte der
Aposteln: so bekommen wir von diesem Strecken
der Köpfe mit hinunter hangenden Bärten

ein gar angenehmes Bild.

Strauchroß.

Herr Magister, Herr Pferde-
bändiger!
Was ist das für ein Roß?

"Da --
"Rannte der geschäftige Ludim auf seinem
Strauchroß darzwischen. Nimr. 510 S.

Zwo Seiten weiter hin treffen wir ein recht home-
risches
Stückchen an. Chapelain war auch sehr
stark in der Beschreibung der Wunden.

"Der Stich traf übers Brustbein die schwam-
michten Lappen der Lunge.
Nimr. 512 S.

Etwas von der Anatomie in einem Heldengedichte
kann nicht schaden; es dienet vielmehr zur Erhe-
bung. Man glaubet, der Dichter sey ein Mann

in
C c 4

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Der Satz iſt richtig; nur mit den Folgen ſiehet es
unſicher aus. Denn, wie ein Maler, der nur
den Geſchmack des Vatto hat, wohl Alexan-
dern
nach vattoiſchem Geſchmacke malen wird;
ſo ziehet auch ein Dichter dem Meßias ein Gewand
von miltoniſchen Lappen geflicket an.

Strecken. “Die Gegend ruͤhrt ein heilig Schroͤcken,
“Man ſieht die Haͤupter wartend ſtre-
cken. Samml. Nicol. 110 S.

Wir ſtellen uns hierbey Gaͤnſe vor, die die Haͤlſe
wegſtrecken,
wenn ſie durch ein Thor gehen.
Denn die Juͤnger ſtreckten die Haͤlſe ſo, als der
Heyland dem Sturme geboth. Fallen wir dabey
mit unſern Gedanken auf die langen Baͤrte der
Apoſteln: ſo bekommen wir von dieſem Strecken
der Koͤpfe mit hinunter hangenden Baͤrten

ein gar angenehmes Bild.

Strauchroß.

Herr Magiſter, Herr Pferde-
baͤndiger!
Was iſt das fuͤr ein Roß?

“Da —
“Rannte der geſchaͤftige Ludim auf ſeinem
Strauchroß darzwiſchen. Nimr. 510 S.

Zwo Seiten weiter hin treffen wir ein recht home-
riſches
Stuͤckchen an. Chapelain war auch ſehr
ſtark in der Beſchreibung der Wunden.

“Der Stich traf uͤbers Bruſtbein die ſchwam-
michten Lappen der Lunge.
Nimr. 512 S.

Etwas von der Anatomie in einem Heldengedichte
kann nicht ſchaden; es dienet vielmehr zur Erhe-
bung. Man glaubet, der Dichter ſey ein Mann

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[407/0433] St Der Satz iſt richtig; nur mit den Folgen ſiehet es unſicher aus. Denn, wie ein Maler, der nur den Geſchmack des Vatto hat, wohl Alexan- dern nach vattoiſchem Geſchmacke malen wird; ſo ziehet auch ein Dichter dem Meßias ein Gewand von miltoniſchen Lappen geflicket an. Strecken. “Die Gegend ruͤhrt ein heilig Schroͤcken, “Man ſieht die Haͤupter wartend ſtre- cken. Samml. Nicol. 110 S. Wir ſtellen uns hierbey Gaͤnſe vor, die die Haͤlſe wegſtrecken, wenn ſie durch ein Thor gehen. Denn die Juͤnger ſtreckten die Haͤlſe ſo, als der Heyland dem Sturme geboth. Fallen wir dabey mit unſern Gedanken auf die langen Baͤrte der Apoſteln: ſo bekommen wir von dieſem Strecken der Koͤpfe mit hinunter hangenden Baͤrten ein gar angenehmes Bild. Strauchroß. Herr Magiſter, Herr Pferde- baͤndiger! Was iſt das fuͤr ein Roß? “Da — “Rannte der geſchaͤftige Ludim auf ſeinem Strauchroß darzwiſchen. Nimr. 510 S. Zwo Seiten weiter hin treffen wir ein recht home- riſches Stuͤckchen an. Chapelain war auch ſehr ſtark in der Beſchreibung der Wunden. “Der Stich traf uͤbers Bruſtbein die ſchwam- michten Lappen der Lunge. Nimr. 512 S. Etwas von der Anatomie in einem Heldengedichte kann nicht ſchaden; es dienet vielmehr zur Erhe- bung. Man glaubet, der Dichter ſey ein Mann in C c 4

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/433>, abgerufen am 19.04.2024.