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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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An
Doch ach! es lischt (a. St. verlischt) in uns des
Lebens kurzer Tacht,
Den Müh u. scharfer Witz zu heftig angefacht.
Haller 64 S.

Man sage nicht: so war der Tacht vorher ausge-
löschet?
da muß es sehr übel gerochen haben.
Bald wird das Leben ein Talchlicht bekommen!
Thorheit! Denn haben nicht schon die Berge
Talch?

Anfangen. Der Engel fängt schon an.
Haller, 60 S.

Ein blöder Sprachgrübler fraget hier: Was thut
also der Engel, wann er anfängt? Es sollte
heissen: man fängt bey lebendigem Leibe schon
an, ein Engelchen zu seyn.
Er irret. Diese
neue Art des Erhabenen besteht in der Auslassung
vieler Wörter, die zum Verstande der gemeinen
Sprache nöthig sind. So kann ich z. E. sagen,
wenn ein Gottloser stirbt: der Teufel fängt
schon an.
Denn jenes galt von einem Mägdchen,
welches in einem Kloster eingekleidet wird.

Angst rümpft die Stirne,

d. h. es wird mir
angst;
zumal, wann die Stirne aufgewölket
ist. Haller, ich weis nicht wo.
Man verge-
be uns eine solche Anführung. Wir haben uns
nämlich dieses wehrten Mannes Gedichte, wie die
Bibel, zu eigen gemachet; haben wir nicht einen
Prediger gekannt, der auch, bey einem Glase
Wein in der Hand, seine theologische, oder mora-
lische Untersuchungen, mit einem wie der un-
sterbliche Herr von Haller
sagt, gar sinnreich

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B 2
An
Doch ach! es liſcht (a. St. verliſcht) in uns des
Lebens kurzer Tacht,
Den Muͤh u. ſcharfer Witz zu heftig angefacht.
Haller 64 S.

Man ſage nicht: ſo war der Tacht vorher ausge-
loͤſchet?
da muß es ſehr uͤbel gerochen haben.
Bald wird das Leben ein Talchlicht bekommen!
Thorheit! Denn haben nicht ſchon die Berge
Talch?

Anfangen. Der Engel faͤngt ſchon an.
Haller, 60 S.

Ein bloͤder Sprachgruͤbler fraget hier: Was thut
alſo der Engel, wann er anfaͤngt? Es ſollte
heiſſen: man faͤngt bey lebendigem Leibe ſchon
an, ein Engelchen zu ſeyn.
Er irret. Dieſe
neue Art des Erhabenen beſteht in der Auslaſſung
vieler Woͤrter, die zum Verſtande der gemeinen
Sprache noͤthig ſind. So kann ich z. E. ſagen,
wenn ein Gottloſer ſtirbt: der Teufel faͤngt
ſchon an.
Denn jenes galt von einem Maͤgdchen,
welches in einem Kloſter eingekleidet wird.

Angſt ruͤmpft die Stirne,

d. h. es wird mir
angſt;
zumal, wann die Stirne aufgewoͤlket
iſt. Haller, ich weis nicht wo.
Man verge-
be uns eine ſolche Anfuͤhrung. Wir haben uns
naͤmlich dieſes wehrten Mannes Gedichte, wie die
Bibel, zu eigen gemachet; haben wir nicht einen
Prediger gekannt, der auch, bey einem Glaſe
Wein in der Hand, ſeine theologiſche, oder mora-
liſche Unterſuchungen, mit einem wie der un-
ſterbliche Herr von Haller
ſagt, gar ſinnreich

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[19/0045] An Doch ach! es liſcht (a. St. verliſcht) in uns des Lebens kurzer Tacht, Den Muͤh u. ſcharfer Witz zu heftig angefacht. Haller 64 S. Man ſage nicht: ſo war der Tacht vorher ausge- loͤſchet? da muß es ſehr uͤbel gerochen haben. Bald wird das Leben ein Talchlicht bekommen! Thorheit! Denn haben nicht ſchon die Berge Talch? Anfangen. Der Engel faͤngt ſchon an. Haller, 60 S. Ein bloͤder Sprachgruͤbler fraget hier: Was thut alſo der Engel, wann er anfaͤngt? Es ſollte heiſſen: man faͤngt bey lebendigem Leibe ſchon an, ein Engelchen zu ſeyn. Er irret. Dieſe neue Art des Erhabenen beſteht in der Auslaſſung vieler Woͤrter, die zum Verſtande der gemeinen Sprache noͤthig ſind. So kann ich z. E. ſagen, wenn ein Gottloſer ſtirbt: der Teufel faͤngt ſchon an. Denn jenes galt von einem Maͤgdchen, welches in einem Kloſter eingekleidet wird. Angſt ruͤmpft die Stirne, d. h. es wird mir angſt; zumal, wann die Stirne aufgewoͤlket iſt. Haller, ich weis nicht wo. Man verge- be uns eine ſolche Anfuͤhrung. Wir haben uns naͤmlich dieſes wehrten Mannes Gedichte, wie die Bibel, zu eigen gemachet; haben wir nicht einen Prediger gekannt, der auch, bey einem Glaſe Wein in der Hand, ſeine theologiſche, oder mora- liſche Unterſuchungen, mit einem wie der un- ſterbliche Herr von Haller ſagt, gar ſinnreich ver- B 2

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/45>, abgerufen am 28.03.2024.