Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Ve
"Fast kühn beschäftigt dem Verstande die
nöthge Wärme zu verleyhn,

"Jhn lebhaft, munter, hold zu machen, mit
Wangen, gleich Aurorens Schein.
Vorr. der Brem. Ged.

So ist Hr. Oest auch eine Muse? Daß uns
Apollo vor ihrem Einflusse behüte! Den Ver-
stand mit Wangen munter machen,
gleich
Aurorens Schein! So hat der Verstand Wan-
gen? So macht man ihn mit den Wangen munter?
Wo bringen wir gleich Aurorens Schein hin?
Welch eine Tiefe des Ausdruckes! Das gehöret
zum Breiten.

Verstecken den Dolch in deine Brust.

Ein
hübsches Verstecken! a. St.

"Den Dolch will ich dir in die Brust stoßen!
Welches ist besser?
"Jede den Dolch in der Brust des Bettgenos-
sen verstecken. Noah, 29 S.

Vor wem denn verstecken?

Verstummen die lauten Thränen im sehenden
Auge.

Daß die Thränen reden: das wissen al-
le Verliebten; ob ihre Sprache laut, oder stumm
sey: das entscheidet der Seher. Wir würden
mit ihrer stummen Redekunst zufrieden gewesen
seyn. Allein der Prophet wird dann und wann,
wie die Juden in der Synagoge, laut. Ein se-
hendes Auge,
und ein hörendes Auge sind in der
itzigen Zeit der klopstockischen Verwandelun-
gen
sehr nöthige Ausdrücke. Denn es könnte

leicht
Ve
“Faſt kuͤhn beſchaͤftigt dem Verſtande die
noͤthge Waͤrme zu verleyhn,

“Jhn lebhaft, munter, hold zu machen, mit
Wangen, gleich Aurorens Schein.
Vorr. der Brem. Ged.

So iſt Hr. Oeſt auch eine Muſe? Daß uns
Apollo vor ihrem Einfluſſe behuͤte! Den Ver-
ſtand mit Wangen munter machen,
gleich
Aurorens Schein! So hat der Verſtand Wan-
gen? So macht man ihn mit den Wangen munter?
Wo bringen wir gleich Aurorens Schein hin?
Welch eine Tiefe des Ausdruckes! Das gehoͤret
zum Breiten.

Verſtecken den Dolch in deine Bruſt.

Ein
huͤbſches Verſtecken! a. St.

“Den Dolch will ich dir in die Bruſt ſtoßen!
Welches iſt beſſer?
“Jede den Dolch in der Bruſt des Bettgenoſ-
ſen verſtecken. Noah, 29 S.

Vor wem denn verſtecken?

Verſtummen die lauten Thraͤnen im ſehenden
Auge.

Daß die Thraͤnen reden: das wiſſen al-
le Verliebten; ob ihre Sprache laut, oder ſtumm
ſey: das entſcheidet der Seher. Wir wuͤrden
mit ihrer ſtummen Redekunſt zufrieden geweſen
ſeyn. Allein der Prophet wird dann und wann,
wie die Juden in der Synagoge, laut. Ein ſe-
hendes Auge,
und ein hoͤrendes Auge ſind in der
itzigen Zeit der klopſtockiſchen Verwandelun-
gen
ſehr noͤthige Ausdruͤcke. Denn es koͤnnte

leicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <cit>
              <quote><pb facs="#f0464" n="438"/><fw place="top" type="header">Ve</fw><lb/>
&#x201C;Fa&#x017F;t ku&#x0364;hn be&#x017F;cha&#x0364;ftigt <hi rendition="#fr">dem Ver&#x017F;tande die<lb/><hi rendition="#et">no&#x0364;thge Wa&#x0364;rme zu verleyhn,</hi></hi><lb/>
&#x201C;Jhn lebhaft, <hi rendition="#fr">munter,</hi> hold zu <hi rendition="#fr">machen,</hi> mit<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Wangen, gleich</hi> Aurorens Schein.<lb/><hi rendition="#fr">Vorr. der Brem. Ged.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>So i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Hr. Oe&#x017F;t</hi> auch eine Mu&#x017F;e? Daß uns<lb/><hi rendition="#fr">Apollo</hi> vor ihrem Einflu&#x017F;&#x017F;e behu&#x0364;te! <hi rendition="#fr">Den Ver-<lb/>
&#x017F;tand mit Wangen munter machen,</hi> gleich<lb/><hi rendition="#fr">Aurorens Schein!</hi> So hat der Ver&#x017F;tand Wan-<lb/>
gen? So macht man ihn mit den Wangen munter?<lb/>
Wo bringen wir gleich <hi rendition="#fr">Aurorens Schein</hi> hin?<lb/>
Welch eine Tiefe des Ausdruckes! Das geho&#x0364;ret<lb/><hi rendition="#fr">zum Breiten.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Ver&#x017F;tecken den Dolch in deine Bru&#x017F;t.</head>
            <p>Ein<lb/>
hu&#x0364;b&#x017F;ches <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tecken!</hi> a. St.</p><lb/>
            <cit>
              <quote>&#x201C;Den Dolch will ich dir in die Bru&#x017F;t &#x017F;toßen!<lb/>
Welches i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er?<lb/>
&#x201C;Jede den <hi rendition="#fr">Dolch</hi> in der Bru&#x017F;t des Bettgeno&#x017F;-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;en <hi rendition="#fr">ver&#x017F;tecken. Noah, 29 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Vor wem</hi> denn <hi rendition="#fr">ver&#x017F;tecken?</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Ver&#x017F;tummen die lauten Thra&#x0364;nen im &#x017F;ehenden<lb/>
Auge.</head>
            <p>Daß die <hi rendition="#fr">Thra&#x0364;nen reden:</hi> das wi&#x017F;&#x017F;en al-<lb/>
le Verliebten; ob ihre Sprache <hi rendition="#fr">laut,</hi> oder <hi rendition="#fr">&#x017F;tumm</hi><lb/>
&#x017F;ey: das ent&#x017F;cheidet der <hi rendition="#fr">Seher.</hi> Wir wu&#x0364;rden<lb/>
mit ihrer <hi rendition="#fr">&#x017F;tummen Redekun&#x017F;t</hi> zufrieden gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn. Allein der <hi rendition="#fr">Prophet</hi> wird dann und wann,<lb/>
wie die <hi rendition="#fr">Juden</hi> in der <hi rendition="#fr">Synagoge, laut.</hi> Ein <hi rendition="#fr">&#x017F;e-<lb/>
hendes Auge,</hi> und ein <hi rendition="#fr">ho&#x0364;rendes Auge</hi> &#x017F;ind in der<lb/>
itzigen Zeit der <hi rendition="#fr">klop&#x017F;tocki&#x017F;chen Verwandelun-<lb/>
gen</hi> &#x017F;ehr no&#x0364;thige Ausdru&#x0364;cke. Denn es ko&#x0364;nnte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">leicht</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0464] Ve “Faſt kuͤhn beſchaͤftigt dem Verſtande die noͤthge Waͤrme zu verleyhn, “Jhn lebhaft, munter, hold zu machen, mit Wangen, gleich Aurorens Schein. Vorr. der Brem. Ged. So iſt Hr. Oeſt auch eine Muſe? Daß uns Apollo vor ihrem Einfluſſe behuͤte! Den Ver- ſtand mit Wangen munter machen, gleich Aurorens Schein! So hat der Verſtand Wan- gen? So macht man ihn mit den Wangen munter? Wo bringen wir gleich Aurorens Schein hin? Welch eine Tiefe des Ausdruckes! Das gehoͤret zum Breiten. Verſtecken den Dolch in deine Bruſt. Ein huͤbſches Verſtecken! a. St. “Den Dolch will ich dir in die Bruſt ſtoßen! Welches iſt beſſer? “Jede den Dolch in der Bruſt des Bettgenoſ- ſen verſtecken. Noah, 29 S. Vor wem denn verſtecken? Verſtummen die lauten Thraͤnen im ſehenden Auge. Daß die Thraͤnen reden: das wiſſen al- le Verliebten; ob ihre Sprache laut, oder ſtumm ſey: das entſcheidet der Seher. Wir wuͤrden mit ihrer ſtummen Redekunſt zufrieden geweſen ſeyn. Allein der Prophet wird dann und wann, wie die Juden in der Synagoge, laut. Ein ſe- hendes Auge, und ein hoͤrendes Auge ſind in der itzigen Zeit der klopſtockiſchen Verwandelun- gen ſehr noͤthige Ausdruͤcke. Denn es koͤnnte leicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/464
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/464>, abgerufen am 24.04.2024.