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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Be
Darinn kein erblich Gift von siechen Vätern
schleicht;
Das Kummer nicht vergällt; der Jähzorn
nicht befeuret;
Kein geiles Eiter fäult; das Schwelgen nicht
versäuret etc. Haller 22 S.

Erstlich bewundern wir, von Amtes wegen, das
Nebenwort darinn; weil es sowohl auf Adern,
als Geblüt gehen kann. 2. daß das Gift, wie
ein Gut, erblich wird: man wird es daher bald
zu Lehn machen: angeerbtes Gift war freylich
zu gemein; 3. loben wir den Artikel das, wel-
cher sowohl auf Gift, als Blut gehet; 4. das
geile Eiter, das Blut fäult; fäult war sonst ein
unpersönliches Zeitwort; und man sagte: das
Fleisch fault;
aber nicht: die Fäulniß fäult das
Fleisch. Versäuret
war auch noch bisher kein
Zeitwort von der thätigen Gattung. Allein,
wir erwarten eine neue Sprachlehre.

Beflogen.

Etwas befliegen: ein allerliebstes
Wort, welches, wahrlich! aus der geheimsten
Kammer malerischer Dichterey genommen wor-
den.

"Ein nie beflogener Gipfel streckt das
"Wetterhorn durch einen dünnen Wolken-
"kranz; bestralet mit rosenfarbenem Glanze
"beschämt sein graues Haupt, das Schnee
"und Purpur schmücken, gemeiner Berge
"blauen Rücken.
"

Haller 96 S. Wer mir
das sagen kann, der muß sich für keinen Schwindel
fürchten.

Befehlen.

Das Auge zurück befehlen: vortreff-
lich!

Bald
Be
Darinn kein erblich Gift von ſiechen Vaͤtern
ſchleicht;
Das Kummer nicht vergaͤllt; der Jaͤhzorn
nicht befeuret;
Kein geiles Eiter faͤult; das Schwelgen nicht
verſaͤuret ꝛc. Haller 22 S.

Erſtlich bewundern wir, von Amtes wegen, das
Nebenwort darinn; weil es ſowohl auf Adern,
als Gebluͤt gehen kann. 2. daß das Gift, wie
ein Gut, erblich wird: man wird es daher bald
zu Lehn machen: angeerbtes Gift war freylich
zu gemein; 3. loben wir den Artikel das, wel-
cher ſowohl auf Gift, als Blut gehet; 4. das
geile Eiter, das Blut faͤult; faͤult war ſonſt ein
unperſoͤnliches Zeitwort; und man ſagte: das
Fleiſch fault;
aber nicht: die Faͤulniß faͤult das
Fleiſch. Verſaͤuret
war auch noch bisher kein
Zeitwort von der thaͤtigen Gattung. Allein,
wir erwarten eine neue Sprachlehre.

Beflogen.

Etwas befliegen: ein allerliebſtes
Wort, welches, wahrlich! aus der geheimſten
Kammer maleriſcher Dichterey genommen wor-
den.

“Ein nie beflogener Gipfel ſtreckt das
“Wetterhorn durch einen duͤnnen Wolken-
“kranz; beſtralet mit roſenfarbenem Glanze
“beſchaͤmt ſein graues Haupt, das Schnee
“und Purpur ſchmuͤcken, gemeiner Berge
“blauen Ruͤcken.

Haller 96 S. Wer mir
das ſagen kann, der muß ſich fuͤr keinen Schwindel
fuͤrchten.

Befehlen.

Das Auge zuruͤck befehlen: vortreff-
lich!

Bald
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[38/0064] Be Darinn kein erblich Gift von ſiechen Vaͤtern ſchleicht; Das Kummer nicht vergaͤllt; der Jaͤhzorn nicht befeuret; Kein geiles Eiter faͤult; das Schwelgen nicht verſaͤuret ꝛc. Haller 22 S. Erſtlich bewundern wir, von Amtes wegen, das Nebenwort darinn; weil es ſowohl auf Adern, als Gebluͤt gehen kann. 2. daß das Gift, wie ein Gut, erblich wird: man wird es daher bald zu Lehn machen: angeerbtes Gift war freylich zu gemein; 3. loben wir den Artikel das, wel- cher ſowohl auf Gift, als Blut gehet; 4. das geile Eiter, das Blut faͤult; faͤult war ſonſt ein unperſoͤnliches Zeitwort; und man ſagte: das Fleiſch fault; aber nicht: die Faͤulniß faͤult das Fleiſch. Verſaͤuret war auch noch bisher kein Zeitwort von der thaͤtigen Gattung. Allein, wir erwarten eine neue Sprachlehre. Beflogen. Etwas befliegen: ein allerliebſtes Wort, welches, wahrlich! aus der geheimſten Kammer maleriſcher Dichterey genommen wor- den. “Ein nie beflogener Gipfel ſtreckt das “Wetterhorn durch einen duͤnnen Wolken- “kranz; beſtralet mit roſenfarbenem Glanze “beſchaͤmt ſein graues Haupt, das Schnee “und Purpur ſchmuͤcken, gemeiner Berge “blauen Ruͤcken.” Haller 96 S. Wer mir das ſagen kann, der muß ſich fuͤr keinen Schwindel fuͤrchten. Befehlen. Das Auge zuruͤck befehlen: vortreff- lich! Bald

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/64>, abgerufen am 29.03.2024.