Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Bl
spieße, oder Jägerspieße Herzblut? Das ist
ja wundersam, und wohl zu bemerken, daß ein ge-
bratenes Schwein den Koch zerfleischt.

Bluten.

Von fremden Ruthen bluten, und
doch nicht Schläge bekommen, ist das nicht selt-
sam? Es ist doch wahr.

Füllt ein Herze Ehrsucht mit Erbarmen?
Das dem Unglück reicht die milden Armen,
Weint mit andern, und von fremden Ruthen
Würdigt zu bluten. Haller 52 S.

Das thäte ich nun eben nicht, daß ich meinem oder
meines Freundes Unglücke die Armen reichte.
Wegjagen
wollte ichs, wenn ich könnte. Wie
künstlich das hier angebracht ist! Erbarmen
kann es sowohl, als ein Herz auf sich ziehen, von
dem man nicht recht siehet, ob es füllet oder gefül-
let wird.
Aber eben das ergetzet den Leser, wenn
er einen Fund thut; und so listig ist, den Sinn zu
errathen. Fremde Ruthen, also auch eigene
Ruthen!
So kann man auch dem Herzen einen
Schilling geben?

Bluten.

Sein Leben bluten. So bestehet folg-
lich unser Leben im Blute? So orthodox lehret
St. Klopstock in seiner Offenbarung 140 S.

Jch will, ist zierlich vergessen worden.
Meine rechte Hand aufthun, u. sagen: bey dem,
der geblutet;
Von den Höhen des Kreuzes herab sein Leben
geblutet!

Jst das nicht ein Bluten! Noch ein Bluten!
Wie aber es blutet!

Er
E 2

Bl
ſpieße, oder Jaͤgerſpieße Herzblut? Das iſt
ja wunderſam, und wohl zu bemerken, daß ein ge-
bratenes Schwein den Koch zerfleiſcht.

Bluten.

Von fremden Ruthen bluten, und
doch nicht Schlaͤge bekommen, iſt das nicht ſelt-
ſam? Es iſt doch wahr.

Fuͤllt ein Herze Ehrſucht mit Erbarmen?
Das dem Ungluͤck reicht die milden Armen,
Weint mit andern, und von fremden Ruthen
Wuͤrdigt zu bluten. Haller 52 S.

Das thaͤte ich nun eben nicht, daß ich meinem oder
meines Freundes Ungluͤcke die Armen reichte.
Wegjagen
wollte ichs, wenn ich koͤnnte. Wie
kuͤnſtlich das hier angebracht iſt! Erbarmen
kann es ſowohl, als ein Herz auf ſich ziehen, von
dem man nicht recht ſiehet, ob es fuͤllet oder gefuͤl-
let wird.
Aber eben das ergetzet den Leſer, wenn
er einen Fund thut; und ſo liſtig iſt, den Sinn zu
errathen. Fremde Ruthen, alſo auch eigene
Ruthen!
So kann man auch dem Herzen einen
Schilling geben?

Bluten.

Sein Leben bluten. So beſtehet folg-
lich unſer Leben im Blute? So orthodox lehret
St. Klopſtock in ſeiner Offenbarung 140 S.

Jch will, iſt zierlich vergeſſen worden.
Meine rechte Hand aufthun, u. ſagen: bey dem,
der geblutet;
Von den Hoͤhen des Kreuzes herab ſein Leben
geblutet!

Jſt das nicht ein Bluten! Noch ein Bluten!
Wie aber es blutet!

Er
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0093" n="67"/><fw place="top" type="header">Bl</fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;pieße, oder Ja&#x0364;ger&#x017F;pieße Herzblut?</hi> Das i&#x017F;t<lb/>
ja wunder&#x017F;am, und wohl zu bemerken, daß ein ge-<lb/>
bratenes Schwein den Koch zerflei&#x017F;cht.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Bluten.</head>
            <p><hi rendition="#fr">Von fremden Ruthen bluten,</hi> und<lb/>
doch nicht Schla&#x0364;ge bekommen, i&#x017F;t das nicht &#x017F;elt-<lb/>
&#x017F;am? Es i&#x017F;t doch wahr.</p><lb/>
            <cit>
              <quote>Fu&#x0364;llt ein Herze Ehr&#x017F;ucht mit Erbarmen?<lb/><hi rendition="#fr">Das</hi> dem Unglu&#x0364;ck reicht die milden Armen,<lb/>
Weint mit andern, und <hi rendition="#fr">von fremden Ruthen<lb/>
Wu&#x0364;rdigt zu bluten. <hi rendition="#et">Haller 52 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Das tha&#x0364;te ich nun eben nicht, daß ich meinem oder<lb/>
meines Freundes <hi rendition="#fr">Unglu&#x0364;cke die Armen reichte.<lb/>
Wegjagen</hi> wollte ichs, wenn ich ko&#x0364;nnte. Wie<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlich <hi rendition="#fr">das</hi> hier angebracht i&#x017F;t! <hi rendition="#fr">Erbarmen</hi><lb/>
kann es &#x017F;owohl, als ein <hi rendition="#fr">Herz</hi> auf &#x017F;ich ziehen, von<lb/>
dem man nicht recht &#x017F;iehet, ob es <hi rendition="#fr">fu&#x0364;llet</hi> oder <hi rendition="#fr">gefu&#x0364;l-<lb/>
let wird.</hi> Aber eben das ergetzet den Le&#x017F;er, wenn<lb/>
er einen Fund thut; und &#x017F;o li&#x017F;tig i&#x017F;t, den Sinn zu<lb/>
errathen. <hi rendition="#fr">Fremde Ruthen,</hi> al&#x017F;o auch <hi rendition="#fr">eigene<lb/>
Ruthen!</hi> So kann man auch dem Herzen einen<lb/>
Schilling geben?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Bluten.</head>
            <p><hi rendition="#fr">Sein Leben bluten.</hi> So be&#x017F;tehet folg-<lb/>
lich un&#x017F;er Leben im Blute? So orthodox lehret<lb/><hi rendition="#fr">St. Klop&#x017F;tock</hi> in &#x017F;einer <hi rendition="#fr">Offenbarung 140 S.</hi></p><lb/>
            <cit>
              <quote><hi rendition="#fr">Jch will,</hi> i&#x017F;t zierlich verge&#x017F;&#x017F;en worden.<lb/>
Meine rechte Hand aufthun, u. &#x017F;agen: bey dem,<lb/><hi rendition="#et">der <hi rendition="#fr">geblutet;</hi></hi><lb/>
Von den Ho&#x0364;hen des Kreuzes herab <hi rendition="#fr">&#x017F;ein Leben<lb/><hi rendition="#et">geblutet!</hi></hi><lb/>
J&#x017F;t das nicht ein <hi rendition="#fr">Bluten!</hi> Noch ein <hi rendition="#fr">Bluten!<lb/>
Wie aber es blutet!</hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">E 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0093] Bl ſpieße, oder Jaͤgerſpieße Herzblut? Das iſt ja wunderſam, und wohl zu bemerken, daß ein ge- bratenes Schwein den Koch zerfleiſcht. Bluten. Von fremden Ruthen bluten, und doch nicht Schlaͤge bekommen, iſt das nicht ſelt- ſam? Es iſt doch wahr. Fuͤllt ein Herze Ehrſucht mit Erbarmen? Das dem Ungluͤck reicht die milden Armen, Weint mit andern, und von fremden Ruthen Wuͤrdigt zu bluten. Haller 52 S. Das thaͤte ich nun eben nicht, daß ich meinem oder meines Freundes Ungluͤcke die Armen reichte. Wegjagen wollte ichs, wenn ich koͤnnte. Wie kuͤnſtlich das hier angebracht iſt! Erbarmen kann es ſowohl, als ein Herz auf ſich ziehen, von dem man nicht recht ſiehet, ob es fuͤllet oder gefuͤl- let wird. Aber eben das ergetzet den Leſer, wenn er einen Fund thut; und ſo liſtig iſt, den Sinn zu errathen. Fremde Ruthen, alſo auch eigene Ruthen! So kann man auch dem Herzen einen Schilling geben? Bluten. Sein Leben bluten. So beſtehet folg- lich unſer Leben im Blute? So orthodox lehret St. Klopſtock in ſeiner Offenbarung 140 S. Jch will, iſt zierlich vergeſſen worden. Meine rechte Hand aufthun, u. ſagen: bey dem, der geblutet; Von den Hoͤhen des Kreuzes herab ſein Leben geblutet! Jſt das nicht ein Bluten! Noch ein Bluten! Wie aber es blutet! Er E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/93
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/93>, abgerufen am 25.04.2024.