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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Johann van Eyck, von welchem man mit Sicherheit
weiß, es ist von ihm. Es stellt einen Christuskopf
weit unter Lebensgröße dar, mit des Künstlers
Namensunterschrift und der Jahrzahl 1420 bezeich-
net. Übrigens fanden sich bald nicht nur unter den
Vornehmen und Reichen Kunstfreunde genug, welche
mit einander um den Besitz der Werke beider Brüder
wetteiferten, auch fremde und einheimische Kauf-
leute strebten darnach, und führten dann die mit
Gold erkauften Tafeln in das Ausland, wo der
Name van Eyck in kurzer Zeit nicht minder ruhmvoll
bekannt ward als daheim.

Von so günstigen Verhältnissen unterstüzt,
regten Johannes urkräftiger Geist, sein hohes
Talent, sein Muth sich immer mächtiger in seiner
Brust; immer kühner sprach sich die Sehnsucht in
seinem Jnnern aus, vorwärts zu Höhen zu streben,
welche noch von Keinem erreicht waren; immer
deutlicher ward ihm das Gefühl des Unzulänglichen
der ihm zur Ausführung seines Wollens zu Gebote
stehenden Mittel. Die Welt lag hell und blühend
vor seinem klaren Auge, in tausendfacher Form be-


Johann van Eyck, von welchem man mit Sicherheit
weiß, es iſt von ihm. Es ſtellt einen Chriſtuskopf
weit unter Lebensgröße dar, mit des Künſtlers
Namensunterſchrift und der Jahrzahl 1420 bezeich-
net. Übrigens fanden ſich bald nicht nur unter den
Vornehmen und Reichen Kunſtfreunde genug, welche
mit einander um den Beſitz der Werke beider Brüder
wetteiferten, auch fremde und einheimiſche Kauf-
leute ſtrebten darnach, und führten dann die mit
Gold erkauften Tafeln in das Ausland, wo der
Name van Eyck in kurzer Zeit nicht minder ruhmvoll
bekannt ward als daheim.

Von ſo günſtigen Verhältniſſen unterſtüzt,
regten Johannes urkräftiger Geiſt, ſein hohes
Talent, ſein Muth ſich immer mächtiger in ſeiner
Bruſt; immer kühner ſprach ſich die Sehnſucht in
ſeinem Jnnern aus, vorwärts zu Höhen zu ſtreben,
welche noch von Keinem erreicht waren; immer
deutlicher ward ihm das Gefühl des Unzulänglichen
der ihm zur Ausführung ſeines Wollens zu Gebote
ſtehenden Mittel. Die Welt lag hell und blühend
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[24/0036] Johann van Eyck, von welchem man mit Sicherheit weiß, es iſt von ihm. Es ſtellt einen Chriſtuskopf weit unter Lebensgröße dar, mit des Künſtlers Namensunterſchrift und der Jahrzahl 1420 bezeich- net. Übrigens fanden ſich bald nicht nur unter den Vornehmen und Reichen Kunſtfreunde genug, welche mit einander um den Beſitz der Werke beider Brüder wetteiferten, auch fremde und einheimiſche Kauf- leute ſtrebten darnach, und führten dann die mit Gold erkauften Tafeln in das Ausland, wo der Name van Eyck in kurzer Zeit nicht minder ruhmvoll bekannt ward als daheim. Von ſo günſtigen Verhältniſſen unterſtüzt, regten Johannes urkräftiger Geiſt, ſein hohes Talent, ſein Muth ſich immer mächtiger in ſeiner Bruſt; immer kühner ſprach ſich die Sehnſucht in ſeinem Jnnern aus, vorwärts zu Höhen zu ſtreben, welche noch von Keinem erreicht waren; immer deutlicher ward ihm das Gefühl des Unzulänglichen der ihm zur Ausführung ſeines Wollens zu Gebote ſtehenden Mittel. Die Welt lag hell und blühend vor ſeinem klaren Auge, in tauſendfacher Form be-

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/36>, abgerufen am 28.03.2024.