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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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dieses schöne Oval des seitwärts gewendeten Köpf-
chens, als die unbeschreibliche Unschuld dieses vor
der glänzenden Erscheinung des Engels niederge-
schlagnen Blicks. Maria ist so furchtlos in ihrem
Erstaunen, so zutrauungsvoll in ihrer Demuth, als
erkenne sie einen der holden Gespielen aus den
süßlächelnden Träumen ihrer Kindheit in dem
Jünglinge, der, weißgekleidet, auf mächtigen,
weißen Pfauenfeder-Schwingen vor ihr leicht über
den Boden hinschwebt. Der goldne Scepter in
seiner Hand bildet ganz ungesucht ein Kreuz mit dem
Sonnenstral welcher die bedeutungsvolle Taube zu
dem hohen geöffneten Fenster im Hintergrunde
hereinträgt, und zwischen dem Engel und der
Jungfrau entblüht aus glänzender Vase das schöne
Symbol höchster Reinheit, eine schneeweiße Lilie
ohne Staubfäden. Die Anordnung des ganzen
Zimmers spricht die heitre fromme Häuslichkeit der
jungfräulichen Bewohnerin aus; die rothen Vor-
hänge des mit einer gleichfalls rothen Decke ge-
schmückten Bettes im Hintergrunde sind zierlich auf-
gebunden und zurückgeschlagen, so daß die gold-

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dieſes ſchöne Oval des ſeitwärts gewendeten Köpf-
chens, als die unbeſchreibliche Unſchuld dieſes vor
der glänzenden Erſcheinung des Engels niederge-
ſchlagnen Blicks. Maria iſt ſo furchtlos in ihrem
Erſtaunen, ſo zutrauungsvoll in ihrer Demuth, als
erkenne ſie einen der holden Geſpielen aus den
ſüßlächelnden Träumen ihrer Kindheit in dem
Jünglinge, der, weißgekleidet, auf mächtigen,
weißen Pfauenfeder-Schwingen vor ihr leicht über
den Boden hinſchwebt. Der goldne Scepter in
ſeiner Hand bildet ganz ungeſucht ein Kreuz mit dem
Sonnenſtral welcher die bedeutungsvolle Taube zu
dem hohen geöffneten Fenſter im Hintergrunde
hereinträgt, und zwiſchen dem Engel und der
Jungfrau entblüht aus glänzender Vaſe das ſchöne
Symbol höchſter Reinheit, eine ſchneeweiße Lilie
ohne Staubfäden. Die Anordnung des ganzen
Zimmers ſpricht die heitre fromme Häuslichkeit der
jungfräulichen Bewohnerin aus; die rothen Vor-
hänge des mit einer gleichfalls rothen Decke ge-
ſchmückten Bettes im Hintergrunde ſind zierlich auf-
gebunden und zurückgeſchlagen, ſo daß die gold-

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[35/0047] dieſes ſchöne Oval des ſeitwärts gewendeten Köpf- chens, als die unbeſchreibliche Unſchuld dieſes vor der glänzenden Erſcheinung des Engels niederge- ſchlagnen Blicks. Maria iſt ſo furchtlos in ihrem Erſtaunen, ſo zutrauungsvoll in ihrer Demuth, als erkenne ſie einen der holden Geſpielen aus den ſüßlächelnden Träumen ihrer Kindheit in dem Jünglinge, der, weißgekleidet, auf mächtigen, weißen Pfauenfeder-Schwingen vor ihr leicht über den Boden hinſchwebt. Der goldne Scepter in ſeiner Hand bildet ganz ungeſucht ein Kreuz mit dem Sonnenſtral welcher die bedeutungsvolle Taube zu dem hohen geöffneten Fenſter im Hintergrunde hereinträgt, und zwiſchen dem Engel und der Jungfrau entblüht aus glänzender Vaſe das ſchöne Symbol höchſter Reinheit, eine ſchneeweiße Lilie ohne Staubfäden. Die Anordnung des ganzen Zimmers ſpricht die heitre fromme Häuslichkeit der jungfräulichen Bewohnerin aus; die rothen Vor- hänge des mit einer gleichfalls rothen Decke ge- ſchmückten Bettes im Hintergrunde ſind zierlich auf- gebunden und zurückgeſchlagen, ſo daß die gold- 3 *

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/47>, abgerufen am 28.03.2024.