Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


des Kindes küßt, ist ein treues Portrait Philipp
des Guten, Herzogs von Burgund; der zweite
etwas jüngere König beut dicht hinter diesem mit
gebogenem Knie einen goldnen, juwelenreichen
Becher dem Kinde dar; wahrscheinlich trägt auch er
die Ähnlichkeit irgend eines Fürsten jener Zeit.
Diese beiden Könige sind in weit über den Boden
hin sich verbreitenden Mänteln von Goldbrokat und
köstlichen Stoffen würdig bekleidet. Doch in kurzer,
rothsammtner, fast sarazenischer Tracht steht der
dritte, der Mauren König, kein Mohr, wie
frühere Maler ihn abbildeten. Stolz, trotzend
beinahe steht er da; etwas seitwärts gewendet,
halb beleidigt, halb verwundert über die anschei-
nende Ärmlichkeit des Zieles, zu welchem der Stern
ihn führte, und doch ergriffen von der Ahnung des
nahen Gottes in niedrer Gestalt. Unwillkührlich
lüftet die eine Hand die turbanartige Kopfbeklei-
dung, während die andre nach dem von einem weiß-
gekleideten Pagen dargebotnen Goldgefäße greift.
Aus der ganzen Haltung der edlen hohen Gestalt
des kaum den Jünglingsjahren entwachsenen Helden


des Kindes küßt, iſt ein treues Portrait Philipp
des Guten, Herzogs von Burgund; der zweite
etwas jüngere König beut dicht hinter dieſem mit
gebogenem Knie einen goldnen, juwelenreichen
Becher dem Kinde dar; wahrſcheinlich trägt auch er
die Ähnlichkeit irgend eines Fürſten jener Zeit.
Dieſe beiden Könige ſind in weit über den Boden
hin ſich verbreitenden Mänteln von Goldbrokat und
köſtlichen Stoffen würdig bekleidet. Doch in kurzer,
rothſammtner, faſt ſarazeniſcher Tracht ſteht der
dritte, der Mauren König, kein Mohr, wie
frühere Maler ihn abbildeten. Stolz, trotzend
beinahe ſteht er da; etwas ſeitwärts gewendet,
halb beleidigt, halb verwundert über die anſchei-
nende Ärmlichkeit des Zieles, zu welchem der Stern
ihn führte, und doch ergriffen von der Ahnung des
nahen Gottes in niedrer Geſtalt. Unwillkührlich
lüftet die eine Hand die turbanartige Kopfbeklei-
dung, während die andre nach dem von einem weiß-
gekleideten Pagen dargebotnen Goldgefäße greift.
Aus der ganzen Haltung der edlen hohen Geſtalt
des kaum den Jünglingsjahren entwachſenen Helden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="37"/><lb/>
des Kindes küßt, i&#x017F;t ein treues Portrait Philipp<lb/>
des Guten, Herzogs von Burgund; der zweite<lb/>
etwas jüngere König beut dicht hinter die&#x017F;em mit<lb/>
gebogenem Knie einen goldnen, juwelenreichen<lb/>
Becher dem Kinde dar; wahr&#x017F;cheinlich trägt auch er<lb/>
die Ähnlichkeit irgend eines Für&#x017F;ten jener Zeit.<lb/>
Die&#x017F;e beiden Könige &#x017F;ind in weit über den Boden<lb/>
hin &#x017F;ich verbreitenden Mänteln von Goldbrokat und<lb/>&#x017F;tlichen Stoffen würdig bekleidet. Doch in kurzer,<lb/>
roth&#x017F;ammtner, fa&#x017F;t &#x017F;arazeni&#x017F;cher Tracht &#x017F;teht der<lb/>
dritte, der Mauren König, kein Mohr, wie<lb/>
frühere Maler ihn abbildeten. Stolz, trotzend<lb/>
beinahe &#x017F;teht er da; etwas &#x017F;eitwärts gewendet,<lb/>
halb beleidigt, halb verwundert über die an&#x017F;chei-<lb/>
nende Ärmlichkeit des Zieles, zu welchem der Stern<lb/>
ihn führte, und doch ergriffen von der Ahnung des<lb/>
nahen Gottes in niedrer Ge&#x017F;talt. Unwillkührlich<lb/>
lüftet die eine Hand die turbanartige Kopfbeklei-<lb/>
dung, während die andre nach dem von einem weiß-<lb/>
gekleideten Pagen dargebotnen Goldgefäße greift.<lb/>
Aus der ganzen Haltung der edlen hohen Ge&#x017F;talt<lb/>
des kaum den Jünglingsjahren entwach&#x017F;enen Helden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0049] des Kindes küßt, iſt ein treues Portrait Philipp des Guten, Herzogs von Burgund; der zweite etwas jüngere König beut dicht hinter dieſem mit gebogenem Knie einen goldnen, juwelenreichen Becher dem Kinde dar; wahrſcheinlich trägt auch er die Ähnlichkeit irgend eines Fürſten jener Zeit. Dieſe beiden Könige ſind in weit über den Boden hin ſich verbreitenden Mänteln von Goldbrokat und köſtlichen Stoffen würdig bekleidet. Doch in kurzer, rothſammtner, faſt ſarazeniſcher Tracht ſteht der dritte, der Mauren König, kein Mohr, wie frühere Maler ihn abbildeten. Stolz, trotzend beinahe ſteht er da; etwas ſeitwärts gewendet, halb beleidigt, halb verwundert über die anſchei- nende Ärmlichkeit des Zieles, zu welchem der Stern ihn führte, und doch ergriffen von der Ahnung des nahen Gottes in niedrer Geſtalt. Unwillkührlich lüftet die eine Hand die turbanartige Kopfbeklei- dung, während die andre nach dem von einem weiß- gekleideten Pagen dargebotnen Goldgefäße greift. Aus der ganzen Haltung der edlen hohen Geſtalt des kaum den Jünglingsjahren entwachſenen Helden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/49
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/49>, abgerufen am 20.04.2024.