Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

Bild:
<< vorherige Seite

der Hölle und Höllischen Zustandes.
sich selbst zerqwitzschet/ und in offenbare Stükker zertheil-
et/ daß alles kundig wird/ und stükweis heraus fält mit
Angst/ Reu und Schmertzen/ und doch immer mit er-
neuerter Angst/ Reu und Schmertzen wieder zuwächset/
fortwehret und fortlebet/ bis es mit grosser Angst/ Reu
und Schmertz aufs neu/ und wieder aufs neu/ und also
immerfort und in Ewigkeit wird durch den Gewissenbiß/
durch den nagenden Wurm aufgerissen/ aufgefeuret/
zerstükket/ zertheilet und zerlegt/ daß auch das innerste
Gewissensmark hervor gesogen und gezogen wird. Ni-
hil unquam miserius, quam animus in hoc statu male
sibi conscius,
da ein jeder Verdamter muß sein eigener
Qwäler/ und das Gewissen die untödliche bittere Qwaal-
bank sein.

Bedenk nur ein wenig den Zustand/ und den Trost
eines bösen Gewissens allhier im Leben: Wil man/ wie
in allen/ die Zuflucht auf Gott setzen/ so ist der Herr des
bösen Gewissens Feind: Wil er auf sein Hertz und eigen
Gewissen etwas vertrauen/ so findet er allda den Peini-
ger selbst: Wil er auf Freunde und Menschen Hülffe
hoffen/ die können den innersten Gewissensstrich und
Stich nicht abwischen/ noch zu heilen: Wil ers verschlaf-
fen/ es schläffert zwar ein wenig mit ein/ wachet aber de-
sto grimmiger wieder auf: Wil ers durch gesuchte Wol-
lust vertreiben/ solches besudelt und beflekket noch mehr
das besudelte böse Gewissen: Nur allein Reu/ Leid
und Busse/ weil es noch Gnadenzeit/ kan Linderung
und Vermittelung veruhrsachen; aber alle solche Mil-
derung und Vermittelung durch Reue/ Leid und
Busse/ hat im geringsten in der Hölle nicht stat/ son-
dern vermehret nur alle Gewissensplage/ und eben daher
entstehet die selbsteigene Zerreissung und Zerbeis-
sung/
davon vorhin gesaget ist. Rea conscientia ve-

lut
P iij

der Hoͤlle und Hoͤlliſchen Zuſtandes.
ſich ſelbſt zerqwitzſchet/ und in offenbare Stuͤkker zertheil-
et/ daß alles kundig wird/ und ſtuͤkweis heraus faͤlt mit
Angſt/ Reu und Schmertzen/ und doch immer mit er-
neuerter Angſt/ Reu und Schmertzen wieder zuwaͤchſet/
fortwehret und fortlebet/ bis es mit groſſer Angſt/ Reu
und Schmertz aufs neu/ und wieder aufs neu/ und alſo
immerfort und in Ewigkeit wird durch den Gewiſſenbiß/
durch den nagenden Wurm aufgeriſſen/ aufgefeuret/
zerſtuͤkket/ zertheilet und zerlegt/ daß auch das innerſte
Gewiſſensmark hervor geſogen und gezogen wird. Ni-
hil unquam miſerius, quam animus in hoc ſtatu malè
ſibi conſcius,
da ein jeder Verdamter muß ſein eigener
Qwaͤler/ uñ das Gewiſſen die untoͤdliche bittere Qwaal-
bank ſein.

Bedenk nur ein wenig den Zuſtand/ und den Troſt
eines boͤſen Gewiſſens allhier im Leben: Wil man/ wie
in allen/ die Zuflucht auf Gott ſetzen/ ſo iſt der Herꝛ des
boͤſen Gewiſſens Feind: Wil er auf ſein Hertz und eigen
Gewiſſen etwas vertrauen/ ſo findet er allda den Peini-
ger ſelbſt: Wil er auf Freunde und Menſchen Huͤlffe
hoffen/ die koͤnnen den innerſten Gewiſſensſtrich und
Stich nicht abwiſchen/ noch zu heilen: Wil ers verſchlaf-
fen/ es ſchlaͤffert zwar ein wenig mit ein/ wachet aber de-
ſto grimmiger wieder auf: Wil ers durch geſuchte Wol-
luſt vertreiben/ ſolches beſudelt und beflekket noch mehr
das beſudelte boͤſe Gewiſſen: Nur allein Reu/ Leid
und Buſſe/ weil es noch Gnadenzeit/ kan Linderung
und Vermittelung veruhrſachen; aber alle ſolche Mil-
derung und Vermittelung durch Reue/ Leid und
Buſſe/ hat im geringſten in der Hoͤlle nicht ſtat/ ſon-
dern vermehret nur alle Gewiſſensplage/ und eben daher
entſtehet die ſelbſteigene Zerreiſſung und Zerbeiſ-
ſung/
davon vorhin geſaget iſt. Rea conſcientia ve-

lut
P iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0297" n="229"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Ho&#x0364;lle und Ho&#x0364;lli&#x017F;chen Zu&#x017F;tandes.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zerqwitz&#x017F;chet/ und in offenbare Stu&#x0364;kker zertheil-<lb/>
et/ daß alles kundig wird/ und &#x017F;tu&#x0364;kweis heraus fa&#x0364;lt mit<lb/>
Ang&#x017F;t/ Reu und Schmertzen/ und doch immer mit er-<lb/>
neuerter Ang&#x017F;t/ Reu und Schmertzen wieder zuwa&#x0364;ch&#x017F;et/<lb/>
fortwehret und fortlebet/ bis es mit gro&#x017F;&#x017F;er Ang&#x017F;t/ Reu<lb/>
und Schmertz aufs neu/ und wieder aufs neu/ und al&#x017F;o<lb/>
immerfort und in Ewigkeit wird durch den Gewi&#x017F;&#x017F;enbiß/<lb/>
durch den nagenden Wurm aufgeri&#x017F;&#x017F;en/ aufgefeuret/<lb/>
zer&#x017F;tu&#x0364;kket/ zertheilet und zerlegt/ daß auch das inner&#x017F;te<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ensmark hervor ge&#x017F;ogen und gezogen wird. <hi rendition="#aq">Ni-<lb/>
hil unquam mi&#x017F;erius, quam animus in hoc &#x017F;tatu malè<lb/>
&#x017F;ibi con&#x017F;cius,</hi> da ein jeder Verdamter muß &#x017F;ein eigener<lb/>
Qwa&#x0364;ler/ un&#x0303; das Gewi&#x017F;&#x017F;en die unto&#x0364;dliche bittere Qwaal-<lb/>
bank &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>Bedenk nur ein wenig den Zu&#x017F;tand/ und den Tro&#x017F;t<lb/>
eines bo&#x0364;&#x017F;en Gewi&#x017F;&#x017F;ens allhier im Leben: Wil man/ wie<lb/>
in allen/ die Zuflucht auf Gott &#x017F;etzen/ &#x017F;o i&#x017F;t der <hi rendition="#k">He</hi>r&#xA75B; des<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Gewi&#x017F;&#x017F;ens Feind: Wil er auf &#x017F;ein Hertz und eigen<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en etwas vertrauen/ &#x017F;o findet er allda den Peini-<lb/>
ger &#x017F;elb&#x017F;t: Wil er auf Freunde und Men&#x017F;chen Hu&#x0364;lffe<lb/>
hoffen/ die ko&#x0364;nnen den inner&#x017F;ten Gewi&#x017F;&#x017F;ens&#x017F;trich und<lb/>
Stich nicht abwi&#x017F;chen/ noch zu heilen: Wil ers ver&#x017F;chlaf-<lb/>
fen/ es &#x017F;chla&#x0364;ffert zwar ein wenig mit ein/ wachet aber de-<lb/>
&#x017F;to grimmiger wieder auf: Wil ers durch ge&#x017F;uchte Wol-<lb/>
lu&#x017F;t vertreiben/ &#x017F;olches be&#x017F;udelt und beflekket noch mehr<lb/>
das be&#x017F;udelte bo&#x0364;&#x017F;e Gewi&#x017F;&#x017F;en: Nur allein <hi rendition="#fr">Reu/ Leid</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Bu&#x017F;&#x017F;e/</hi> weil es noch Gnadenzeit/ kan Linderung<lb/>
und Vermittelung veruhr&#x017F;achen; aber alle &#x017F;olche Mil-<lb/>
derung und Vermittelung durch <hi rendition="#fr">Reue/ Leid</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Bu&#x017F;&#x017F;e/</hi> hat im gering&#x017F;ten in der Ho&#x0364;lle nicht &#x017F;tat/ &#x017F;on-<lb/>
dern vermehret nur alle Gewi&#x017F;&#x017F;ensplage/ und eben daher<lb/>
ent&#x017F;tehet die <hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;teigene Zerrei&#x017F;&#x017F;ung</hi> und <hi rendition="#fr">Zerbei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung/</hi> davon vorhin ge&#x017F;aget i&#x017F;t. <hi rendition="#aq">Rea con&#x017F;cientia ve-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P iij</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">lut</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0297] der Hoͤlle und Hoͤlliſchen Zuſtandes. ſich ſelbſt zerqwitzſchet/ und in offenbare Stuͤkker zertheil- et/ daß alles kundig wird/ und ſtuͤkweis heraus faͤlt mit Angſt/ Reu und Schmertzen/ und doch immer mit er- neuerter Angſt/ Reu und Schmertzen wieder zuwaͤchſet/ fortwehret und fortlebet/ bis es mit groſſer Angſt/ Reu und Schmertz aufs neu/ und wieder aufs neu/ und alſo immerfort und in Ewigkeit wird durch den Gewiſſenbiß/ durch den nagenden Wurm aufgeriſſen/ aufgefeuret/ zerſtuͤkket/ zertheilet und zerlegt/ daß auch das innerſte Gewiſſensmark hervor geſogen und gezogen wird. Ni- hil unquam miſerius, quam animus in hoc ſtatu malè ſibi conſcius, da ein jeder Verdamter muß ſein eigener Qwaͤler/ uñ das Gewiſſen die untoͤdliche bittere Qwaal- bank ſein. Bedenk nur ein wenig den Zuſtand/ und den Troſt eines boͤſen Gewiſſens allhier im Leben: Wil man/ wie in allen/ die Zuflucht auf Gott ſetzen/ ſo iſt der Herꝛ des boͤſen Gewiſſens Feind: Wil er auf ſein Hertz und eigen Gewiſſen etwas vertrauen/ ſo findet er allda den Peini- ger ſelbſt: Wil er auf Freunde und Menſchen Huͤlffe hoffen/ die koͤnnen den innerſten Gewiſſensſtrich und Stich nicht abwiſchen/ noch zu heilen: Wil ers verſchlaf- fen/ es ſchlaͤffert zwar ein wenig mit ein/ wachet aber de- ſto grimmiger wieder auf: Wil ers durch geſuchte Wol- luſt vertreiben/ ſolches beſudelt und beflekket noch mehr das beſudelte boͤſe Gewiſſen: Nur allein Reu/ Leid und Buſſe/ weil es noch Gnadenzeit/ kan Linderung und Vermittelung veruhrſachen; aber alle ſolche Mil- derung und Vermittelung durch Reue/ Leid und Buſſe/ hat im geringſten in der Hoͤlle nicht ſtat/ ſon- dern vermehret nur alle Gewiſſensplage/ und eben daher entſtehet die ſelbſteigene Zerreiſſung und Zerbeiſ- ſung/ davon vorhin geſaget iſt. Rea conſcientia ve- lut P iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/297
Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/297>, abgerufen am 23.04.2024.