Ewigkeit bleibt gäntzlich über) Wan einer einen grossen Woll Sakk voll Mahnsaamen hätte/ de- rer Körner an der Zahl nicht mit hunderten/ noch mit tausendten/ sondern mit Millionen abzuzehlen sein wür- den/ und wolte sich niedersetzen/ und solche Körnlein alle nacheinander zehlen/ und ein jedes Körnlein lassen tau- send Jahr gelten/ damit er möchte eine Anzahl zu Be- greiffung der Ewigkeit etwa fassen und erlernen/ so wür- de dennoch/ wan er nach langer Ausrechnungs Zeit/ und und nach vieler Abzehlungs Mühe/ bei Tausenden/ bei hundert tausenden/ bei Millionen/ bei hundert und tau- send Millionen hätte eine übergrosse Summam gefas- set/ daß er auch solche nicht recht bedenken und überden- ken könte/ so würde/ sage ich/ dennoch alle solche annoch in einer Ermeßlichkeit bestehende überhohe Anzahl/ und Summa der Jahre/ auch nicht ein geringes Stükklein von der unendlichen und unermeßlichen Ewigkeit könnnen abnehmen/ als ob dieselbe dadurch auch im ge- ringsten were kürtzer worden/ sonderen es heisset nach allem Zehlen und überzehlen/ nach allem Rechen und überrechen/ wie der Reimtext spricht: Ewigkeit bleibt gäntzlich über.Nihil sui perdidit aeternitas: etiam- num integerrima est, nec circumcidi, nec ullo mo- do imminui potest, in immensos seculorum cumu- los duratura, semperque ultra. Quocunque tan- dem? In infinitum, in id, quod computationem o- mnem transgreditur, in tremendam seculorum in- numerabilitatem. Et hoc quidem, ob divinae sen- tentiae incommutabilitatem, ut loquitur Augustinus.
Schau das Rad der Ewigkeit etc.) Es muß unser menschlicher Verstand zu Erkäntniß und mög- licher Begreiffung dessen/ was ein Geheimniß/ ein Ver- borgenes und sonst ein Unbegreifliches ist/ allmählich angeleitet und angeführet sein/ durch ein solches/ welches
unse-
Nachdenkliche Beſchreibung
Ewigkeit bleibt gaͤntzlich uͤber) Wan einer einen groſſen Woll Sakk voll Mahnſaamen haͤtte/ de- rer Koͤrner an der Zahl nicht mit hunderten/ noch mit tauſendten/ ſondern mit Millionen abzuzehlen ſein wuͤr- den/ und wolte ſich niederſetzen/ und ſolche Koͤrnlein alle nacheinander zehlen/ und ein jedes Koͤrnlein laſſen tau- ſend Jahr gelten/ damit er moͤchte eine Anzahl zu Be- greiffung der Ewigkeit etwa faſſen und erlernen/ ſo wuͤr- de dennoch/ wan er nach langer Ausrechnungs Zeit/ und und nach vieler Abzehlungs Muͤhe/ bei Tauſenden/ bei hundert tauſenden/ bei Millionen/ bei hundert und tau- ſend Millionen haͤtte eine uͤbergroſſe Summam gefaſ- ſet/ daß er auch ſolche nicht recht bedenken und uͤberden- ken koͤnte/ ſo wuͤrde/ ſage ich/ dennoch alle ſolche annoch in einer Ermeßlichkeit beſtehende uͤberhohe Anzahl/ und Summa der Jahre/ auch nicht ein geringes Stuͤkklein von der unendlichen und unermeßlichen Ewigkeit koͤnnnen abnehmen/ als ob dieſelbe dadurch auch im ge- ringſten were kuͤrtzer worden/ ſonderen es heiſſet nach allem Zehlen und uͤberzehlen/ nach allem Rechen und uͤberrechen/ wie der Reimtext ſpricht: Ewigkeit bleibt gaͤntzlich uͤber.Nihil ſui perdidit æternitas: etiam- num integerrima eſt, nec circumcidi, nec ullo mo- do imminui poteſt, in immenſos ſeculorum cumu- los duratura, ſemperq́ue ultrà. Quocunque tan- dem? In infinitum, in id, quod computationem o- mnem transgreditur, in tremendam ſeculorum in- numerabilitatem. Et hoc quidem, ob divinæ ſen- tentiæ incommutabilitatem, ut loquitur Auguſtinus.
Schau das Rad der Ewigkeit ꝛc.) Es muß unſer menſchlicher Verſtand zu Erkaͤntniß und moͤg- licher Begreiffung deſſen/ was ein Geheimniß/ ein Ver- borgenes und ſonſt ein Unbegreifliches iſt/ allmaͤhlich angeleitet und angefuͤhret ſein/ durch ein ſolches/ welches
unſe-
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Nachdenkliche Beſchreibung
Ewigkeit bleibt gaͤntzlich uͤber) Wan einer
einen groſſen Woll Sakk voll Mahnſaamen haͤtte/ de-
rer Koͤrner an der Zahl nicht mit hunderten/ noch mit
tauſendten/ ſondern mit Millionen abzuzehlen ſein wuͤr-
den/ und wolte ſich niederſetzen/ und ſolche Koͤrnlein alle
nacheinander zehlen/ und ein jedes Koͤrnlein laſſen tau-
ſend Jahr gelten/ damit er moͤchte eine Anzahl zu Be-
greiffung der Ewigkeit etwa faſſen und erlernen/ ſo wuͤr-
de dennoch/ wan er nach langer Ausrechnungs Zeit/ und
und nach vieler Abzehlungs Muͤhe/ bei Tauſenden/ bei
hundert tauſenden/ bei Millionen/ bei hundert und tau-
ſend Millionen haͤtte eine uͤbergroſſe Summam gefaſ-
ſet/ daß er auch ſolche nicht recht bedenken und uͤberden-
ken koͤnte/ ſo wuͤrde/ ſage ich/ dennoch alle ſolche annoch
in einer Ermeßlichkeit beſtehende uͤberhohe Anzahl/ und
Summa der Jahre/ auch nicht ein geringes Stuͤkklein
von der unendlichen und unermeßlichen Ewigkeit
koͤnnnen abnehmen/ als ob dieſelbe dadurch auch im ge-
ringſten were kuͤrtzer worden/ ſonderen es heiſſet nach
allem Zehlen und uͤberzehlen/ nach allem Rechen und
uͤberrechen/ wie der Reimtext ſpricht: Ewigkeit bleibt
gaͤntzlich uͤber. Nihil ſui perdidit æternitas: etiam-
num integerrima eſt, nec circumcidi, nec ullo mo-
do imminui poteſt, in immenſos ſeculorum cumu-
los duratura, ſemperq́ue ultrà. Quocunque tan-
dem? In infinitum, in id, quod computationem o-
mnem transgreditur, in tremendam ſeculorum in-
numerabilitatem. Et hoc quidem, ob divinæ ſen-
tentiæ incommutabilitatem, ut loquitur Auguſtinus.
Schau das Rad der Ewigkeit ꝛc.) Es muß
unſer menſchlicher Verſtand zu Erkaͤntniß und moͤg-
licher Begreiffung deſſen/ was ein Geheimniß/ ein Ver-
borgenes und ſonſt ein Unbegreifliches iſt/ allmaͤhlich
angeleitet und angefuͤhret ſein/ durch ein ſolches/ welches
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Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/360>, abgerufen am 25.04.2024.
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