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Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

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Nachdenkliche Beschreibung

Ewigkeit bleibt gäntzlich über) Wan einer
einen grossen Woll Sakk voll Mahnsaamen hätte/ de-
rer Körner an der Zahl nicht mit hunderten/ noch mit
tausendten/ sondern mit Millionen abzuzehlen sein wür-
den/ und wolte sich niedersetzen/ und solche Körnlein alle
nacheinander zehlen/ und ein jedes Körnlein lassen tau-
send Jahr gelten/ damit er möchte eine Anzahl zu Be-
greiffung der Ewigkeit etwa fassen und erlernen/ so wür-
de dennoch/ wan er nach langer Ausrechnungs Zeit/ und
und nach vieler Abzehlungs Mühe/ bei Tausenden/ bei
hundert tausenden/ bei Millionen/ bei hundert und tau-
send Millionen hätte eine übergrosse Summam gefas-
set/ daß er auch solche nicht recht bedenken und überden-
ken könte/ so würde/ sage ich/ dennoch alle solche annoch
in einer Ermeßlichkeit bestehende überhohe Anzahl/ und
Summa der Jahre/ auch nicht ein geringes Stükklein
von der unendlichen und unermeßlichen Ewigkeit
könnnen abnehmen/ als ob dieselbe dadurch auch im ge-
ringsten were kürtzer worden/ sonderen es heisset nach
allem Zehlen und überzehlen/ nach allem Rechen und
überrechen/ wie der Reimtext spricht: Ewigkeit bleibt
gäntzlich über.
Nihil sui perdidit aeternitas: etiam-
num integerrima est, nec circumcidi, nec ullo mo-
do imminui potest, in immensos seculorum cumu-
los duratura, semperque ultra. Quocunque tan-
dem? In infinitum, in id, quod computationem o-
mnem transgreditur, in tremendam seculorum in-
numerabilitatem. Et hoc quidem, ob divinae sen-
tentiae incommutabilitatem, ut loquitur Augustinus.

Schau das Rad der Ewigkeit etc.) Es muß
unser menschlicher Verstand zu Erkäntniß und mög-
licher Begreiffung dessen/ was ein Geheimniß/ ein Ver-
borgenes und sonst ein Unbegreifliches ist/ allmählich
angeleitet und angeführet sein/ durch ein solches/ welches

unse-
Nachdenkliche Beſchreibung

Ewigkeit bleibt gaͤntzlich uͤber) Wan einer
einen groſſen Woll Sakk voll Mahnſaamen haͤtte/ de-
rer Koͤrner an der Zahl nicht mit hunderten/ noch mit
tauſendten/ ſondern mit Millionen abzuzehlen ſein wuͤr-
den/ und wolte ſich niederſetzen/ und ſolche Koͤrnlein alle
nacheinander zehlen/ und ein jedes Koͤrnlein laſſen tau-
ſend Jahr gelten/ damit er moͤchte eine Anzahl zu Be-
greiffung der Ewigkeit etwa faſſen und erlernen/ ſo wuͤr-
de dennoch/ wan er nach langer Ausrechnungs Zeit/ und
und nach vieler Abzehlungs Muͤhe/ bei Tauſenden/ bei
hundert tauſenden/ bei Millionen/ bei hundert und tau-
ſend Millionen haͤtte eine uͤbergroſſe Summam gefaſ-
ſet/ daß er auch ſolche nicht recht bedenken und uͤberden-
ken koͤnte/ ſo wuͤrde/ ſage ich/ dennoch alle ſolche annoch
in einer Ermeßlichkeit beſtehende uͤberhohe Anzahl/ und
Summa der Jahre/ auch nicht ein geringes Stuͤkklein
von der unendlichen und unermeßlichen Ewigkeit
koͤnnnen abnehmen/ als ob dieſelbe dadurch auch im ge-
ringſten were kuͤrtzer worden/ ſonderen es heiſſet nach
allem Zehlen und uͤberzehlen/ nach allem Rechen und
uͤberrechen/ wie der Reimtext ſpricht: Ewigkeit bleibt
gaͤntzlich uͤber.
Nihil ſui perdidit æternitas: etiam-
num integerrima eſt, nec circumcidi, nec ullo mo-
do imminui poteſt, in immenſos ſeculorum cumu-
los duratura, ſemperq́ue ultrà. Quocunque tan-
dem? In infinitum, in id, quod computationem o-
mnem transgreditur, in tremendam ſeculorum in-
numerabilitatem. Et hoc quidem, ob divinæ ſen-
tentiæ incommutabilitatem, ut loquitur Auguſtinus.

Schau das Rad der Ewigkeit ꝛc.) Es muß
unſer menſchlicher Verſtand zu Erkaͤntniß und moͤg-
licher Begreiffung deſſen/ was ein Geheimniß/ ein Ver-
borgenes und ſonſt ein Unbegreifliches iſt/ allmaͤhlich
angeleitet und angefuͤhret ſein/ durch ein ſolches/ welches

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[292/0360] Nachdenkliche Beſchreibung Ewigkeit bleibt gaͤntzlich uͤber) Wan einer einen groſſen Woll Sakk voll Mahnſaamen haͤtte/ de- rer Koͤrner an der Zahl nicht mit hunderten/ noch mit tauſendten/ ſondern mit Millionen abzuzehlen ſein wuͤr- den/ und wolte ſich niederſetzen/ und ſolche Koͤrnlein alle nacheinander zehlen/ und ein jedes Koͤrnlein laſſen tau- ſend Jahr gelten/ damit er moͤchte eine Anzahl zu Be- greiffung der Ewigkeit etwa faſſen und erlernen/ ſo wuͤr- de dennoch/ wan er nach langer Ausrechnungs Zeit/ und und nach vieler Abzehlungs Muͤhe/ bei Tauſenden/ bei hundert tauſenden/ bei Millionen/ bei hundert und tau- ſend Millionen haͤtte eine uͤbergroſſe Summam gefaſ- ſet/ daß er auch ſolche nicht recht bedenken und uͤberden- ken koͤnte/ ſo wuͤrde/ ſage ich/ dennoch alle ſolche annoch in einer Ermeßlichkeit beſtehende uͤberhohe Anzahl/ und Summa der Jahre/ auch nicht ein geringes Stuͤkklein von der unendlichen und unermeßlichen Ewigkeit koͤnnnen abnehmen/ als ob dieſelbe dadurch auch im ge- ringſten were kuͤrtzer worden/ ſonderen es heiſſet nach allem Zehlen und uͤberzehlen/ nach allem Rechen und uͤberrechen/ wie der Reimtext ſpricht: Ewigkeit bleibt gaͤntzlich uͤber. Nihil ſui perdidit æternitas: etiam- num integerrima eſt, nec circumcidi, nec ullo mo- do imminui poteſt, in immenſos ſeculorum cumu- los duratura, ſemperq́ue ultrà. Quocunque tan- dem? In infinitum, in id, quod computationem o- mnem transgreditur, in tremendam ſeculorum in- numerabilitatem. Et hoc quidem, ob divinæ ſen- tentiæ incommutabilitatem, ut loquitur Auguſtinus. Schau das Rad der Ewigkeit ꝛc.) Es muß unſer menſchlicher Verſtand zu Erkaͤntniß und moͤg- licher Begreiffung deſſen/ was ein Geheimniß/ ein Ver- borgenes und ſonſt ein Unbegreifliches iſt/ allmaͤhlich angeleitet und angefuͤhret ſein/ durch ein ſolches/ welches unſe-

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Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/360>, abgerufen am 25.04.2024.