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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8.--16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG.
Brust lose mit einander verbunden, blos zu dem Zwecke,
damit sie nicht an den Armen herabgleiten können. Brust,
Unterleib, Arme und Beine bleiben dabei ganz frei. Es ist
mit dieser Lage durchaus kein Zwang und sonstiger Nach-
theil verbunden. Auch die Bewegung des Oberkörpers behält
sogar noch einen kleinen Spielraum, aber doch wird jedes
Umwälzen nach der Seite verhütet, indem, wenn ein sol-
cher Versuch während des Schlafes gemacht wird, das Kind
vermöge der Befestigung der Riemen auf beiden Seiten ge-
nöthigt ist, in die Rückenlage zurückzukehren. Kinder mit
ruhigem Schlafe gewöhnen sich dadurch so fest an die Rük-
kenlage, dass diese Vorkehrung schon nach wenig Monaten
des Gebrauches entbehrlich wird. Bei solchen aber, denen
ein unruhiger Schlaf überhaupt eigenthümlich ist, thut man
wohl, die Einrichtung so lange beizubehalten, bis das Haupt-
wachsthum des Körpers vorüber ist.

5) Bewegung

Die sorgfältige Beachtung dieses Haupt-Factors aller Ent-
wickelung und alles Lebens wird in dieser Altersperiode um
so wichtiger, als die Anforderungen, welche die nothwendige
geistige Ausbildung nunmehr an das Kind macht, das Gleich-
gewicht der Entwickelung bedrohen. Diese Gefahr ist durch
die immer erhöhten Ansprüche der Zeit von Generation zu
Generation grösser geworden. Das allerdings bestimmungs-
gemässe geistige Fortbildungsstreben steht mit der Natürlich-
keit der menschlichen Entwickelung im Kampfe. Wir müssen
daher ernstlich bemüht sein, diese Gegensätze zu versöhnen:
das erstere zu fördern ohne der anderen zu schaden. Es ist
eine dringende Aufgabe unserer Zeit, die körperliche Seite der
Menschennatur auf alle Weise wieder in's Gleichgewicht zu
setzen mit der geistigen Seite, d. h. die Entwickelung der er-
steren so zu heben, dass sie der Fortentwickelung der letzte-
ren immer gewachsen bleibt. Eine der ersten Bedingungen
dazu ist wohlberechnete und allseitige Bewegung, wie sie kein
anderer Weg in so umfassender und zugleich für alle Verhält-
nisse anwendbarer Weise bietet, als

8.—16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG.
Brust lose mit einander verbunden, blos zu dem Zwecke,
damit sie nicht an den Armen herabgleiten können. Brust,
Unterleib, Arme und Beine bleiben dabei ganz frei. Es ist
mit dieser Lage durchaus kein Zwang und sonstiger Nach-
theil verbunden. Auch die Bewegung des Oberkörpers behält
sogar noch einen kleinen Spielraum, aber doch wird jedes
Umwälzen nach der Seite verhütet, indem, wenn ein sol-
cher Versuch während des Schlafes gemacht wird, das Kind
vermöge der Befestigung der Riemen auf beiden Seiten ge-
nöthigt ist, in die Rückenlage zurückzukehren. Kinder mit
ruhigem Schlafe gewöhnen sich dadurch so fest an die Rük-
kenlage, dass diese Vorkehrung schon nach wenig Monaten
des Gebrauches entbehrlich wird. Bei solchen aber, denen
ein unruhiger Schlaf überhaupt eigenthümlich ist, thut man
wohl, die Einrichtung so lange beizubehalten, bis das Haupt-
wachsthum des Körpers vorüber ist.

5) Bewegung

Die sorgfältige Beachtung dieses Haupt-Factors aller Ent-
wickelung und alles Lebens wird in dieser Altersperiode um
so wichtiger, als die Anforderungen, welche die nothwendige
geistige Ausbildung nunmehr an das Kind macht, das Gleich-
gewicht der Entwickelung bedrohen. Diese Gefahr ist durch
die immer erhöhten Ansprüche der Zeit von Generation zu
Generation grösser geworden. Das allerdings bestimmungs-
gemässe geistige Fortbildungsstreben steht mit der Natürlich-
keit der menschlichen Entwickelung im Kampfe. Wir müssen
daher ernstlich bemüht sein, diese Gegensätze zu versöhnen:
das erstere zu fördern ohne der anderen zu schaden. Es ist
eine dringende Aufgabe unserer Zeit, die körperliche Seite der
Menschennatur auf alle Weise wieder in's Gleichgewicht zu
setzen mit der geistigen Seite, d. h. die Entwickelung der er-
steren so zu heben, dass sie der Fortentwickelung der letzte-
ren immer gewachsen bleibt. Eine der ersten Bedingungen
dazu ist wohlberechnete und allseitige Bewegung, wie sie kein
anderer Weg in so umfassender und zugleich für alle Verhält-
nisse anwendbarer Weise bietet, als

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[175/0179] 8.—16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEWEGUNG. Brust lose mit einander verbunden, blos zu dem Zwecke, damit sie nicht an den Armen herabgleiten können. Brust, Unterleib, Arme und Beine bleiben dabei ganz frei. Es ist mit dieser Lage durchaus kein Zwang und sonstiger Nach- theil verbunden. Auch die Bewegung des Oberkörpers behält sogar noch einen kleinen Spielraum, aber doch wird jedes Umwälzen nach der Seite verhütet, indem, wenn ein sol- cher Versuch während des Schlafes gemacht wird, das Kind vermöge der Befestigung der Riemen auf beiden Seiten ge- nöthigt ist, in die Rückenlage zurückzukehren. Kinder mit ruhigem Schlafe gewöhnen sich dadurch so fest an die Rük- kenlage, dass diese Vorkehrung schon nach wenig Monaten des Gebrauches entbehrlich wird. Bei solchen aber, denen ein unruhiger Schlaf überhaupt eigenthümlich ist, thut man wohl, die Einrichtung so lange beizubehalten, bis das Haupt- wachsthum des Körpers vorüber ist. 5) Bewegung Die sorgfältige Beachtung dieses Haupt-Factors aller Ent- wickelung und alles Lebens wird in dieser Altersperiode um so wichtiger, als die Anforderungen, welche die nothwendige geistige Ausbildung nunmehr an das Kind macht, das Gleich- gewicht der Entwickelung bedrohen. Diese Gefahr ist durch die immer erhöhten Ansprüche der Zeit von Generation zu Generation grösser geworden. Das allerdings bestimmungs- gemässe geistige Fortbildungsstreben steht mit der Natürlich- keit der menschlichen Entwickelung im Kampfe. Wir müssen daher ernstlich bemüht sein, diese Gegensätze zu versöhnen: das erstere zu fördern ohne der anderen zu schaden. Es ist eine dringende Aufgabe unserer Zeit, die körperliche Seite der Menschennatur auf alle Weise wieder in's Gleichgewicht zu setzen mit der geistigen Seite, d. h. die Entwickelung der er- steren so zu heben, dass sie der Fortentwickelung der letzte- ren immer gewachsen bleibt. Eine der ersten Bedingungen dazu ist wohlberechnete und allseitige Bewegung, wie sie kein anderer Weg in so umfassender und zugleich für alle Verhält- nisse anwendbarer Weise bietet, als

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/179>, abgerufen am 28.03.2024.