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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8. -- 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM UNTERRICHTE.
kommt Alles auf die übrige Beschaffenheit des Unterrichtes
und der obwaltenden Verhältnisse an. Es lässt sich über-
haupt nur ein Vergleich machen bei Voraussetzung gleicher
Tüchtigkeit der Lehrkräfte, sowie der Nichtüberfüllung auf
der einen und einer an Zahl nicht zu geringen Schüler-Ge-
meinschaftlichkeit auf der anderen Seite. Hat unter dieser
Voraussetzung der Haus-Unterricht den Vorzug der grösseren
Innigkeit zwischen Lehrer und Schüler, einer leichteren Indi-
vidualisirung, einer bedeutenderen gleichzeitigen erzieherischen
Einwirkung, so hat dagegen der öffentliche Unterricht für sich
die Vielseitigkeit und grössere Intensität des Wetteifers und
eine gewisse abschleifende und abrundende Umgangs-Bildung
(schon durch das genauere Sichkennenlernen und gegenseitige
Abspiegeln vieler Individualitäten unter einander). Bei letz-
terem ist dann freilich auch vorauszusetzen, dass die etwaigen
Gefahren eines verderblichen Umganges durch eine desto wach-
samere häusliche Erziehung neutralisirt werden.

Alles erwogen, dürften die beiderseitigen Vorzüge ver-
einigt am meisten da zu finden sein, wo die Umstände einen
gemeinschaftlichen Unterricht in einem Kreise von 6, 8, 10
altersgleichen und auch in den übrigen Beziehungen zusam-
menpassenden Kindern möglich machen.

c) Oberste Grundsätze für die Unterrichtsmethode.

Sie müssen auf zweifelloser psychologischer Erkenntniss
beruhen. Es sind drei. Diese sind so umfassend und so
ausnahmslos giltig, dass fast alle speciellen Grundsätze für
die Methodik des Unterrichtes als natürliche Folgen aus ihnen
hervorgehen.

Der erste ist: auf alle mögliche Weise überhaupt und
insbesondere durch die Methode des Unterrichtes die Nei-
gung, das volle Interesse und die Freude am Gegen-
stande des Unterrichtes im Kinde zu wecken und
fortdauernd rege zu erhalten
. Es muss betont werden:
am Gegenstande des Unterrichtes selbst. Dies ist aller-
dings in vielen Fällen schwer, zuweilen sehr schwer, dennoch
muss es unter allen Umständen der Zielpunkt des Strebens für den

8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM UNTERRICHTE.
kommt Alles auf die übrige Beschaffenheit des Unterrichtes
und der obwaltenden Verhältnisse an. Es lässt sich über-
haupt nur ein Vergleich machen bei Voraussetzung gleicher
Tüchtigkeit der Lehrkräfte, sowie der Nichtüberfüllung auf
der einen und einer an Zahl nicht zu geringen Schüler-Ge-
meinschaftlichkeit auf der anderen Seite. Hat unter dieser
Voraussetzung der Haus-Unterricht den Vorzug der grösseren
Innigkeit zwischen Lehrer und Schüler, einer leichteren Indi-
vidualisirung, einer bedeutenderen gleichzeitigen erzieherischen
Einwirkung, so hat dagegen der öffentliche Unterricht für sich
die Vielseitigkeit und grössere Intensität des Wetteifers und
eine gewisse abschleifende und abrundende Umgangs-Bildung
(schon durch das genauere Sichkennenlernen und gegenseitige
Abspiegeln vieler Individualitäten unter einander). Bei letz-
terem ist dann freilich auch vorauszusetzen, dass die etwaigen
Gefahren eines verderblichen Umganges durch eine desto wach-
samere häusliche Erziehung neutralisirt werden.

Alles erwogen, dürften die beiderseitigen Vorzüge ver-
einigt am meisten da zu finden sein, wo die Umstände einen
gemeinschaftlichen Unterricht in einem Kreise von 6, 8, 10
altersgleichen und auch in den übrigen Beziehungen zusam-
menpassenden Kindern möglich machen.

c) Oberste Grundsätze für die Unterrichtsmethode.

Sie müssen auf zweifelloser psychologischer Erkenntniss
beruhen. Es sind drei. Diese sind so umfassend und so
ausnahmslos giltig, dass fast alle speciellen Grundsätze für
die Methodik des Unterrichtes als natürliche Folgen aus ihnen
hervorgehen.

Der erste ist: auf alle mögliche Weise überhaupt und
insbesondere durch die Methode des Unterrichtes die Nei-
gung, das volle Interesse und die Freude am Gegen-
stande des Unterrichtes im Kinde zu wecken und
fortdauernd rege zu erhalten
. Es muss betont werden:
am Gegenstande des Unterrichtes selbst. Dies ist aller-
dings in vielen Fällen schwer, zuweilen sehr schwer, dennoch
muss es unter allen Umständen der Zielpunkt des Strebens für den

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[228/0232] 8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM UNTERRICHTE. kommt Alles auf die übrige Beschaffenheit des Unterrichtes und der obwaltenden Verhältnisse an. Es lässt sich über- haupt nur ein Vergleich machen bei Voraussetzung gleicher Tüchtigkeit der Lehrkräfte, sowie der Nichtüberfüllung auf der einen und einer an Zahl nicht zu geringen Schüler-Ge- meinschaftlichkeit auf der anderen Seite. Hat unter dieser Voraussetzung der Haus-Unterricht den Vorzug der grösseren Innigkeit zwischen Lehrer und Schüler, einer leichteren Indi- vidualisirung, einer bedeutenderen gleichzeitigen erzieherischen Einwirkung, so hat dagegen der öffentliche Unterricht für sich die Vielseitigkeit und grössere Intensität des Wetteifers und eine gewisse abschleifende und abrundende Umgangs-Bildung (schon durch das genauere Sichkennenlernen und gegenseitige Abspiegeln vieler Individualitäten unter einander). Bei letz- terem ist dann freilich auch vorauszusetzen, dass die etwaigen Gefahren eines verderblichen Umganges durch eine desto wach- samere häusliche Erziehung neutralisirt werden. Alles erwogen, dürften die beiderseitigen Vorzüge ver- einigt am meisten da zu finden sein, wo die Umstände einen gemeinschaftlichen Unterricht in einem Kreise von 6, 8, 10 altersgleichen und auch in den übrigen Beziehungen zusam- menpassenden Kindern möglich machen. c) Oberste Grundsätze für die Unterrichtsmethode. Sie müssen auf zweifelloser psychologischer Erkenntniss beruhen. Es sind drei. Diese sind so umfassend und so ausnahmslos giltig, dass fast alle speciellen Grundsätze für die Methodik des Unterrichtes als natürliche Folgen aus ihnen hervorgehen. Der erste ist: auf alle mögliche Weise überhaupt und insbesondere durch die Methode des Unterrichtes die Nei- gung, das volle Interesse und die Freude am Gegen- stande des Unterrichtes im Kinde zu wecken und fortdauernd rege zu erhalten. Es muss betont werden: am Gegenstande des Unterrichtes selbst. Dies ist aller- dings in vielen Fällen schwer, zuweilen sehr schwer, dennoch muss es unter allen Umständen der Zielpunkt des Strebens für den

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/232>, abgerufen am 24.04.2024.