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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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2.--7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.
dere gesellen. So wird die der Gesundheit dienliche Pflege
des Kindes überaus erschwert, und das Kind selbst mit einer
Menge Eigenheiten behaftet, die für das spätere Leben von
vielfach beengendem Einflusse sind. Die Annahme einer sol-
chen angeborenen Idiosynkrasie ist aber grundfalsch. All-
gemein gesunde Kost ist jedem noch nicht verwöhnten Ma-
gen gleichmässig gedeihlich. Im Gespräche gehe man über
das Gut- oder Nichtgutschmecken einzelner Dinge leicht hin-
weg, besonders vermeide man jede Betonung des letzteren.
Man gebe nur beim ersten Auftauchen solcher Grillen niemals
nach, gebe dem Kinde nicht eher einen Bissen anderer Nah-
rung, als bis die verweigerte vollständig genossen ist,
bringe das Gericht öfters wieder auf den Tisch, und -- nach
einpaarmaligem festen Durchführen dieser Maxime wird dem
Kinde nie wieder Etwas der Art einfallen. Auch hier bewährt
sich das Sprüchwort: der erste Verdruss erspart hundert spätere.

2) Luftgenuss.

Die für die Gesundheit überhaupt anerkannt wichtige Rein-
heit der einzuathmenden Luft wird am häufigsten unberück-
sichtigt gelassen in Ansehung der Wohn- und Schlafzimmer
der Kinder. Ein recht ernstlich tadenlswerther Gebrauch ist es,
bei der Bestimmung derselben andere als Gesundheitsrücksich-
ten walten zu lassen, da doch alle übrigen Nebenrücksichten
sein sollten. Statt dessen findet man aber häufig, dass den
Kindern solche Räume angewiesen sind, die bei der Localein-
theilung übrig bleiben und für andere Zwecke zu schlecht be-
funden werden. Besonders nachtheilig ist dies, wenn eine
Mehrzahl von Kindern in einem an sich schon ungesunden
Raume zusammengepresst wird. Aeltern, die ihre Kinder
wahrhaft lieben, müssen ihnen die geräumigsten und freiesten
Zimmer gönnen. Die Richtung derselben nach Norden muss
womöglich immer gemieden werden, denn in solchen lässt sich,
namentlich in den Frühlings- und Herbstperioden, dieselbe ge-
sundheitliche Beschaffenheit der Luft nie herstellen, wie in
den von Zeit zu Zeit von der Sonne durchschienenen Räumen.
Die Häufigkeit der Auslüftung muss sich natürlich nach der


2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.
dere gesellen. So wird die der Gesundheit dienliche Pflege
des Kindes überaus erschwert, und das Kind selbst mit einer
Menge Eigenheiten behaftet, die für das spätere Leben von
vielfach beengendem Einflusse sind. Die Annahme einer sol-
chen angeborenen Idiosynkrasie ist aber grundfalsch. All-
gemein gesunde Kost ist jedem noch nicht verwöhnten Ma-
gen gleichmässig gedeihlich. Im Gespräche gehe man über
das Gut- oder Nichtgutschmecken einzelner Dinge leicht hin-
weg, besonders vermeide man jede Betonung des letzteren.
Man gebe nur beim ersten Auftauchen solcher Grillen niemals
nach, gebe dem Kinde nicht eher einen Bissen anderer Nah-
rung, als bis die verweigerte vollständig genossen ist,
bringe das Gericht öfters wieder auf den Tisch, und — nach
einpaarmaligem festen Durchführen dieser Maxime wird dem
Kinde nie wieder Etwas der Art einfallen. Auch hier bewährt
sich das Sprüchwort: der erste Verdruss erspart hundert spätere.

2) Luftgenuss.

Die für die Gesundheit überhaupt anerkannt wichtige Rein-
heit der einzuathmenden Luft wird am häufigsten unberück-
sichtigt gelassen in Ansehung der Wohn- und Schlafzimmer
der Kinder. Ein recht ernstlich tadenlswerther Gebrauch ist es,
bei der Bestimmung derselben andere als Gesundheitsrücksich-
ten walten zu lassen, da doch alle übrigen Nebenrücksichten
sein sollten. Statt dessen findet man aber häufig, dass den
Kindern solche Räume angewiesen sind, die bei der Localein-
theilung übrig bleiben und für andere Zwecke zu schlecht be-
funden werden. Besonders nachtheilig ist dies, wenn eine
Mehrzahl von Kindern in einem an sich schon ungesunden
Raume zusammengepresst wird. Aeltern, die ihre Kinder
wahrhaft lieben, müssen ihnen die geräumigsten und freiesten
Zimmer gönnen. Die Richtung derselben nach Norden muss
womöglich immer gemieden werden, denn in solchen lässt sich,
namentlich in den Frühlings- und Herbstperioden, dieselbe ge-
sundheitliche Beschaffenheit der Luft nie herstellen, wie in
den von Zeit zu Zeit von der Sonne durchschienenen Räumen.
Die Häufigkeit der Auslüftung muss sich natürlich nach der

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[77/0081] 2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS. dere gesellen. So wird die der Gesundheit dienliche Pflege des Kindes überaus erschwert, und das Kind selbst mit einer Menge Eigenheiten behaftet, die für das spätere Leben von vielfach beengendem Einflusse sind. Die Annahme einer sol- chen angeborenen Idiosynkrasie ist aber grundfalsch. All- gemein gesunde Kost ist jedem noch nicht verwöhnten Ma- gen gleichmässig gedeihlich. Im Gespräche gehe man über das Gut- oder Nichtgutschmecken einzelner Dinge leicht hin- weg, besonders vermeide man jede Betonung des letzteren. Man gebe nur beim ersten Auftauchen solcher Grillen niemals nach, gebe dem Kinde nicht eher einen Bissen anderer Nah- rung, als bis die verweigerte vollständig genossen ist, bringe das Gericht öfters wieder auf den Tisch, und — nach einpaarmaligem festen Durchführen dieser Maxime wird dem Kinde nie wieder Etwas der Art einfallen. Auch hier bewährt sich das Sprüchwort: der erste Verdruss erspart hundert spätere. 2) Luftgenuss. Die für die Gesundheit überhaupt anerkannt wichtige Rein- heit der einzuathmenden Luft wird am häufigsten unberück- sichtigt gelassen in Ansehung der Wohn- und Schlafzimmer der Kinder. Ein recht ernstlich tadenlswerther Gebrauch ist es, bei der Bestimmung derselben andere als Gesundheitsrücksich- ten walten zu lassen, da doch alle übrigen Nebenrücksichten sein sollten. Statt dessen findet man aber häufig, dass den Kindern solche Räume angewiesen sind, die bei der Localein- theilung übrig bleiben und für andere Zwecke zu schlecht be- funden werden. Besonders nachtheilig ist dies, wenn eine Mehrzahl von Kindern in einem an sich schon ungesunden Raume zusammengepresst wird. Aeltern, die ihre Kinder wahrhaft lieben, müssen ihnen die geräumigsten und freiesten Zimmer gönnen. Die Richtung derselben nach Norden muss womöglich immer gemieden werden, denn in solchen lässt sich, namentlich in den Frühlings- und Herbstperioden, dieselbe ge- sundheitliche Beschaffenheit der Luft nie herstellen, wie in den von Zeit zu Zeit von der Sonne durchschienenen Räumen. Die Häufigkeit der Auslüftung muss sich natürlich nach der

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/81>, abgerufen am 25.04.2024.