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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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2.--7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. SCHLAF.
entzieht man ihr auf die Dauer vollständig alles Sonnenlicht,
so wird sie sich nach und nach grau verfärben und verwel-
ken. Damit übereinstimmend ist das Vorkommen jener kör-
perlich und geistig verkümmerten, oft ganz verthierten Men-
schen (Cretinen) in den engen, sonnenarmen Thälern der
Hochgebirge. Es dürfte daher keine allzu gewagte Vermuthung
sein, wenn man eine zeitweilige Einwirkung des Sonnenlichtes
auf die ganze Körperoberfläche als einen wichtigen beleben-
den Einfluss betrachtet. Auch waren schon die alten Griechen
und Römer damit bekannt. Sie wendeten Sonnenbäder zur
Kräftigung schwächlicher Kinder methodisch an. -- An lieb-
lichen Sommertagen lasse man also vor dem Bade eine Vier-
telstunde lang Luft und Sonne auf den entkleideten Körper
der Kinder einwirken. Der Aufenthalt im Wasser wird aber
meist zu sehr ausgedehnt. Behält man nur den Gesundheits-
zweck im Auge, so dürfen Kinder dieses Alters, selbst bei
voller Sommerwärme, nie länger als 10 Minuten im Wasser
verweilen. Bei etwas kühlerer Temperatur sind 4--6 Minu-
ten gerade genug. Man halte darauf, dass die Kinder an das
vollständige Untertauchen oder wenigstens Benetzen des gan-
zen Körpers einschliesslich des Kopfes jedesmal beim Anfange
des Bades sich gewöhnen.

4) Schlaf.

Noch auf die ganze Länge dieser Periode, also bis zum
7. Jahre, soll man hinsichtlich der Dauer des Schlafes, das
Bedürfniss des Kindes ganz uneingeschränkt lassen. Dieses
Bedürfniss richtet sich nach dem Zustande und der Entwickelung
des Gehirnes und ist individuell verschieden. Erst wenn die
Hauptentwickelung des Gehirnes vollendet ist, was mit dem
7. Jahre der Fall zu sein pflegt, treten in dieser Beziehung
etwas andere Rücksichten ein, wie wir später sehen werden.
Man hat jetzt nur darauf zu achten, dass die Ordnung der
dem Kinde zur Gewohnheit gewordenen Schlafzeiten durch kei-
nen äusseren Einfluss verändert, und der Schlaf selbst nicht gestört
wird, und sodann, dass das Kind in der Gewohnheit gleich-
mässig auf dem Rücken liegend
zu schlafen soviel als

Schreber, Kallipädie. 6

2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. SCHLAF.
entzieht man ihr auf die Dauer vollständig alles Sonnenlicht,
so wird sie sich nach und nach grau verfärben und verwel-
ken. Damit übereinstimmend ist das Vorkommen jener kör-
perlich und geistig verkümmerten, oft ganz verthierten Men-
schen (Cretinen) in den engen, sonnenarmen Thälern der
Hochgebirge. Es dürfte daher keine allzu gewagte Vermuthung
sein, wenn man eine zeitweilige Einwirkung des Sonnenlichtes
auf die ganze Körperoberfläche als einen wichtigen beleben-
den Einfluss betrachtet. Auch waren schon die alten Griechen
und Römer damit bekannt. Sie wendeten Sonnenbäder zur
Kräftigung schwächlicher Kinder methodisch an. — An lieb-
lichen Sommertagen lasse man also vor dem Bade eine Vier-
telstunde lang Luft und Sonne auf den entkleideten Körper
der Kinder einwirken. Der Aufenthalt im Wasser wird aber
meist zu sehr ausgedehnt. Behält man nur den Gesundheits-
zweck im Auge, so dürfen Kinder dieses Alters, selbst bei
voller Sommerwärme, nie länger als 10 Minuten im Wasser
verweilen. Bei etwas kühlerer Temperatur sind 4—6 Minu-
ten gerade genug. Man halte darauf, dass die Kinder an das
vollständige Untertauchen oder wenigstens Benetzen des gan-
zen Körpers einschliesslich des Kopfes jedesmal beim Anfange
des Bades sich gewöhnen.

4) Schlaf.

Noch auf die ganze Länge dieser Periode, also bis zum
7. Jahre, soll man hinsichtlich der Dauer des Schlafes, das
Bedürfniss des Kindes ganz uneingeschränkt lassen. Dieses
Bedürfniss richtet sich nach dem Zustande und der Entwickelung
des Gehirnes und ist individuell verschieden. Erst wenn die
Hauptentwickelung des Gehirnes vollendet ist, was mit dem
7. Jahre der Fall zu sein pflegt, treten in dieser Beziehung
etwas andere Rücksichten ein, wie wir später sehen werden.
Man hat jetzt nur darauf zu achten, dass die Ordnung der
dem Kinde zur Gewohnheit gewordenen Schlafzeiten durch kei-
nen äusseren Einfluss verändert, und der Schlaf selbst nicht gestört
wird, und sodann, dass das Kind in der Gewohnheit gleich-
mässig auf dem Rücken liegend
zu schlafen soviel als

Schreber, Kallipädie. 6
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[81/0085] 2.—7. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. SCHLAF. entzieht man ihr auf die Dauer vollständig alles Sonnenlicht, so wird sie sich nach und nach grau verfärben und verwel- ken. Damit übereinstimmend ist das Vorkommen jener kör- perlich und geistig verkümmerten, oft ganz verthierten Men- schen (Cretinen) in den engen, sonnenarmen Thälern der Hochgebirge. Es dürfte daher keine allzu gewagte Vermuthung sein, wenn man eine zeitweilige Einwirkung des Sonnenlichtes auf die ganze Körperoberfläche als einen wichtigen beleben- den Einfluss betrachtet. Auch waren schon die alten Griechen und Römer damit bekannt. Sie wendeten Sonnenbäder zur Kräftigung schwächlicher Kinder methodisch an. — An lieb- lichen Sommertagen lasse man also vor dem Bade eine Vier- telstunde lang Luft und Sonne auf den entkleideten Körper der Kinder einwirken. Der Aufenthalt im Wasser wird aber meist zu sehr ausgedehnt. Behält man nur den Gesundheits- zweck im Auge, so dürfen Kinder dieses Alters, selbst bei voller Sommerwärme, nie länger als 10 Minuten im Wasser verweilen. Bei etwas kühlerer Temperatur sind 4—6 Minu- ten gerade genug. Man halte darauf, dass die Kinder an das vollständige Untertauchen oder wenigstens Benetzen des gan- zen Körpers einschliesslich des Kopfes jedesmal beim Anfange des Bades sich gewöhnen. 4) Schlaf. Noch auf die ganze Länge dieser Periode, also bis zum 7. Jahre, soll man hinsichtlich der Dauer des Schlafes, das Bedürfniss des Kindes ganz uneingeschränkt lassen. Dieses Bedürfniss richtet sich nach dem Zustande und der Entwickelung des Gehirnes und ist individuell verschieden. Erst wenn die Hauptentwickelung des Gehirnes vollendet ist, was mit dem 7. Jahre der Fall zu sein pflegt, treten in dieser Beziehung etwas andere Rücksichten ein, wie wir später sehen werden. Man hat jetzt nur darauf zu achten, dass die Ordnung der dem Kinde zur Gewohnheit gewordenen Schlafzeiten durch kei- nen äusseren Einfluss verändert, und der Schlaf selbst nicht gestört wird, und sodann, dass das Kind in der Gewohnheit gleich- mässig auf dem Rücken liegend zu schlafen soviel als Schreber, Kallipädie. 6

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/85>, abgerufen am 28.03.2024.