Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.
Raumes auch an sich studiren, losgelöst von deren vorhin charakteri-
sirten illustrativen Zwecken, also ohne Rücksicht darauf, dass uns diese
Gebiete Klassen oder Begriffe versinnlichen sollten.

Wir lassen so der eigentlichen Logik eine Hülfsdisziplin vorauf-
gehen oder auch mit ihr parallel einhergehen, deren Sätze jederzeit
durch die Anschauung kontrolirt werden können und welche von rein
mathematischem Charakter ist. In ihr werden die Regeln aufgestellt
und bewiesen für eine eigentümliche Buchstabenrechnung, welche pas-
send zu bezeichnen sein dürfte als

Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.

Als gegeben denken wir uns hier eine Mannigfaltigkeit von Ele-
menten
-- etwa die Mannigfaltigkeit der Punkte in der Fläche der
Schultafel (oder die der Felder auf einem Bogen karrirten Papiers).

Diese Mannigfaltigkeit halten wir im Felde unsrer Aufmerksam-
keit fest und kümmern uns nicht um die Dinge ausserhalb derselben.
Die Natur dieser Mannigfaltigkeit sowie die Art ihrer Elemente sei
von vornherein in unser Belieben gestellt; die Betrachtungen sollen
allgemeine sein und werden (mit einem gewissen, später zu erwähnen-
den Vorbehalt) Gültigkeit beanspruchen für jede denkbare Mannigfal-
keit von irgendwelchen Elementen. Anstatt der bereits hervorgehobenen
beiden Beispiele könnten wir namentlich auch nehmen: die Mannig-
faltigkeit der Punkte des Raums überhaupt; desgleichen die (bekannt-
lich vierdimensionale) Mannigfaltigkeit aller im Raume denkbaren Ge-
raden; oder auch blos diejenige der Punkte einer bestimmten (sei es
begrenzten, sei es unbegrenzten) geraden Linie; ferner auch die Mannig-
faltigkeit der Zeitpunkte eines bestimmten Zeitraums, einer Epoche,
wo nicht der Zeit überhaupt, und so weiter, u. s. w. Zur unmittel-
baren Veranschaulichung ihrer Teile qualifizirt sich am besten das
schon hervorgehobene Paradigma der Vorderfläche der Schultafel, die
wir ja mit den in sie einzutragenden Figuren auch jeden Augenblick
im Text hier abbilden zu können in der Lage sind. Ich werde aus
didaktischen Gründen -- um nicht immer abstrakt (blos von Ele-
menten, von Mannigfaltigkeit, etc.) zu reden -- diese spezielle Mannig-
faltigkeit hier in den Vordergrund stellen, sie die "bevorzugte" Mannig-
faltigkeit nennen.

Irgend eine Zusammenstellung von Elementen der Mannigfaltig-
keit nennen wir ein Gebiet der letzteren. Solches Gebiet kann -- in
unserem "bevorzugten" Falle -- aus beliebig vielen getrennten Teilen,
als da sind: isolirte Punkte, Linien und Flächen, bestehen, eine ganz

§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.
Raumes auch an sich studiren, losgelöst von deren vorhin charakteri-
sirten illustrativen Zwecken, also ohne Rücksicht darauf, dass uns diese
Gebiete Klassen oder Begriffe versinnlichen sollten.

Wir lassen so der eigentlichen Logik eine Hülfsdisziplin vorauf-
gehen oder auch mit ihr parallel einhergehen, deren Sätze jederzeit
durch die Anschauung kontrolirt werden können und welche von rein
mathematischem Charakter ist. In ihr werden die Regeln aufgestellt
und bewiesen für eine eigentümliche Buchstabenrechnung, welche pas-
send zu bezeichnen sein dürfte als

Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.

Als gegeben denken wir uns hier eine Mannigfaltigkeit von Ele-
menten
— etwa die Mannigfaltigkeit der Punkte in der Fläche der
Schultafel (oder die der Felder auf einem Bogen karrirten Papiers).

Diese Mannigfaltigkeit halten wir im Felde unsrer Aufmerksam-
keit fest und kümmern uns nicht um die Dinge ausserhalb derselben.
Die Natur dieser Mannigfaltigkeit sowie die Art ihrer Elemente sei
von vornherein in unser Belieben gestellt; die Betrachtungen sollen
allgemeine sein und werden (mit einem gewissen, später zu erwähnen-
den Vorbehalt) Gültigkeit beanspruchen für jede denkbare Mannigfal-
keit von irgendwelchen Elementen. Anstatt der bereits hervorgehobenen
beiden Beispiele könnten wir namentlich auch nehmen: die Mannig-
faltigkeit der Punkte des Raums überhaupt; desgleichen die (bekannt-
lich vierdimensionale) Mannigfaltigkeit aller im Raume denkbaren Ge-
raden; oder auch blos diejenige der Punkte einer bestimmten (sei es
begrenzten, sei es unbegrenzten) geraden Linie; ferner auch die Mannig-
faltigkeit der Zeitpunkte eines bestimmten Zeitraums, einer Epoche,
wo nicht der Zeit überhaupt, und so weiter, u. s. w. Zur unmittel-
baren Veranschaulichung ihrer Teile qualifizirt sich am besten das
schon hervorgehobene Paradigma der Vorderfläche der Schultafel, die
wir ja mit den in sie einzutragenden Figuren auch jeden Augenblick
im Text hier abbilden zu können in der Lage sind. Ich werde aus
didaktischen Gründen — um nicht immer abstrakt (blos von Ele-
menten, von Mannigfaltigkeit, etc.) zu reden — diese spezielle Mannig-
faltigkeit hier in den Vordergrund stellen, sie die „bevorzugte“ Mannig-
faltigkeit nennen.

Irgend eine Zusammenstellung von Elementen der Mannigfaltig-
keit nennen wir ein Gebiet der letzteren. Solches Gebiet kann — in
unserem „bevorzugten“ Falle — aus beliebig vielen getrennten Teilen,
als da sind: isolirte Punkte, Linien und Flächen, bestehen, eine ganz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0177" n="157"/><fw place="top" type="header">§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.</fw><lb/>
Raumes auch <hi rendition="#i">an sich</hi> studiren, losgelöst von deren vorhin charakteri-<lb/>
sirten illustrativen Zwecken, also ohne Rücksicht darauf, dass uns diese<lb/>
Gebiete Klassen oder Begriffe versinnlichen sollten.</p><lb/>
          <p>Wir lassen so der eigentlichen Logik eine <hi rendition="#i">Hülfsdisziplin</hi> vorauf-<lb/>
gehen oder auch mit ihr parallel einhergehen, deren Sätze jederzeit<lb/>
durch die Anschauung kontrolirt werden können und welche von rein<lb/>
mathematischem Charakter ist. In ihr werden die Regeln aufgestellt<lb/>
und bewiesen für eine eigentümliche Buchstabenrechnung, welche pas-<lb/>
send zu bezeichnen sein dürfte als</p><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Identischer Kalkul</hi> mit <hi rendition="#g">Gebieten einer Mannigfaltigkeit</hi>.</head><lb/>
            <p>Als gegeben denken wir uns hier eine <hi rendition="#i">Mannigfaltigkeit</hi> von <hi rendition="#i">Ele-<lb/>
menten</hi> &#x2014; etwa die Mannigfaltigkeit der Punkte in der Fläche der<lb/>
Schultafel (oder die der Felder auf einem Bogen karrirten Papiers).</p><lb/>
            <p>Diese Mannigfaltigkeit halten wir im Felde unsrer Aufmerksam-<lb/>
keit fest und kümmern uns nicht um die Dinge ausserhalb derselben.<lb/>
Die Natur dieser Mannigfaltigkeit sowie die Art ihrer Elemente sei<lb/>
von vornherein in unser Belieben gestellt; die Betrachtungen sollen<lb/><hi rendition="#i">allgemeine</hi> sein und werden (mit einem gewissen, später zu erwähnen-<lb/>
den Vorbehalt) Gültigkeit beanspruchen für jede denkbare Mannigfal-<lb/>
keit von irgendwelchen Elementen. Anstatt der bereits hervorgehobenen<lb/>
beiden Beispiele könnten wir namentlich auch nehmen: die Mannig-<lb/>
faltigkeit der Punkte des Raums überhaupt; desgleichen die (bekannt-<lb/>
lich vierdimensionale) Mannigfaltigkeit aller im Raume denkbaren Ge-<lb/>
raden; oder auch blos diejenige der Punkte einer bestimmten (sei es<lb/>
begrenzten, sei es unbegrenzten) geraden Linie; ferner auch die Mannig-<lb/>
faltigkeit der Zeitpunkte eines bestimmten Zeitraums, einer Epoche,<lb/>
wo nicht der Zeit überhaupt, und so weiter, u. s. w. Zur unmittel-<lb/>
baren Veranschaulichung ihrer Teile qualifizirt sich am besten das<lb/>
schon hervorgehobene Paradigma der <hi rendition="#i">Vorderfläche der Schultafel</hi>, die<lb/>
wir ja mit den in sie einzutragenden Figuren auch jeden Augenblick<lb/>
im Text hier abbilden zu können in der Lage sind. Ich werde aus<lb/>
didaktischen Gründen &#x2014; um nicht immer abstrakt (blos von Ele-<lb/>
menten, von Mannigfaltigkeit, etc.) zu reden &#x2014; diese spezielle Mannig-<lb/>
faltigkeit hier in den Vordergrund stellen, sie die <hi rendition="#i">&#x201E;bevorzugte&#x201C;</hi> Mannig-<lb/>
faltigkeit nennen.</p><lb/>
            <p>Irgend eine Zusammenstellung von Elementen der Mannigfaltig-<lb/>
keit nennen wir ein <hi rendition="#i">Gebiet</hi> der letzteren. Solches Gebiet kann &#x2014; in<lb/>
unserem &#x201E;bevorzugten&#x201C; Falle &#x2014; aus beliebig vielen getrennten Teilen,<lb/>
als da sind: isolirte Punkte, Linien und Flächen, bestehen, eine ganz<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0177] § 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit. Raumes auch an sich studiren, losgelöst von deren vorhin charakteri- sirten illustrativen Zwecken, also ohne Rücksicht darauf, dass uns diese Gebiete Klassen oder Begriffe versinnlichen sollten. Wir lassen so der eigentlichen Logik eine Hülfsdisziplin vorauf- gehen oder auch mit ihr parallel einhergehen, deren Sätze jederzeit durch die Anschauung kontrolirt werden können und welche von rein mathematischem Charakter ist. In ihr werden die Regeln aufgestellt und bewiesen für eine eigentümliche Buchstabenrechnung, welche pas- send zu bezeichnen sein dürfte als Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit. Als gegeben denken wir uns hier eine Mannigfaltigkeit von Ele- menten — etwa die Mannigfaltigkeit der Punkte in der Fläche der Schultafel (oder die der Felder auf einem Bogen karrirten Papiers). Diese Mannigfaltigkeit halten wir im Felde unsrer Aufmerksam- keit fest und kümmern uns nicht um die Dinge ausserhalb derselben. Die Natur dieser Mannigfaltigkeit sowie die Art ihrer Elemente sei von vornherein in unser Belieben gestellt; die Betrachtungen sollen allgemeine sein und werden (mit einem gewissen, später zu erwähnen- den Vorbehalt) Gültigkeit beanspruchen für jede denkbare Mannigfal- keit von irgendwelchen Elementen. Anstatt der bereits hervorgehobenen beiden Beispiele könnten wir namentlich auch nehmen: die Mannig- faltigkeit der Punkte des Raums überhaupt; desgleichen die (bekannt- lich vierdimensionale) Mannigfaltigkeit aller im Raume denkbaren Ge- raden; oder auch blos diejenige der Punkte einer bestimmten (sei es begrenzten, sei es unbegrenzten) geraden Linie; ferner auch die Mannig- faltigkeit der Zeitpunkte eines bestimmten Zeitraums, einer Epoche, wo nicht der Zeit überhaupt, und so weiter, u. s. w. Zur unmittel- baren Veranschaulichung ihrer Teile qualifizirt sich am besten das schon hervorgehobene Paradigma der Vorderfläche der Schultafel, die wir ja mit den in sie einzutragenden Figuren auch jeden Augenblick im Text hier abbilden zu können in der Lage sind. Ich werde aus didaktischen Gründen — um nicht immer abstrakt (blos von Ele- menten, von Mannigfaltigkeit, etc.) zu reden — diese spezielle Mannig- faltigkeit hier in den Vordergrund stellen, sie die „bevorzugte“ Mannig- faltigkeit nennen. Irgend eine Zusammenstellung von Elementen der Mannigfaltig- keit nennen wir ein Gebiet der letzteren. Solches Gebiet kann — in unserem „bevorzugten“ Falle — aus beliebig vielen getrennten Teilen, als da sind: isolirte Punkte, Linien und Flächen, bestehen, eine ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/177
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/177>, abgerufen am 28.03.2024.