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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Vorwort.
die das Buch studiren und die bisherige thunlichst vollständig von
mir zusammengestellte Literatur mit in Vergleichung ziehen. Unge-
achtet meines Strebens, das Werk so vollkommen wie nur möglich
zu gestalten, kann -- das verhehle ich mir keineswegs -- dasselbe
in mancher Hinsicht doch nur ein Kind seiner Zeit geworden sein.
Gleichwol darf ich vielleicht die Hoffnung hegen, dass auch Vieles,
was aus demselben hervorleuchtet, für alle Zeiten maassgebend
bleiben wird.

Was sonst noch über die Eigenart des Buches zu sagen ist,
findet sich in C der Einleitung dargelegt, und begnüge ich mich hier,
nur einiges Wenige noch zu bemerken.

Durch den Anblick der Formeln des Buches ist es nahe gelegt im
voraus zu statuiren: dass mathematische Vorkenntnisse oder irgend welche
spezifische Fachkenntnisse in demselben nicht vorausgesetzt werden.
Vielmehr passen auch hier die einer Dedekind'schen Schrift jüngst
vorausgeschickten Worte: "Diese Schrift kann Jeder verstehen, welcher
das besitzt, was man den gesunden Menschenverstand nennt". Aber
auch dieses Wort wird gleichwol zutreffen (eines andern Autors): Die
Schöngeister freilich, nicht gewöhnt an so strenge Anforderungen des
Denkens, werden frühzeitig kehrt machen. --

Eine Ausnahme zu oben Gesagtem bildet nur der Anhang 7, der
sich ausschliesslich an Mathematiker wendet, und vielleicht in einem
geringen Grade noch der Anhang 5, indem er wenigstens den Begriff
der mathematischen Funktion voraussetzt. Überhaupt aber dürfte eine
Bekanntschaft mit den Elementen der Buchstabenrechnung, so weit
sie etwa in Tertia eines Gymnasiums gelehrt zu werden pflegt, bei
dem Leser als immerhin wünschenswert zu bezeichnen sein.

Vermittelnd wendet sich das Buch an zwei nur allzu verschieden
disponirte Leserkreise: an die Mathematiker und an die Philosophen.

Wenn ich mit Ausführlichkeit auch solche Geistesoperationen be-
spreche, deren Analoga in ihrer Anwendung auf das Reich der Zahlen
dem Mathematiker längst geläufig sind, so glaube ich mich für diese
Ausführlichkeit entschuldigt halten zu dürfen nicht nur durch die
wünschenswerte Rücksichtnahme auf den nicht mathematisch gebildeten
Leser, sondern auch darum, weil es im didaktischen Interesse liegt,
im Interesse auch einer Erziehung zum guten Lehrer, die Aufmerksam-
keit zu zwingen, dass sie bei solchen Punkten verweile, bei denen der
Anfänger zu straucheln oder Schwierigkeiten zu finden pflegt. Über-
haupt liegt hier auch nicht der Fall vor, dass -- wie in der Mathe-

Vorwort.
die das Buch studiren und die bisherige thunlichst vollständig von
mir zusammengestellte Literatur mit in Vergleichung ziehen. Unge-
achtet meines Strebens, das Werk so vollkommen wie nur möglich
zu gestalten, kann — das verhehle ich mir keineswegs — dasselbe
in mancher Hinsicht doch nur ein Kind seiner Zeit geworden sein.
Gleichwol darf ich vielleicht die Hoffnung hegen, dass auch Vieles,
was aus demselben hervorleuchtet, für alle Zeiten maassgebend
bleiben wird.

Was sonst noch über die Eigenart des Buches zu sagen ist,
findet sich in C der Einleitung dargelegt, und begnüge ich mich hier,
nur einiges Wenige noch zu bemerken.

Durch den Anblick der Formeln des Buches ist es nahe gelegt im
voraus zu statuiren: dass mathematische Vorkenntnisse oder irgend welche
spezifische Fachkenntnisse in demselben nicht vorausgesetzt werden.
Vielmehr passen auch hier die einer Dedekind'schen Schrift jüngst
vorausgeschickten Worte: „Diese Schrift kann Jeder verstehen, welcher
das besitzt, was man den gesunden Menschenverstand nennt“. Aber
auch dieses Wort wird gleichwol zutreffen (eines andern Autors): Die
Schöngeister freilich, nicht gewöhnt an so strenge Anforderungen des
Denkens, werden frühzeitig kehrt machen. —

Eine Ausnahme zu oben Gesagtem bildet nur der Anhang 7, der
sich ausschliesslich an Mathematiker wendet, und vielleicht in einem
geringen Grade noch der Anhang 5, indem er wenigstens den Begriff
der mathematischen Funktion voraussetzt. Überhaupt aber dürfte eine
Bekanntschaft mit den Elementen der Buchstabenrechnung, so weit
sie etwa in Tertia eines Gymnasiums gelehrt zu werden pflegt, bei
dem Leser als immerhin wünschenswert zu bezeichnen sein.

Vermittelnd wendet sich das Buch an zwei nur allzu verschieden
disponirte Leserkreise: an die Mathematiker und an die Philosophen.

Wenn ich mit Ausführlichkeit auch solche Geistesoperationen be-
spreche, deren Analoga in ihrer Anwendung auf das Reich der Zahlen
dem Mathematiker längst geläufig sind, so glaube ich mich für diese
Ausführlichkeit entschuldigt halten zu dürfen nicht nur durch die
wünschenswerte Rücksichtnahme auf den nicht mathematisch gebildeten
Leser, sondern auch darum, weil es im didaktischen Interesse liegt,
im Interesse auch einer Erziehung zum guten Lehrer, die Aufmerksam-
keit zu zwingen, dass sie bei solchen Punkten verweile, bei denen der
Anfänger zu straucheln oder Schwierigkeiten zu finden pflegt. Über-
haupt liegt hier auch nicht der Fall vor, dass — wie in der Mathe-

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[IV/0012] Vorwort. die das Buch studiren und die bisherige thunlichst vollständig von mir zusammengestellte Literatur mit in Vergleichung ziehen. Unge- achtet meines Strebens, das Werk so vollkommen wie nur möglich zu gestalten, kann — das verhehle ich mir keineswegs — dasselbe in mancher Hinsicht doch nur ein Kind seiner Zeit geworden sein. Gleichwol darf ich vielleicht die Hoffnung hegen, dass auch Vieles, was aus demselben hervorleuchtet, für alle Zeiten maassgebend bleiben wird. Was sonst noch über die Eigenart des Buches zu sagen ist, findet sich in C der Einleitung dargelegt, und begnüge ich mich hier, nur einiges Wenige noch zu bemerken. Durch den Anblick der Formeln des Buches ist es nahe gelegt im voraus zu statuiren: dass mathematische Vorkenntnisse oder irgend welche spezifische Fachkenntnisse in demselben nicht vorausgesetzt werden. Vielmehr passen auch hier die einer Dedekind'schen Schrift jüngst vorausgeschickten Worte: „Diese Schrift kann Jeder verstehen, welcher das besitzt, was man den gesunden Menschenverstand nennt“. Aber auch dieses Wort wird gleichwol zutreffen (eines andern Autors): Die Schöngeister freilich, nicht gewöhnt an so strenge Anforderungen des Denkens, werden frühzeitig kehrt machen. — Eine Ausnahme zu oben Gesagtem bildet nur der Anhang 7, der sich ausschliesslich an Mathematiker wendet, und vielleicht in einem geringen Grade noch der Anhang 5, indem er wenigstens den Begriff der mathematischen Funktion voraussetzt. Überhaupt aber dürfte eine Bekanntschaft mit den Elementen der Buchstabenrechnung, so weit sie etwa in Tertia eines Gymnasiums gelehrt zu werden pflegt, bei dem Leser als immerhin wünschenswert zu bezeichnen sein. Vermittelnd wendet sich das Buch an zwei nur allzu verschieden disponirte Leserkreise: an die Mathematiker und an die Philosophen. Wenn ich mit Ausführlichkeit auch solche Geistesoperationen be- spreche, deren Analoga in ihrer Anwendung auf das Reich der Zahlen dem Mathematiker längst geläufig sind, so glaube ich mich für diese Ausführlichkeit entschuldigt halten zu dürfen nicht nur durch die wünschenswerte Rücksichtnahme auf den nicht mathematisch gebildeten Leser, sondern auch darum, weil es im didaktischen Interesse liegt, im Interesse auch einer Erziehung zum guten Lehrer, die Aufmerksam- keit zu zwingen, dass sie bei solchen Punkten verweile, bei denen der Anfänger zu straucheln oder Schwierigkeiten zu finden pflegt. Über- haupt liegt hier auch nicht der Fall vor, dass — wie in der Mathe-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/12>, abgerufen am 19.04.2024.