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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.
auch als ein Glied eines vollständigen Systems von Zeichen für sämtliche
logischen Grundbeziehungen. Sollten letztere -- immerhin, wie wir sehen
werden, zehn, oder, wenn man die vor- und rückwärts verschieden aus-
sehenden gesondert zählt, vierzehn an Zahl -- überhaupt planmässig, ratio-
nell bezeichnet werden -- und dies erscheint bei ihrer grossen Anzahl
durchaus wünschenswert -- so wird sich zeigen lassen, dass mein Vorschlag
nicht nur zweckentsprechend, sondern auch fast der einzige ist, der thunlich
erscheint. Vergl. die spätere Besprechung der sämtlichen Zeichen in § 34 sq.

Jedenfalls dürfte sich's empfehlen, auf die Gestaltung neu einzuführender
Zeichen eine grosse Sorgfalt zu verwenden. Denn ist ein ungeschickt ge-
wähltes Zeichen einmal wirklich eingebürgert, so möchte wol eine Abhülfe
kaum minder schwierig durchzuführen sein, als etwa der Plan, den Schienen-
weg, Fahrdamm einer unzweckmässig gelegten Eisenbahnlinie wieder in
fruchtbares Ackerland zu verwandeln!

Ich schliesse diesen Exkurs mit der Anführung eines in der Über-
setzung von mir etwas gemilderten Ausspruchs von A. De Morgan, nach
Peirce's von mir geteilter Ansicht, eines der scharfsinnigsten Logiker, die
existirten. Derselbe stellt am Schlusse seines Syllabus3 die beiden folgenden
Thatsachen einander gegenüber.

Erstens: die Logik ist die einzige Disziplin, welche seit dem Wieder-
aufleben der Wissenschaften (since the revival of letters) keine entsprechenden
Fortschritte gemacht hat.

Zweitens: die Logik, ganz allein, hat keinen Zuwachs an Zeichen
(symbols) hervorgebracht.

Er sagt geradezu "keine Fortschritte", was bekanntlich auch Kant
mit aller Schärfe behauptet.

§ 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile
als Subsumtionsurteile.

Es erübrigt uns noch, nachzusehen, inwiefern jedes Urteil als ein
"Subsumtionsurteil" angesehen werden kann. Zunächst wenigstens
wird dies für die kategorischen Urteile zu zeigen sein.

Für nicht-kategorische, nämlich die aus verschiedenen Teilsätzen mittelst
Konjunktionen -- wie: "wenn .., so ..", "entweder .., oder", "weder ..,
noch", "nicht nur .., sondern auch ..", "folglich", "weil",
und andere --
zusammengesetzten Urteile kann erst im Lauf der Entwickelung unsrer
Theorie nach und nach dargethan werden, dass und auf welche Weise sie
ihrem logischen Gehalte nach vollständig darstellbar sind mit Hülfe des
Subsumtionszeichens selbst oder auch anderer Zeichen, deren Bedeutung
jedoch auf den Subsumtionsbegriff zurückführbar ist, welche sich in der
That aus dem letztern ableiten, auf Grund desselben definiren lassen.

Als "Ding" oder Objekt des Denkens, von welchem in einem Satze
etwas ausgesagt wird, und welches demnach dessen "Subjekt" bildet,
kann auch ein selber als Satz formulirtes Urteil auftreten und ebenso
kann dasjenige, was von jenem prädizirt wird, bestehen in der Hervor-

§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.
auch als ein Glied eines vollständigen Systems von Zeichen für sämtliche
logischen Grundbeziehungen. Sollten letztere — immerhin, wie wir sehen
werden, zehn, oder, wenn man die vor- und rückwärts verschieden aus-
sehenden gesondert zählt, vierzehn an Zahl — überhaupt planmässig, ratio-
nell bezeichnet werden — und dies erscheint bei ihrer grossen Anzahl
durchaus wünschenswert — so wird sich zeigen lassen, dass mein Vorschlag
nicht nur zweckentsprechend, sondern auch fast der einzige ist, der thunlich
erscheint. Vergl. die spätere Besprechung der sämtlichen Zeichen in § 34 sq.

Jedenfalls dürfte sich's empfehlen, auf die Gestaltung neu einzuführender
Zeichen eine grosse Sorgfalt zu verwenden. Denn ist ein ungeschickt ge-
wähltes Zeichen einmal wirklich eingebürgert, so möchte wol eine Abhülfe
kaum minder schwierig durchzuführen sein, als etwa der Plan, den Schienen-
weg, Fahrdamm einer unzweckmässig gelegten Eisenbahnlinie wieder in
fruchtbares Ackerland zu verwandeln!

Ich schliesse diesen Exkurs mit der Anführung eines in der Über-
setzung von mir etwas gemilderten Ausspruchs von A. De Morgan, nach
Peirce's von mir geteilter Ansicht, eines der scharfsinnigsten Logiker, die
existirten. Derselbe stellt am Schlusse seines Syllabus3 die beiden folgenden
Thatsachen einander gegenüber.

Erstens: die Logik ist die einzige Disziplin, welche seit dem Wieder-
aufleben der Wissenschaften (since the revival of letters) keine entsprechenden
Fortschritte gemacht hat.

Zweitens: die Logik, ganz allein, hat keinen Zuwachs an Zeichen
(symbols) hervorgebracht.

Er sagt geradezu „keine Fortschritte“, was bekanntlich auch Kant
mit aller Schärfe behauptet.

§ 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile
als Subsumtionsurteile.

Es erübrigt uns noch, nachzusehen, inwiefern jedes Urteil als ein
„Subsumtionsurteil“ angesehen werden kann. Zunächst wenigstens
wird dies für die kategorischen Urteile zu zeigen sein.

Für nicht-kategorische, nämlich die aus verschiedenen Teilsätzen mittelst
Konjunktionen — wie: „wenn ‥, so ‥“, „entweder ‥, oder“, „weder ‥,
noch“, „nicht nur ‥, sondern auch ‥“, „folglich“, „weil“,
und andere —
zusammengesetzten Urteile kann erst im Lauf der Entwickelung unsrer
Theorie nach und nach dargethan werden, dass und auf welche Weise sie
ihrem logischen Gehalte nach vollständig darstellbar sind mit Hülfe des
Subsumtionszeichens selbst oder auch anderer Zeichen, deren Bedeutung
jedoch auf den Subsumtionsbegriff zurückführbar ist, welche sich in der
That aus dem letztern ableiten, auf Grund desselben definiren lassen.

Als „Ding“ oder Objekt des Denkens, von welchem in einem Satze
etwas ausgesagt wird, und welches demnach dessen „Subjekt“ bildet,
kann auch ein selber als Satz formulirtes Urteil auftreten und ebenso
kann dasjenige, was von jenem prädizirt wird, bestehen in der Hervor-

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[141/0161] § 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile. auch als ein Glied eines vollständigen Systems von Zeichen für sämtliche logischen Grundbeziehungen. Sollten letztere — immerhin, wie wir sehen werden, zehn, oder, wenn man die vor- und rückwärts verschieden aus- sehenden gesondert zählt, vierzehn an Zahl — überhaupt planmässig, ratio- nell bezeichnet werden — und dies erscheint bei ihrer grossen Anzahl durchaus wünschenswert — so wird sich zeigen lassen, dass mein Vorschlag nicht nur zweckentsprechend, sondern auch fast der einzige ist, der thunlich erscheint. Vergl. die spätere Besprechung der sämtlichen Zeichen in § 34 sq. Jedenfalls dürfte sich's empfehlen, auf die Gestaltung neu einzuführender Zeichen eine grosse Sorgfalt zu verwenden. Denn ist ein ungeschickt ge- wähltes Zeichen einmal wirklich eingebürgert, so möchte wol eine Abhülfe kaum minder schwierig durchzuführen sein, als etwa der Plan, den Schienen- weg, Fahrdamm einer unzweckmässig gelegten Eisenbahnlinie wieder in fruchtbares Ackerland zu verwandeln! Ich schliesse diesen Exkurs mit der Anführung eines in der Über- setzung von mir etwas gemilderten Ausspruchs von A. De Morgan, nach Peirce's von mir geteilter Ansicht, eines der scharfsinnigsten Logiker, die existirten. Derselbe stellt am Schlusse seines Syllabus3 die beiden folgenden Thatsachen einander gegenüber. Erstens: die Logik ist die einzige Disziplin, welche seit dem Wieder- aufleben der Wissenschaften (since the revival of letters) keine entsprechenden Fortschritte gemacht hat. Zweitens: die Logik, ganz allein, hat keinen Zuwachs an Zeichen (symbols) hervorgebracht. Er sagt geradezu „keine Fortschritte“, was bekanntlich auch Kant mit aller Schärfe behauptet. § 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile. Es erübrigt uns noch, nachzusehen, inwiefern jedes Urteil als ein „Subsumtionsurteil“ angesehen werden kann. Zunächst wenigstens wird dies für die kategorischen Urteile zu zeigen sein. Für nicht-kategorische, nämlich die aus verschiedenen Teilsätzen mittelst Konjunktionen — wie: „wenn ‥, so ‥“, „entweder ‥, oder“, „weder ‥, noch“, „nicht nur ‥, sondern auch ‥“, „folglich“, „weil“, und andere — zusammengesetzten Urteile kann erst im Lauf der Entwickelung unsrer Theorie nach und nach dargethan werden, dass und auf welche Weise sie ihrem logischen Gehalte nach vollständig darstellbar sind mit Hülfe des Subsumtionszeichens selbst oder auch anderer Zeichen, deren Bedeutung jedoch auf den Subsumtionsbegriff zurückführbar ist, welche sich in der That aus dem letztern ableiten, auf Grund desselben definiren lassen. Als „Ding“ oder Objekt des Denkens, von welchem in einem Satze etwas ausgesagt wird, und welches demnach dessen „Subjekt“ bildet, kann auch ein selber als Satz formulirtes Urteil auftreten und ebenso kann dasjenige, was von jenem prädizirt wird, bestehen in der Hervor-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/161>, abgerufen am 23.04.2024.