Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.

"Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht, das sich
ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig ver-
ständigt, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten".

Andernfalls nämlich trennen sich alsbald die Wege und wird offenbar,
dass es doch von einer nicht zu unterschätzenden erziehlichen Wirkung
gewesen wäre, dass es geradezu unerlässlich ist, sich erst um die Sicherung
von gemeinsamen Ausgangspunkten und Richtungen des Fortschreitens zu
bemühen, selbst auf die Gefahr hin, dem Vorwurf der Trivialität zu begegnen.

§ 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.
Reine Mannigfaltigkeit.

r) Die Betrachtungen unter p) würden nicht vollständig sein,
wenn wir nicht bei Th. 6x) den Fall noch eingehender erörterten, wo
a b = 0 ist.

Ich wähle dazu ein gewisses typisches Beispiel, ein Beispiel, welches
sich zu einem Vorbild für alle Fälle dieser Art besonders gut eignet.
Sagen wir:
"Alle gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecke sind gleichseitig"
so gibt dies, wenn als Klasse "gleichseitig" mit a bezeichnet und
"rechtwinkliges Dreieck" oder "Rektangel" = b genannt wird, eine
Illustration zu dem Satze 6x) a b a.

Sind nun die Dreiecke, von welchen wir sprechen, solche auf der
Kugelfläche, sind es "sphärische" Dreiecke, so gibt es*) Individuen der
Klasse a · b, welche ja die "gleichseitigen rechtwinkligen (Kugel-)Drei-
ecke", oder kürzer gesagt, die "gleichseitigen (sphärischen) Rektangel"
bedeuten soll. Aus der Sphärik nämlich gleichwie aus der Anschauung
ist es bekannt, dass jedes dreirechtwinklige Dreieck als der achte Teil
der ganzen Kugelfläche zugleich auch ein gleichseitiges (nämlich drei-
rechtseitiges) ist. Hier ist dann a · b nicht gleich 0, und haben wir
ein Beispiel, welches sich den früher unter p) angeführten als gleich-
artig an die Seite stellt.

Sprachen wir dagegen von geradlinigen oder ebenen Dreiecken, so
wird a · b jetzt ein Name sein, welcher "nichts" bedeutet; es ist ein
sinnloser oder leerer Name geworden, eine Klasse vorstellend, welche
kein Individuum in sich schliesst, sintemal es gleichseitige rechtwinklige
ebene Dreiecke bekanntlich nicht geben kann.

Ob man nun auch für ebene Dreiecke den obigen Ausspruch

*) Es ist hier nebensächlich, ob wir diesen Ausspruch auf die Mannigfaltig-
keit 1 des Wirklichen, Realen, oder auf die noch umfassendere des überhaupt zu
denken Möglichen beziehen.
§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.

„Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht, das sich
ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig ver-
ständigt, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten“.

Andernfalls nämlich trennen sich alsbald die Wege und wird offenbar,
dass es doch von einer nicht zu unterschätzenden erziehlichen Wirkung
gewesen wäre, dass es geradezu unerlässlich ist, sich erst um die Sicherung
von gemeinsamen Ausgangspunkten und Richtungen des Fortschreitens zu
bemühen, selbst auf die Gefahr hin, dem Vorwurf der Trivialität zu begegnen.

§ 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.
Reine Mannigfaltigkeit.

ϱ) Die Betrachtungen unter π) würden nicht vollständig sein,
wenn wir nicht bei Th. 6×) den Fall noch eingehender erörterten, wo
a b = 0 ist.

Ich wähle dazu ein gewisses typisches Beispiel, ein Beispiel, welches
sich zu einem Vorbild für alle Fälle dieser Art besonders gut eignet.
Sagen wir:
Alle gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecke sind gleichseitig
so gibt dies, wenn als Klasse „gleichseitig“ mit a bezeichnet und
„rechtwinkliges Dreieck“ oder „Rektangel“ = b genannt wird, eine
Illustration zu dem Satze 6×) a ba.

Sind nun die Dreiecke, von welchen wir sprechen, solche auf der
Kugelfläche, sind es „sphärische“ Dreiecke, so gibt es*) Individuen der
Klasse a · b, welche ja die „gleichseitigen rechtwinkligen (Kugel-)Drei-
ecke“, oder kürzer gesagt, die „gleichseitigen (sphärischen) Rektangel“
bedeuten soll. Aus der Sphärik nämlich gleichwie aus der Anschauung
ist es bekannt, dass jedes dreirechtwinklige Dreieck als der achte Teil
der ganzen Kugelfläche zugleich auch ein gleichseitiges (nämlich drei-
rechtseitiges) ist. Hier ist dann a · b nicht gleich 0, und haben wir
ein Beispiel, welches sich den früher unter π) angeführten als gleich-
artig an die Seite stellt.

Sprachen wir dagegen von geradlinigen oder ebenen Dreiecken, so
wird a · b jetzt ein Name sein, welcher „nichts“ bedeutet; es ist ein
sinnloser oder leerer Name geworden, eine Klasse vorstellend, welche
kein Individuum in sich schliesst, sintemal es gleichseitige rechtwinklige
ebene Dreiecke bekanntlich nicht geben kann.

Ob man nun auch für ebene Dreiecke den obigen Ausspruch

*) Es ist hier nebensächlich, ob wir diesen Ausspruch auf die Mannigfaltig-
keit 1 des Wirklichen, Realen, oder auf die noch umfassendere des überhaupt zu
denken Möglichen beziehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0257" n="237"/>
          <fw place="top" type="header">§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht, das sich<lb/>
ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig ver-<lb/>
ständigt, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Andernfalls nämlich trennen sich alsbald die Wege und wird offenbar,<lb/>
dass es doch von einer nicht zu unterschätzenden erziehlichen Wirkung<lb/>
gewesen wäre, dass es geradezu unerlässlich ist, sich erst um die Sicherung<lb/>
von gemeinsamen Ausgangspunkten und Richtungen des Fortschreitens zu<lb/>
bemühen, selbst auf die Gefahr hin, dem Vorwurf der Trivialität zu begegnen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 9. <hi rendition="#b">Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.<lb/>
Reine Mannigfaltigkeit.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#i">&#x03F1;</hi>) Die Betrachtungen unter <hi rendition="#i">&#x03C0;</hi>) würden nicht vollständig sein,<lb/>
wenn wir nicht bei Th. 6<hi rendition="#sub">×</hi>) den Fall noch eingehender erörterten, wo<lb/><hi rendition="#i">a b</hi> = 0 ist.</p><lb/>
          <p>Ich wähle dazu ein gewisses typisches Beispiel, ein Beispiel, welches<lb/>
sich zu einem Vorbild für alle Fälle dieser Art besonders gut eignet.<lb/>
Sagen wir:<lb/><hi rendition="#et">&#x201E;<hi rendition="#i">Alle gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecke sind gleichseitig</hi>&#x201C;</hi><lb/>
so gibt dies, wenn als Klasse &#x201E;gleichseitig&#x201C; mit <hi rendition="#i">a</hi> bezeichnet und<lb/>
&#x201E;rechtwinkliges Dreieck&#x201C; oder &#x201E;Rektangel&#x201C; = <hi rendition="#i">b</hi> genannt wird, eine<lb/>
Illustration zu dem Satze 6<hi rendition="#sub">×</hi>) <hi rendition="#i">a b</hi> &#x22F9; <hi rendition="#i">a</hi>.</p><lb/>
          <p>Sind nun die Dreiecke, von welchen wir sprechen, solche auf der<lb/>
Kugelfläche, sind es &#x201E;<hi rendition="#i">sphärische</hi>&#x201C; Dreiecke, so <hi rendition="#i">gibt es</hi><note place="foot" n="*)">Es ist hier nebensächlich, ob wir diesen Ausspruch auf die Mannigfaltig-<lb/>
keit 1 des Wirklichen, Realen, oder auf die noch umfassendere des überhaupt zu<lb/>
denken Möglichen beziehen.</note> Individuen der<lb/>
Klasse <hi rendition="#i">a</hi> · <hi rendition="#i">b</hi>, welche ja die &#x201E;gleichseitigen rechtwinkligen (Kugel-)Drei-<lb/>
ecke&#x201C;, oder kürzer gesagt, die &#x201E;gleichseitigen (sphärischen) Rektangel&#x201C;<lb/>
bedeuten soll. Aus der Sphärik nämlich gleichwie aus der Anschauung<lb/>
ist es bekannt, dass jedes dreirechtwinklige Dreieck als der achte Teil<lb/>
der ganzen Kugelfläche zugleich auch ein gleichseitiges (nämlich drei-<lb/>
rechtseitiges) ist. Hier ist dann <hi rendition="#i">a</hi> · <hi rendition="#i">b nicht</hi> gleich 0, und haben wir<lb/>
ein Beispiel, welches sich den früher unter <hi rendition="#i">&#x03C0;</hi>) angeführten als gleich-<lb/>
artig an die Seite stellt.</p><lb/>
          <p>Sprachen wir dagegen von geradlinigen oder <hi rendition="#i">ebenen</hi> Dreiecken, so<lb/>
wird <hi rendition="#i">a</hi> · <hi rendition="#i">b</hi> jetzt ein Name sein, welcher &#x201E;nichts&#x201C; bedeutet; es ist ein<lb/>
sinnloser oder leerer Name geworden, eine Klasse vorstellend, welche<lb/><hi rendition="#i">kein</hi> Individuum in sich schliesst, sintemal es gleichseitige rechtwinklige<lb/>
ebene Dreiecke bekanntlich nicht geben kann.</p><lb/>
          <p>Ob man nun auch für ebene Dreiecke den obigen Ausspruch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0257] § 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. „Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht, das sich ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig ver- ständigt, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten“. Andernfalls nämlich trennen sich alsbald die Wege und wird offenbar, dass es doch von einer nicht zu unterschätzenden erziehlichen Wirkung gewesen wäre, dass es geradezu unerlässlich ist, sich erst um die Sicherung von gemeinsamen Ausgangspunkten und Richtungen des Fortschreitens zu bemühen, selbst auf die Gefahr hin, dem Vorwurf der Trivialität zu begegnen. § 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. Reine Mannigfaltigkeit. ϱ) Die Betrachtungen unter π) würden nicht vollständig sein, wenn wir nicht bei Th. 6×) den Fall noch eingehender erörterten, wo a b = 0 ist. Ich wähle dazu ein gewisses typisches Beispiel, ein Beispiel, welches sich zu einem Vorbild für alle Fälle dieser Art besonders gut eignet. Sagen wir: „Alle gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecke sind gleichseitig“ so gibt dies, wenn als Klasse „gleichseitig“ mit a bezeichnet und „rechtwinkliges Dreieck“ oder „Rektangel“ = b genannt wird, eine Illustration zu dem Satze 6×) a b ⋹ a. Sind nun die Dreiecke, von welchen wir sprechen, solche auf der Kugelfläche, sind es „sphärische“ Dreiecke, so gibt es *) Individuen der Klasse a · b, welche ja die „gleichseitigen rechtwinkligen (Kugel-)Drei- ecke“, oder kürzer gesagt, die „gleichseitigen (sphärischen) Rektangel“ bedeuten soll. Aus der Sphärik nämlich gleichwie aus der Anschauung ist es bekannt, dass jedes dreirechtwinklige Dreieck als der achte Teil der ganzen Kugelfläche zugleich auch ein gleichseitiges (nämlich drei- rechtseitiges) ist. Hier ist dann a · b nicht gleich 0, und haben wir ein Beispiel, welches sich den früher unter π) angeführten als gleich- artig an die Seite stellt. Sprachen wir dagegen von geradlinigen oder ebenen Dreiecken, so wird a · b jetzt ein Name sein, welcher „nichts“ bedeutet; es ist ein sinnloser oder leerer Name geworden, eine Klasse vorstellend, welche kein Individuum in sich schliesst, sintemal es gleichseitige rechtwinklige ebene Dreiecke bekanntlich nicht geben kann. Ob man nun auch für ebene Dreiecke den obigen Ausspruch *) Es ist hier nebensächlich, ob wir diesen Ausspruch auf die Mannigfaltig- keit 1 des Wirklichen, Realen, oder auf die noch umfassendere des überhaupt zu denken Möglichen beziehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/257
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/257>, abgerufen am 18.04.2024.