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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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Wechselwirkung erschöpft war. Hieraus ist anderwärts
der Schlaf, und selbst der Tod hergeleitet worden. Ei-
ne solche Rückwirkung der untergeordneten Theile, be-
sonders des Magens und der mit ihm zunächst verbund-
nen Organe auf das Gehirn, während welcher sich die-
ses passiv verhält, ist auch die Ursache des magneti-
schen Schlafs und seiner merkwürdigen Erscheinungen.
Es wird an diesem, so wie an den mit ihm verwandten
Phänomenen erkannt, daß eine gänzliche Passivität,
gleichsam eine Abwesenheit der höheren Kräfte in uns
nöthig sey, damit jene fremdartige, tief im Innern
schlummernde Natur sichtbar werde.

Was zuerst jene Sympathien angeht, die Wir-
kung entfernter und unter sich verwander Wesen auf
einander, so gründet sich diese auf die verschiedenen
Grade der geistigen Erregbarkeit der einzelnen Organe,
oder Individuen. Die unselbstständigsten, wie diese
schon an sich dem höheren Einfluß am meisten unterge-
ordnet sind, werden auch für alle äußeren Einwirkun-
gen am leichtesten afficirbar seyn; in organischen Kör-
pern wird der unvollkommenere Gegensatz diese größere
Erregbarkeit besitzen. Dagegen wird zwar die Leben-
digkeit des vollkommneren Gegensatzes (des Nervensy-
stems) minder leicht von außen erweckt, sie ist aber
alsdann auch um so stärker, so daß vor ihr die des
untergeordneten verschwindet. Es wirken aber in der
Körperwelt nach einem bekannten Naturgesetz, diesel-
ben Wesen desto stärker auf einander, je näher sie sich
berühren; je mehr sie fich dagegen entfernen, desto
schwächer wird die Wechselwirkung. Während nun die
vollkommneren Organe die dem Geistigen in uns un-
mittelbarer und näher verwand sind, von denselben
Gegenständen nur dann afficirt werden, wenn sie ih-
nen näher sind, wird auf die untergeordneten Organe,

Wechſelwirkung erſchoͤpft war. Hieraus iſt anderwaͤrts
der Schlaf, und ſelbſt der Tod hergeleitet worden. Ei-
ne ſolche Ruͤckwirkung der untergeordneten Theile, be-
ſonders des Magens und der mit ihm zunaͤchſt verbund-
nen Organe auf das Gehirn, waͤhrend welcher ſich die-
ſes paſſiv verhaͤlt, iſt auch die Urſache des magneti-
ſchen Schlafs und ſeiner merkwuͤrdigen Erſcheinungen.
Es wird an dieſem, ſo wie an den mit ihm verwandten
Phaͤnomenen erkannt, daß eine gaͤnzliche Paſſivitaͤt,
gleichſam eine Abweſenheit der hoͤheren Kraͤfte in uns
noͤthig ſey, damit jene fremdartige, tief im Innern
ſchlummernde Natur ſichtbar werde.

Was zuerſt jene Sympathien angeht, die Wir-
kung entfernter und unter ſich verwander Weſen auf
einander, ſo gruͤndet ſich dieſe auf die verſchiedenen
Grade der geiſtigen Erregbarkeit der einzelnen Organe,
oder Individuen. Die unſelbſtſtaͤndigſten, wie dieſe
ſchon an ſich dem hoͤheren Einfluß am meiſten unterge-
ordnet ſind, werden auch fuͤr alle aͤußeren Einwirkun-
gen am leichteſten afficirbar ſeyn; in organiſchen Koͤr-
pern wird der unvollkommenere Gegenſatz dieſe groͤßere
Erregbarkeit beſitzen. Dagegen wird zwar die Leben-
digkeit des vollkommneren Gegenſatzes (des Nervenſy-
ſtems) minder leicht von außen erweckt, ſie iſt aber
alsdann auch um ſo ſtaͤrker, ſo daß vor ihr die des
untergeordneten verſchwindet. Es wirken aber in der
Koͤrperwelt nach einem bekannten Naturgeſetz, dieſel-
ben Weſen deſto ſtaͤrker auf einander, je naͤher ſie ſich
beruͤhren; je mehr ſie fich dagegen entfernen, deſto
ſchwaͤcher wird die Wechſelwirkung. Waͤhrend nun die
vollkommneren Organe die dem Geiſtigen in uns un-
mittelbarer und naͤher verwand ſind, von denſelben
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[362/0376] Wechſelwirkung erſchoͤpft war. Hieraus iſt anderwaͤrts der Schlaf, und ſelbſt der Tod hergeleitet worden. Ei- ne ſolche Ruͤckwirkung der untergeordneten Theile, be- ſonders des Magens und der mit ihm zunaͤchſt verbund- nen Organe auf das Gehirn, waͤhrend welcher ſich die- ſes paſſiv verhaͤlt, iſt auch die Urſache des magneti- ſchen Schlafs und ſeiner merkwuͤrdigen Erſcheinungen. Es wird an dieſem, ſo wie an den mit ihm verwandten Phaͤnomenen erkannt, daß eine gaͤnzliche Paſſivitaͤt, gleichſam eine Abweſenheit der hoͤheren Kraͤfte in uns noͤthig ſey, damit jene fremdartige, tief im Innern ſchlummernde Natur ſichtbar werde. Was zuerſt jene Sympathien angeht, die Wir- kung entfernter und unter ſich verwander Weſen auf einander, ſo gruͤndet ſich dieſe auf die verſchiedenen Grade der geiſtigen Erregbarkeit der einzelnen Organe, oder Individuen. Die unſelbſtſtaͤndigſten, wie dieſe ſchon an ſich dem hoͤheren Einfluß am meiſten unterge- ordnet ſind, werden auch fuͤr alle aͤußeren Einwirkun- gen am leichteſten afficirbar ſeyn; in organiſchen Koͤr- pern wird der unvollkommenere Gegenſatz dieſe groͤßere Erregbarkeit beſitzen. Dagegen wird zwar die Leben- digkeit des vollkommneren Gegenſatzes (des Nervenſy- ſtems) minder leicht von außen erweckt, ſie iſt aber alsdann auch um ſo ſtaͤrker, ſo daß vor ihr die des untergeordneten verſchwindet. Es wirken aber in der Koͤrperwelt nach einem bekannten Naturgeſetz, dieſel- ben Weſen deſto ſtaͤrker auf einander, je naͤher ſie ſich beruͤhren; je mehr ſie fich dagegen entfernen, deſto ſchwaͤcher wird die Wechſelwirkung. Waͤhrend nun die vollkommneren Organe die dem Geiſtigen in uns un- mittelbarer und naͤher verwand ſind, von denſelben Gegenſtaͤnden nur dann afficirt werden, wenn ſie ih- nen naͤher ſind, wird auf die untergeordneten Organe,

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/376>, abgerufen am 18.04.2024.