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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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seltsamen versteckten Poeten in uns, scheinet Manches
erstaunlich lustig vorzukommen, was uns sehr traurig
macht, und umgekehrt scheint er über viele unsrer Freu-
den sehr ernste Ansichten zu haben; ein Zeichen daß
er sich überhaupt in unsrem jetzigen Zustande nicht so
ganz behaglich befindet. So bedeutet Weinen und
Betrübtseyn im Traume öfters nahe (sinnliche) Freude;
dagegen wird durch Lachen, durch Tanz, durch Spiel:
Betrübniß und Traurigkeit; durch lustige Comödien,
Spielkarten, lustige Musik (besonders von Geigen):
lauter Zank und Widerwärtigkeit angedeutet, und nur
das Singen soll auf Gutes weissagen. Eben so sol-
len das Grab oder ein Leichenkonduct öfters Hochzeit
bezeichnen, während umgekehrt, jemand im Traume
vermählen sehen, öfters den Tod desselben bedeutet.
Nicht minder wird in jenem höheren Styl des Trau-
mes, unter Geborenwerden: der nahe Tod des Kran-
ken, unter dem Geburtstage der Todestag verstanden.

In derselben Manier des Ausdrucks pflegt auch
der Traum durch das zur Bezeichnung gewählte Bild,
öfters mit Dingen, die im Wachen sehr gefchätzt sind,
gleichsam Scherz zu treiben. So soll Koth im Trau-
me öfters Geld; Erde essen oder Spreu sammlen,
reich werden und Schätze sammlen bedeuten; Geld soll
im Traume auch durch Blattern, Flecken am Leibe
und andre unangenehme Dinge bezeichnet, ja in der
altmodischen Sprache des Traumes sollen große Reich-
thümer unter dem Bilde des höllischen Feuers, oder
des Besessenseyns vom Teufel dargestellt werden.
Nicht minder sollen Geld und Gut im Traume unter
dem Bilde eines lastbaren Esels erscheinen, unter wel-

chem

ſeltſamen verſteckten Poeten in uns, ſcheinet Manches
erſtaunlich luſtig vorzukommen, was uns ſehr traurig
macht, und umgekehrt ſcheint er uͤber viele unſrer Freu-
den ſehr ernſte Anſichten zu haben; ein Zeichen daß
er ſich uͤberhaupt in unſrem jetzigen Zuſtande nicht ſo
ganz behaglich befindet. So bedeutet Weinen und
Betruͤbtſeyn im Traume oͤfters nahe (ſinnliche) Freude;
dagegen wird durch Lachen, durch Tanz, durch Spiel:
Betruͤbniß und Traurigkeit; durch luſtige Comoͤdien,
Spielkarten, luſtige Muſik (beſonders von Geigen):
lauter Zank und Widerwaͤrtigkeit angedeutet, und nur
das Singen ſoll auf Gutes weiſſagen. Eben ſo ſol-
len das Grab oder ein Leichenkonduct oͤfters Hochzeit
bezeichnen, waͤhrend umgekehrt, jemand im Traume
vermaͤhlen ſehen, oͤfters den Tod deſſelben bedeutet.
Nicht minder wird in jenem hoͤheren Styl des Trau-
mes, unter Geborenwerden: der nahe Tod des Kran-
ken, unter dem Geburtstage der Todestag verſtanden.

In derſelben Manier des Ausdrucks pflegt auch
der Traum durch das zur Bezeichnung gewaͤhlte Bild,
oͤfters mit Dingen, die im Wachen ſehr gefchaͤtzt ſind,
gleichſam Scherz zu treiben. So ſoll Koth im Trau-
me oͤfters Geld; Erde eſſen oder Spreu ſammlen,
reich werden und Schaͤtze ſammlen bedeuten; Geld ſoll
im Traume auch durch Blattern, Flecken am Leibe
und andre unangenehme Dinge bezeichnet, ja in der
altmodiſchen Sprache des Traumes ſollen große Reich-
thuͤmer unter dem Bilde des hoͤlliſchen Feuers, oder
des Beſeſſenſeyns vom Teufel dargeſtellt werden.
Nicht minder ſollen Geld und Gut im Traume unter
dem Bilde eines laſtbaren Eſels erſcheinen, unter wel-

chem
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[8/0018] ſeltſamen verſteckten Poeten in uns, ſcheinet Manches erſtaunlich luſtig vorzukommen, was uns ſehr traurig macht, und umgekehrt ſcheint er uͤber viele unſrer Freu- den ſehr ernſte Anſichten zu haben; ein Zeichen daß er ſich uͤberhaupt in unſrem jetzigen Zuſtande nicht ſo ganz behaglich befindet. So bedeutet Weinen und Betruͤbtſeyn im Traume oͤfters nahe (ſinnliche) Freude; dagegen wird durch Lachen, durch Tanz, durch Spiel: Betruͤbniß und Traurigkeit; durch luſtige Comoͤdien, Spielkarten, luſtige Muſik (beſonders von Geigen): lauter Zank und Widerwaͤrtigkeit angedeutet, und nur das Singen ſoll auf Gutes weiſſagen. Eben ſo ſol- len das Grab oder ein Leichenkonduct oͤfters Hochzeit bezeichnen, waͤhrend umgekehrt, jemand im Traume vermaͤhlen ſehen, oͤfters den Tod deſſelben bedeutet. Nicht minder wird in jenem hoͤheren Styl des Trau- mes, unter Geborenwerden: der nahe Tod des Kran- ken, unter dem Geburtstage der Todestag verſtanden. In derſelben Manier des Ausdrucks pflegt auch der Traum durch das zur Bezeichnung gewaͤhlte Bild, oͤfters mit Dingen, die im Wachen ſehr gefchaͤtzt ſind, gleichſam Scherz zu treiben. So ſoll Koth im Trau- me oͤfters Geld; Erde eſſen oder Spreu ſammlen, reich werden und Schaͤtze ſammlen bedeuten; Geld ſoll im Traume auch durch Blattern, Flecken am Leibe und andre unangenehme Dinge bezeichnet, ja in der altmodiſchen Sprache des Traumes ſollen große Reich- thuͤmer unter dem Bilde des hoͤlliſchen Feuers, oder des Beſeſſenſeyns vom Teufel dargeſtellt werden. Nicht minder ſollen Geld und Gut im Traume unter dem Bilde eines laſtbaren Eſels erſcheinen, unter wel- chem

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/18>, abgerufen am 29.03.2024.