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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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meisten Dichter, laßen uns jenen Widerspruch, in wel-
chem die poetische Welt mit der nicht poetischen ste-
het, deutlich erkennen.

Der Geist des Prophetenthums ist freylich von
jenem der Orakel so weit entfernt, als die ehemalige
Heimath der menschlichen Seele: die Region der geisti-
gen Gefühle, von der der sinnlichen, worinnen sie jetzt
weilt, und welche das Feld der pythischen Begeiste-
rung des Traums, und aller hiermit verwandten Er-
scheinungen ist. Dennoch, wie auch in der äußern
Natur, in den verschiedensten Klassen und Arten der
Wesen, dieselbe, nur mehr oder minder vollkommen
ausgeprägte Grundform wieder erkannt wird, finden
wir auch hier denselben allgemeinen Typus in beyden
Klassen wieder, und die höhere spiegelt sich in der nie-
deren mit hinlänglicher Deutlichkeit ab.

Wie schon in der ungleich niederern Region des
Traumes, bey den verschiedenartigsten Menschen die
Bedeutung der Traumbilder fast ganz dieselbe ist; so
ist auch in der Sprache der Propheten schon von Meh-
reren jene Gleichartigkeit bemerkt worden, vermöge
welcher bey den verschiedensten Propheten unter den-
selben Bildern immer das Nämliche verstanden wird.
Wir sehen uns bey Allen in dieselbe Welt heiliger
Gestalten und Kräfte versetzt, finden bey allen dieselbe
Natur, das nämliche Costüme, und diese Ueberein-
stimmung scheint, wenn wir verwandte geistige Er-
scheinungen bey andern Völkern (Abschn. 3) damit
vergleichen, nicht daher zu kommen, daß die Prophe-
ten alle Kinder eines Volkes waren.

Jene
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meiſten Dichter, laßen uns jenen Widerſpruch, in wel-
chem die poetiſche Welt mit der nicht poetiſchen ſte-
het, deutlich erkennen.

Der Geiſt des Prophetenthums iſt freylich von
jenem der Orakel ſo weit entfernt, als die ehemalige
Heimath der menſchlichen Seele: die Region der geiſti-
gen Gefuͤhle, von der der ſinnlichen, worinnen ſie jetzt
weilt, und welche das Feld der pythiſchen Begeiſte-
rung des Traums, und aller hiermit verwandten Er-
ſcheinungen iſt. Dennoch, wie auch in der aͤußern
Natur, in den verſchiedenſten Klaſſen und Arten der
Weſen, dieſelbe, nur mehr oder minder vollkommen
ausgepraͤgte Grundform wieder erkannt wird, finden
wir auch hier denſelben allgemeinen Typus in beyden
Klaſſen wieder, und die hoͤhere ſpiegelt ſich in der nie-
deren mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit ab.

Wie ſchon in der ungleich niederern Region des
Traumes, bey den verſchiedenartigſten Menſchen die
Bedeutung der Traumbilder faſt ganz dieſelbe iſt; ſo
iſt auch in der Sprache der Propheten ſchon von Meh-
reren jene Gleichartigkeit bemerkt worden, vermoͤge
welcher bey den verſchiedenſten Propheten unter den-
ſelben Bildern immer das Naͤmliche verſtanden wird.
Wir ſehen uns bey Allen in dieſelbe Welt heiliger
Geſtalten und Kraͤfte verſetzt, finden bey allen dieſelbe
Natur, das naͤmliche Coſtuͤme, und dieſe Ueberein-
ſtimmung ſcheint, wenn wir verwandte geiſtige Er-
ſcheinungen bey andern Voͤlkern (Abſchn. 3) damit
vergleichen, nicht daher zu kommen, daß die Prophe-
ten alle Kinder eines Volkes waren.

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[17/0027] meiſten Dichter, laßen uns jenen Widerſpruch, in wel- chem die poetiſche Welt mit der nicht poetiſchen ſte- het, deutlich erkennen. Der Geiſt des Prophetenthums iſt freylich von jenem der Orakel ſo weit entfernt, als die ehemalige Heimath der menſchlichen Seele: die Region der geiſti- gen Gefuͤhle, von der der ſinnlichen, worinnen ſie jetzt weilt, und welche das Feld der pythiſchen Begeiſte- rung des Traums, und aller hiermit verwandten Er- ſcheinungen iſt. Dennoch, wie auch in der aͤußern Natur, in den verſchiedenſten Klaſſen und Arten der Weſen, dieſelbe, nur mehr oder minder vollkommen ausgepraͤgte Grundform wieder erkannt wird, finden wir auch hier denſelben allgemeinen Typus in beyden Klaſſen wieder, und die hoͤhere ſpiegelt ſich in der nie- deren mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit ab. Wie ſchon in der ungleich niederern Region des Traumes, bey den verſchiedenartigſten Menſchen die Bedeutung der Traumbilder faſt ganz dieſelbe iſt; ſo iſt auch in der Sprache der Propheten ſchon von Meh- reren jene Gleichartigkeit bemerkt worden, vermoͤge welcher bey den verſchiedenſten Propheten unter den- ſelben Bildern immer das Naͤmliche verſtanden wird. Wir ſehen uns bey Allen in dieſelbe Welt heiliger Geſtalten und Kraͤfte verſetzt, finden bey allen dieſelbe Natur, das naͤmliche Coſtuͤme, und dieſe Ueberein- ſtimmung ſcheint, wenn wir verwandte geiſtige Er- ſcheinungen bey andern Voͤlkern (Abſchn. 3) damit vergleichen, nicht daher zu kommen, daß die Prophe- ten alle Kinder eines Volkes waren. Jene 2

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/27>, abgerufen am 24.04.2024.