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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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was sie wollen, der Tag des Herrn, der anderwärts
grausam und traurig geschildert wird, erscheint unter
dem fröhlichen Bilde eines Gastmahls, zu welchem
die Schlachtthiere längst gemästet, und viele Gäste
geladen sind; die Ruthe des Zorns kömmt mit Pau-
ken und Harsen. Während die Wüste und Einöde
lustig seyn, das Gefilde fröhlich stehen und blühen
wird wie die Lilien und wie Carmel und Saron,
sollen in den Pallästen blühender Städte aus den
Trümmern Nesseln wachsen und Dornen, einsame
Strauße in den ehemals fröhlichen Gassen weiden, Eu-
len und Raben in den Lustschlössern wohnen. Berge
sollen zur Ebene, das Niedrige und Verachtete hoch
werden. Und so spricht sich dieser Sinn des Gegen-
satzes und Widerspruches der höheren prophetischen
Welt, gegen die niedere nicht prophetische, auf die
verschiedenste Weise aus, was in dieser hoch, allge-
mein begehrt und glänzend ist, erscheint in jener un-
werth und niedrig, und so wieder umgekehrt, und die-
ser Widerspruch hat sich nicht bloß in den Vorher-
verkündigungen, sondern auch in den Lebensschicksalen
der Propheten, in dem Verhältnisse zu ihrer Zeit und
ihrer Umgebung deutlich gezeigt.

Eine besondere Aufmerksamkeit scheinen die sym-
bolischen Handlungen zu verdienen, welche den Pro-
pheten zum Theil anbefohlen werden, so wie die sym-
bolischen Lebensschicksale einiger von ihnen. Daß auch
in der Sprache des Traumes gewisse Handlungen ei-
ne symbolische Bedeutung annehmen, davon war schon
im Vorhergehenden die Rede. Es gehört zu den we-
sentlichsten Eigenthümlichkeiten in der Sprache beyder

Regi-

was ſie wollen, der Tag des Herrn, der anderwaͤrts
grauſam und traurig geſchildert wird, erſcheint unter
dem froͤhlichen Bilde eines Gaſtmahls, zu welchem
die Schlachtthiere laͤngſt gemaͤſtet, und viele Gaͤſte
geladen ſind; die Ruthe des Zorns koͤmmt mit Pau-
ken und Harſen. Waͤhrend die Wuͤſte und Einoͤde
luſtig ſeyn, das Gefilde froͤhlich ſtehen und bluͤhen
wird wie die Lilien und wie Carmel und Saron,
ſollen in den Pallaͤſten bluͤhender Staͤdte aus den
Truͤmmern Neſſeln wachſen und Dornen, einſame
Strauße in den ehemals froͤhlichen Gaſſen weiden, Eu-
len und Raben in den Luſtſchloͤſſern wohnen. Berge
ſollen zur Ebene, das Niedrige und Verachtete hoch
werden. Und ſo ſpricht ſich dieſer Sinn des Gegen-
ſatzes und Widerſpruches der hoͤheren prophetiſchen
Welt, gegen die niedere nicht prophetiſche, auf die
verſchiedenſte Weiſe aus, was in dieſer hoch, allge-
mein begehrt und glaͤnzend iſt, erſcheint in jener un-
werth und niedrig, und ſo wieder umgekehrt, und die-
ſer Widerſpruch hat ſich nicht bloß in den Vorher-
verkuͤndigungen, ſondern auch in den Lebensſchickſalen
der Propheten, in dem Verhaͤltniſſe zu ihrer Zeit und
ihrer Umgebung deutlich gezeigt.

Eine beſondere Aufmerkſamkeit ſcheinen die ſym-
boliſchen Handlungen zu verdienen, welche den Pro-
pheten zum Theil anbefohlen werden, ſo wie die ſym-
boliſchen Lebensſchickſale einiger von ihnen. Daß auch
in der Sprache des Traumes gewiſſe Handlungen ei-
ne ſymboliſche Bedeutung annehmen, davon war ſchon
im Vorhergehenden die Rede. Es gehoͤrt zu den we-
ſentlichſten Eigenthuͤmlichkeiten in der Sprache beyder

Regi-
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[20/0030] was ſie wollen, der Tag des Herrn, der anderwaͤrts grauſam und traurig geſchildert wird, erſcheint unter dem froͤhlichen Bilde eines Gaſtmahls, zu welchem die Schlachtthiere laͤngſt gemaͤſtet, und viele Gaͤſte geladen ſind; die Ruthe des Zorns koͤmmt mit Pau- ken und Harſen. Waͤhrend die Wuͤſte und Einoͤde luſtig ſeyn, das Gefilde froͤhlich ſtehen und bluͤhen wird wie die Lilien und wie Carmel und Saron, ſollen in den Pallaͤſten bluͤhender Staͤdte aus den Truͤmmern Neſſeln wachſen und Dornen, einſame Strauße in den ehemals froͤhlichen Gaſſen weiden, Eu- len und Raben in den Luſtſchloͤſſern wohnen. Berge ſollen zur Ebene, das Niedrige und Verachtete hoch werden. Und ſo ſpricht ſich dieſer Sinn des Gegen- ſatzes und Widerſpruches der hoͤheren prophetiſchen Welt, gegen die niedere nicht prophetiſche, auf die verſchiedenſte Weiſe aus, was in dieſer hoch, allge- mein begehrt und glaͤnzend iſt, erſcheint in jener un- werth und niedrig, und ſo wieder umgekehrt, und die- ſer Widerſpruch hat ſich nicht bloß in den Vorher- verkuͤndigungen, ſondern auch in den Lebensſchickſalen der Propheten, in dem Verhaͤltniſſe zu ihrer Zeit und ihrer Umgebung deutlich gezeigt. Eine beſondere Aufmerkſamkeit ſcheinen die ſym- boliſchen Handlungen zu verdienen, welche den Pro- pheten zum Theil anbefohlen werden, ſo wie die ſym- boliſchen Lebensſchickſale einiger von ihnen. Daß auch in der Sprache des Traumes gewiſſe Handlungen ei- ne ſymboliſche Bedeutung annehmen, davon war ſchon im Vorhergehenden die Rede. Es gehoͤrt zu den we- ſentlichſten Eigenthuͤmlichkeiten in der Sprache beyder Regi-

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/30>, abgerufen am 29.03.2024.