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Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885.

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wenigstens kann ohne Weiteres ein willkürlicher sein,
und aus diesem Grunde schon hilft es Nichts mit
Delbrück die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze auf
die Individualsprache einzuschränken. Kurz, ich
pflichte Bloomfield durchaus bei, wenn er in Whit-
ney
's Sinn mit Bezug auf unsere Frage bemerkt: "the
word "inviolable" or "infallible" in matters of gram-
mar is always to be deprecated, if for no other reason
than the one that the conscious will of any language-
user undeniably stands above phonetic facts".

Ich füge diesem Abschnitt ein Nachwort bei.
Sprachmischung nehme ich, wie gesagt, auch in-
nerhalb der homogensten Verkehrsgenossenschaft an,
Paul2 nur bei ethnischer Mischung, und diese sei
etwas Exceptionelles. Auch gegen Letzteres lege ich
Verwahrung ein. Einerseits pflegt in jedem grösseren
Centrum die Bevölkerungsfluctuation eine solche zu
sein dass man sie wohl als eine Mischung auch im
engeren Sinne bezeichnen darf: und weit entfernt
davon dass sich da "keine Differenzen entwickeln
können die als solche percipirt werden", prägen ab-
liegende Mundarten der centralen ihre deutlichen
Spuren auf, ja diese verliert zuweilen auf diesem
Wege vollkommen ihren ursprünglichen Charakter
(wie z. B. die Volkssprache Rom's heutzutage eine
toskanische ist, was sie vor einem halben Jahrtausend
keineswegs war). Besonders dürfen die nicht immer
sehr starken jüdischen Bruchtheile städtischer Bevöl-
kerungen ihrem sprachlichen Einfluss nach nicht unter-
schätzt werden. Anderseits ist nicht einmal der Fall
ein exceptioneller in welchem Paul2 allein Sprach-
mischung annimmt, nämlich "wo in Folge besonderer
geschichtlicher Veranlassungen grössere Gruppen von

wenigstens kann ohne Weiteres ein willkürlicher sein,
und aus diesem Grunde schon hilft es Nichts mit
Delbrück die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze auf
die Individualsprache einzuschränken. Kurz, ich
pflichte Bloomfield durchaus bei, wenn er in Whit-
ney
's Sinn mit Bezug auf unsere Frage bemerkt: „the
word »inviolable« or »infallible« in matters of gram-
mar is always to be deprecated, if for no other reason
than the one that the conscious will of any language-
user undeniably stands above phonetic facts“.

Ich füge diesem Abschnitt ein Nachwort bei.
Sprachmischung nehme ich, wie gesagt, auch in-
nerhalb der homogensten Verkehrsgenossenschaft an,
Paul2 nur bei ethnischer Mischung, und diese sei
etwas Exceptionelles. Auch gegen Letzteres lege ich
Verwahrung ein. Einerseits pflegt in jedem grösseren
Centrum die Bevölkerungsfluctuation eine solche zu
sein dass man sie wohl als eine Mischung auch im
engeren Sinne bezeichnen darf: und weit entfernt
davon dass sich da „keine Differenzen entwickeln
können die als solche percipirt werden“, prägen ab-
liegende Mundarten der centralen ihre deutlichen
Spuren auf, ja diese verliert zuweilen auf diesem
Wege vollkommen ihren ursprünglichen Charakter
(wie z. B. die Volkssprache Rom's heutzutage eine
toskanische ist, was sie vor einem halben Jahrtausend
keineswegs war). Besonders dürfen die nicht immer
sehr starken jüdischen Bruchtheile städtischer Bevöl-
kerungen ihrem sprachlichen Einfluss nach nicht unter-
schätzt werden. Anderseits ist nicht einmal der Fall
ein exceptioneller in welchem Paul2 allein Sprach-
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[16/0028] wenigstens kann ohne Weiteres ein willkürlicher sein, und aus diesem Grunde schon hilft es Nichts mit Delbrück die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze auf die Individualsprache einzuschränken. Kurz, ich pflichte Bloomfield durchaus bei, wenn er in Whit- ney's Sinn mit Bezug auf unsere Frage bemerkt: „the word »inviolable« or »infallible« in matters of gram- mar is always to be deprecated, if for no other reason than the one that the conscious will of any language- user undeniably stands above phonetic facts“. Ich füge diesem Abschnitt ein Nachwort bei. Sprachmischung nehme ich, wie gesagt, auch in- nerhalb der homogensten Verkehrsgenossenschaft an, Paul2 nur bei ethnischer Mischung, und diese sei etwas Exceptionelles. Auch gegen Letzteres lege ich Verwahrung ein. Einerseits pflegt in jedem grösseren Centrum die Bevölkerungsfluctuation eine solche zu sein dass man sie wohl als eine Mischung auch im engeren Sinne bezeichnen darf: und weit entfernt davon dass sich da „keine Differenzen entwickeln können die als solche percipirt werden“, prägen ab- liegende Mundarten der centralen ihre deutlichen Spuren auf, ja diese verliert zuweilen auf diesem Wege vollkommen ihren ursprünglichen Charakter (wie z. B. die Volkssprache Rom's heutzutage eine toskanische ist, was sie vor einem halben Jahrtausend keineswegs war). Besonders dürfen die nicht immer sehr starken jüdischen Bruchtheile städtischer Bevöl- kerungen ihrem sprachlichen Einfluss nach nicht unter- schätzt werden. Anderseits ist nicht einmal der Fall ein exceptioneller in welchem Paul2 allein Sprach- mischung annimmt, nämlich „wo in Folge besonderer geschichtlicher Veranlassungen grössere Gruppen von

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Zitationshilfe: Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuchardt_lautgesetze_1885/28>, abgerufen am 18.04.2024.