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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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trächtlicher Wind erhoben hatte, so erklärten
sie, mich nicht übersetzen zu können, und blie-
ben dabey, ungeachtet ich ihnen ein vierfaches
Fährgeld bot. Wie groß ihre Aengstlichkeit
war, kann man aus diesem Umstande deutlich
sehen; und ich erinnerte mich sehr lebhaft an
die gemeine Sage, daß die Juden, um ihre
Furcht vor dem Wasser zu beschönigen, zu sa-
gen pflegen: es habe keine Balken.

So war ich dennoch gezwungen, nach ei-
nem jüdischen Kruge umlenken zu lassen und
mich dort, in einer Gesellschaft, die ich nicht
beschreibe, die aber aus Russischen Soldaten,
nackten Lithauern, halb betrunkenen Pohlen
und der zahlreichen Familie des Hauses be-
stand, bis um 3 Uhr zu verweilen. Die Grup-
pen, die diese bunte Gesellschaft bildete, ge-
hören für die Gasthofsgemälde Fieldings und
Hogarths. Auch habe ich sie, durch alle meine
Sinne, ein wenig zu sehr satt bekommen, als
daß ich mich gern von neuem unter sie ver-
setzen möchte.

traͤchtlicher Wind erhoben hatte, ſo erklaͤrten
ſie, mich nicht uͤberſetzen zu koͤnnen, und blie-
ben dabey, ungeachtet ich ihnen ein vierfaches
Faͤhrgeld bot. Wie groß ihre Aengſtlichkeit
war, kann man aus dieſem Umſtande deutlich
ſehen; und ich erinnerte mich ſehr lebhaft an
die gemeine Sage, daß die Juden, um ihre
Furcht vor dem Waſſer zu beſchoͤnigen, zu ſa-
gen pflegen: es habe keine Balken.

So war ich dennoch gezwungen, nach ei-
nem juͤdiſchen Kruge umlenken zu laſſen und
mich dort, in einer Geſellſchaft, die ich nicht
beſchreibe, die aber aus Ruſſiſchen Soldaten,
nackten Lithauern, halb betrunkenen Pohlen
und der zahlreichen Familie des Hauſes be-
ſtand, bis um 3 Uhr zu verweilen. Die Grup-
pen, die dieſe bunte Geſellſchaft bildete, ge-
hoͤren fuͤr die Gaſthofsgemaͤlde Fieldings und
Hogarths. Auch habe ich ſie, durch alle meine
Sinne, ein wenig zu ſehr ſatt bekommen, als
daß ich mich gern von neuem unter ſie ver-
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[23/0041] traͤchtlicher Wind erhoben hatte, ſo erklaͤrten ſie, mich nicht uͤberſetzen zu koͤnnen, und blie- ben dabey, ungeachtet ich ihnen ein vierfaches Faͤhrgeld bot. Wie groß ihre Aengſtlichkeit war, kann man aus dieſem Umſtande deutlich ſehen; und ich erinnerte mich ſehr lebhaft an die gemeine Sage, daß die Juden, um ihre Furcht vor dem Waſſer zu beſchoͤnigen, zu ſa- gen pflegen: es habe keine Balken. So war ich dennoch gezwungen, nach ei- nem juͤdiſchen Kruge umlenken zu laſſen und mich dort, in einer Geſellſchaft, die ich nicht beſchreibe, die aber aus Ruſſiſchen Soldaten, nackten Lithauern, halb betrunkenen Pohlen und der zahlreichen Familie des Hauſes be- ſtand, bis um 3 Uhr zu verweilen. Die Grup- pen, die dieſe bunte Geſellſchaft bildete, ge- hoͤren fuͤr die Gaſthofsgemaͤlde Fieldings und Hogarths. Auch habe ich ſie, durch alle meine Sinne, ein wenig zu ſehr ſatt bekommen, als daß ich mich gern von neuem unter ſie ver- ſetzen moͤchte.

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/41>, abgerufen am 25.04.2024.