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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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mir die Zahl der Häuser zu 400 und die Ein-
wohner zu vier bis fünfthalb tausend an.

Uebrigens ist die Lage von Kauen nicht un-
angenehm. Jch habe eben gesagt, daß sie in
einem Thale liegt, und durch die Willa und
Memel umschlossen wird. Letztre fließt an ei-
nem beträchtlichen, behölzten Bergrücken hin,
der über die höchsten Häuser in der Stadt
hervorragt, so daß jede Straße eine Aussicht
nach demselben zeigt. Das Thal selbst ist
rund umher frisch und fruchtbar.

Endlich ist diese Stadt noch ihres Meths
wegen berühmt, der ganz vorzüglich ist und
hier Lippitz heißt. Es ist ein abgezogenes Ge-
tränk von Honig, das sich wohl funfzig Jahr
hält, und dem man dadurch, daß man es auf
Fässer oder auf Flaschen zieht, worin Ungari-
scher Wein war, solch einen Grad von dem
Geschmack und dem Geruche dieses Weines zu
geben weiß, daß man, wenn man nicht Kenner
ist, wohl irre geführt werden kann. Derjenige
ist der beste, welcher der weißeste ist, und diese

mir die Zahl der Haͤuſer zu 400 und die Ein-
wohner zu vier bis fuͤnfthalb tauſend an.

Uebrigens iſt die Lage von Kauen nicht un-
angenehm. Jch habe eben geſagt, daß ſie in
einem Thale liegt, und durch die Willa und
Memel umſchloſſen wird. Letztre fließt an ei-
nem betraͤchtlichen, behoͤlzten Bergruͤcken hin,
der uͤber die hoͤchſten Haͤuſer in der Stadt
hervorragt, ſo daß jede Straße eine Ausſicht
nach demſelben zeigt. Das Thal ſelbſt iſt
rund umher friſch und fruchtbar.

Endlich iſt dieſe Stadt noch ihres Meths
wegen beruͤhmt, der ganz vorzuͤglich iſt und
hier Lippitz heißt. Es iſt ein abgezogenes Ge-
traͤnk von Honig, das ſich wohl funfzig Jahr
haͤlt, und dem man dadurch, daß man es auf
Faͤſſer oder auf Flaſchen zieht, worin Ungari-
ſcher Wein war, ſolch einen Grad von dem
Geſchmack und dem Geruche dieſes Weines zu
geben weiß, daß man, wenn man nicht Kenner
iſt, wohl irre gefuͤhrt werden kann. Derjenige
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[26/0044] mir die Zahl der Haͤuſer zu 400 und die Ein- wohner zu vier bis fuͤnfthalb tauſend an. Uebrigens iſt die Lage von Kauen nicht un- angenehm. Jch habe eben geſagt, daß ſie in einem Thale liegt, und durch die Willa und Memel umſchloſſen wird. Letztre fließt an ei- nem betraͤchtlichen, behoͤlzten Bergruͤcken hin, der uͤber die hoͤchſten Haͤuſer in der Stadt hervorragt, ſo daß jede Straße eine Ausſicht nach demſelben zeigt. Das Thal ſelbſt iſt rund umher friſch und fruchtbar. Endlich iſt dieſe Stadt noch ihres Meths wegen beruͤhmt, der ganz vorzuͤglich iſt und hier Lippitz heißt. Es iſt ein abgezogenes Ge- traͤnk von Honig, das ſich wohl funfzig Jahr haͤlt, und dem man dadurch, daß man es auf Faͤſſer oder auf Flaſchen zieht, worin Ungari- ſcher Wein war, ſolch einen Grad von dem Geſchmack und dem Geruche dieſes Weines zu geben weiß, daß man, wenn man nicht Kenner iſt, wohl irre gefuͤhrt werden kann. Derjenige iſt der beſte, welcher der weißeſte iſt, und dieſe

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/44>, abgerufen am 28.03.2024.