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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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der den Stiefsohn als ein Geschenk Jupiters betrachtete
und lieb hatte, eilte erschrocken herbei, das bloße Schwerdt
in der Hand. Da stand er vor der Wiege, sah und hörte
was geschehen war; Lust, mit Entsetzen gemischt, durch¬
bebte ihn über der unerhörten Kraft des kaum gebornen
Sohnes. Er betrachtete die That als ein großes Wun¬
derzeichen und rief den Propheten des großen Jupiter,
den Wahrsager Tiresias, herbei. Dieser weissagte dem
Könige, der Königin und allen Anwesenden den Lebens¬
lauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie
viele Ungethüme des Meeres er hinwegräumen, wie er
mit den Giganten selbst im Kampfe zusammenstoßen und
sie besiegen werde und wie ihn am Ende seines mühe¬
vollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern
und Hebe, die ewige Jugend, als himmlische Gemahlin
erwarte.


Die Erziehung des Herkules .

Als Amphitruo das hohe Geschick des Knaben aus
dem Munde des Sehers vernahm, beschloß er, ihm eine
würdige Heldenerziehung zu geben, und Heroen aller Ge¬
genden versammelten sich, den jungen Herkules in allen
Wissenschaften zu unterrichten. Sein Vater selbst unter¬
wies ihn in der Kunst einen Wagen zu regieren; den
Bogen spannen und mit Pfeilen zielen, lehrte ihn Eury¬
tus; die Künste der Ringer und Faustkämpfer Harpaly¬
kus. Eumolpus lehrte ihn den Gesang und den zierlichen
Schlag der Leyer; Kastor, der Jupiterszwilling, die
Kunst schwerbewaffnet und geordnet im Felde zu fechten.

der den Stiefſohn als ein Geſchenk Jupiters betrachtete
und lieb hatte, eilte erſchrocken herbei, das bloße Schwerdt
in der Hand. Da ſtand er vor der Wiege, ſah und hörte
was geſchehen war; Luſt, mit Entſetzen gemiſcht, durch¬
bebte ihn über der unerhörten Kraft des kaum gebornen
Sohnes. Er betrachtete die That als ein großes Wun¬
derzeichen und rief den Propheten des großen Jupiter,
den Wahrſager Tireſias, herbei. Dieſer weiſſagte dem
Könige, der Königin und allen Anweſenden den Lebens¬
lauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie
viele Ungethüme des Meeres er hinwegräumen, wie er
mit den Giganten ſelbſt im Kampfe zuſammenſtoßen und
ſie beſiegen werde und wie ihn am Ende ſeines mühe¬
vollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern
und Hebe, die ewige Jugend, als himmliſche Gemahlin
erwarte.


Die Erziehung des Herkules .

Als Amphitruo das hohe Geſchick des Knaben aus
dem Munde des Sehers vernahm, beſchloß er, ihm eine
würdige Heldenerziehung zu geben, und Heroen aller Ge¬
genden verſammelten ſich, den jungen Herkules in allen
Wiſſenſchaften zu unterrichten. Sein Vater ſelbſt unter¬
wies ihn in der Kunſt einen Wagen zu regieren; den
Bogen ſpannen und mit Pfeilen zielen, lehrte ihn Eury¬
tus; die Künſte der Ringer und Fauſtkämpfer Harpaly¬
kus. Eumolpus lehrte ihn den Geſang und den zierlichen
Schlag der Leyer; Kaſtor, der Jupiterszwilling, die
Kunſt ſchwerbewaffnet und geordnet im Felde zu fechten.

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[203/0229] der den Stiefſohn als ein Geſchenk Jupiters betrachtete und lieb hatte, eilte erſchrocken herbei, das bloße Schwerdt in der Hand. Da ſtand er vor der Wiege, ſah und hörte was geſchehen war; Luſt, mit Entſetzen gemiſcht, durch¬ bebte ihn über der unerhörten Kraft des kaum gebornen Sohnes. Er betrachtete die That als ein großes Wun¬ derzeichen und rief den Propheten des großen Jupiter, den Wahrſager Tireſias, herbei. Dieſer weiſſagte dem Könige, der Königin und allen Anweſenden den Lebens¬ lauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie viele Ungethüme des Meeres er hinwegräumen, wie er mit den Giganten ſelbſt im Kampfe zuſammenſtoßen und ſie beſiegen werde und wie ihn am Ende ſeines mühe¬ vollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern und Hebe, die ewige Jugend, als himmliſche Gemahlin erwarte. Die Erziehung des Herkules . Als Amphitruo das hohe Geſchick des Knaben aus dem Munde des Sehers vernahm, beſchloß er, ihm eine würdige Heldenerziehung zu geben, und Heroen aller Ge¬ genden verſammelten ſich, den jungen Herkules in allen Wiſſenſchaften zu unterrichten. Sein Vater ſelbſt unter¬ wies ihn in der Kunſt einen Wagen zu regieren; den Bogen ſpannen und mit Pfeilen zielen, lehrte ihn Eury¬ tus; die Künſte der Ringer und Fauſtkämpfer Harpaly¬ kus. Eumolpus lehrte ihn den Geſang und den zierlichen Schlag der Leyer; Kaſtor, der Jupiterszwilling, die Kunſt ſchwerbewaffnet und geordnet im Felde zu fechten.

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/229>, abgerufen am 28.03.2024.