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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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Liebe gekämpft und dessen Blätter sie oft, in der Ver¬
zweiflung an den Aesten zerrend, zerrissen hatte, und wo
nun, als an ihrem Lieblingsplatz, ihre Leiche beigesetzt
worden war, denn der König wollte seine Gemahlin im
Tode nicht entehren.


Theseus auf Frauenraub.

Durch die Verbindung mit dem jungen Helden Pirithous
erwachte in dem verlassenen und alternden Theseus die
Lust zu kühnen und selbst muthwilligen Abentheuern wieder.
Dem Pirithous war seine Gattin Hippodamia nach kur¬
zem Besitze gestorben, und da auch Theseus jetzt ehelos
war, so gingen Beide auf Frauenraub aus. Damals
war die nachher so berühmt gewordene Helena, die Toch¬
ter Jupiters und der Leda, die in dem Pallaste ihres
Stiefvaters Tyndareus zu Sparta aufwuchs, noch sehr
jung. Aber sie war schon die schönste Jungfrau ihrer
Zeit und ihre Anmuth fing an, in ganz Griechenland be¬
kannt zu werden. Diese sahen Theseus und Pirithous,
als sie auf dem genannten Raubzuge nach Sparta kamen,
in einem Tempel der Diana tanzen. Beide wurden von
Liebe zu ihr entzündet. Sie raubten sie in ihrem Ueber¬
muth aus dem Heiligthum und brachten sie zuerst nach
Tegea in Arkadien. Hier warfen sie das Loos über die¬
selbe und einer versprach dem andern brüderlich, ihm, wenn
das Loos ihn verfehle, zum Raub einer andern Schön¬
heit behülflich zu seyn. Das Loos theilte die Beute dem
Theseus zu, und nun brachte sie dieser nach Aphidnä im
attischen Gebiete, übergab die Jungfrau dort seiner Mut¬

Liebe gekämpft und deſſen Blätter ſie oft, in der Ver¬
zweiflung an den Aeſten zerrend, zerriſſen hatte, und wo
nun, als an ihrem Lieblingsplatz, ihre Leiche beigeſetzt
worden war, denn der König wollte ſeine Gemahlin im
Tode nicht entehren.


Theſeus auf Frauenraub.

Durch die Verbindung mit dem jungen Helden Pirithous
erwachte in dem verlaſſenen und alternden Theſeus die
Luſt zu kühnen und ſelbſt muthwilligen Abentheuern wieder.
Dem Pirithous war ſeine Gattin Hippodamia nach kur¬
zem Beſitze geſtorben, und da auch Theſeus jetzt ehelos
war, ſo gingen Beide auf Frauenraub aus. Damals
war die nachher ſo berühmt gewordene Helena, die Toch¬
ter Jupiters und der Leda, die in dem Pallaſte ihres
Stiefvaters Tyndareus zu Sparta aufwuchs, noch ſehr
jung. Aber ſie war ſchon die ſchönſte Jungfrau ihrer
Zeit und ihre Anmuth fing an, in ganz Griechenland be¬
kannt zu werden. Dieſe ſahen Theſeus und Pirithous,
als ſie auf dem genannten Raubzuge nach Sparta kamen,
in einem Tempel der Diana tanzen. Beide wurden von
Liebe zu ihr entzündet. Sie raubten ſie in ihrem Ueber¬
muth aus dem Heiligthum und brachten ſie zuerſt nach
Tegea in Arkadien. Hier warfen ſie das Loos über die¬
ſelbe und einer verſprach dem andern brüderlich, ihm, wenn
das Loos ihn verfehle, zum Raub einer andern Schön¬
heit behülflich zu ſeyn. Das Loos theilte die Beute dem
Theſeus zu, und nun brachte ſie dieſer nach Aphidnä im
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[306/0332] Liebe gekämpft und deſſen Blätter ſie oft, in der Ver¬ zweiflung an den Aeſten zerrend, zerriſſen hatte, und wo nun, als an ihrem Lieblingsplatz, ihre Leiche beigeſetzt worden war, denn der König wollte ſeine Gemahlin im Tode nicht entehren. Theſeus auf Frauenraub. Durch die Verbindung mit dem jungen Helden Pirithous erwachte in dem verlaſſenen und alternden Theſeus die Luſt zu kühnen und ſelbſt muthwilligen Abentheuern wieder. Dem Pirithous war ſeine Gattin Hippodamia nach kur¬ zem Beſitze geſtorben, und da auch Theſeus jetzt ehelos war, ſo gingen Beide auf Frauenraub aus. Damals war die nachher ſo berühmt gewordene Helena, die Toch¬ ter Jupiters und der Leda, die in dem Pallaſte ihres Stiefvaters Tyndareus zu Sparta aufwuchs, noch ſehr jung. Aber ſie war ſchon die ſchönſte Jungfrau ihrer Zeit und ihre Anmuth fing an, in ganz Griechenland be¬ kannt zu werden. Dieſe ſahen Theſeus und Pirithous, als ſie auf dem genannten Raubzuge nach Sparta kamen, in einem Tempel der Diana tanzen. Beide wurden von Liebe zu ihr entzündet. Sie raubten ſie in ihrem Ueber¬ muth aus dem Heiligthum und brachten ſie zuerſt nach Tegea in Arkadien. Hier warfen ſie das Loos über die¬ ſelbe und einer verſprach dem andern brüderlich, ihm, wenn das Loos ihn verfehle, zum Raub einer andern Schön¬ heit behülflich zu ſeyn. Das Loos theilte die Beute dem Theſeus zu, und nun brachte ſie dieſer nach Aphidnä im attiſchen Gebiete, übergab die Jungfrau dort ſeiner Mut¬

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/332>, abgerufen am 29.03.2024.