Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Gesetzen gehorchen und in mir hast du deinen Mann ge¬
funden!" Der Bebryke blickte den kühnen Helden mit
rollenden Augen an, wie ein verwundeter Berglöwe den,
der ihn zuerst getroffen hat. Pollux aber, der jugendliche
Held, sah heiter aus, wie ein Stern am Himmel; er
schwang seine Hände in der Luft, um sie zu versuchen,
ob sie von der langen Ruderarbeit nicht erstarrt seyen.
Als die Helden das Schiff verlassen, stellten die beiden
Kämpfer sich einander gegenüber. Ein Sclave des Kö¬
niges warf ein gedoppeltes Paar von Fechterhandschuhen
zwischen sie auf den Boden. "Wähle, welches Paar du
willst, sagte Amykus, ich will dich nicht lange loosen
lassen! Du wirst aus Erfahrung sagen können, daß ich
ein guter Gerber bin und blutige Backenstreiche zu er¬
theilen verstehe!" Pollux lächelte schweigend, nahm das
Handschuhepaar, das ihm zunächst lag, und ließ es sich
von seinen Freunden an die Hände festbinden. Dasselbe
that der Bebrykenkönig. Jetzt begann der Faustkampf.
Wie eine Meerwelle, die sich dem Schiff entgegen wälzt
und welche die Kunst des Steuermanns mit Mühe abweist,
stürmte der fremde Ringer auf den Griechen ein und
ließ ihm keine Ruhe. Dieser aber wich seinem Angriffe
immer kunstvoll und unverletzt aus. Er hatte die schwa¬
che Seite seines Gegners bald ausgekundschaftet und ver¬
setzte ihm manchen unabgewehrten Streich. Doch nahm
auch der König seines Vortheils wahr und nun krachten
die Kinnbacken und knirschten die Zähne von gegenseiti¬
gen Schlägen und sie ruhten nicht eher aus, als bis
beide athemlos waren. Dann traten sie bei Seite, fri¬
schen Athem zu schöpfen und sich den strömenden Schweiß
abzutrocknen. Im erneuten Kampfe verfehlte Amykus

Geſetzen gehorchen und in mir haſt du deinen Mann ge¬
funden!“ Der Bebryke blickte den kühnen Helden mit
rollenden Augen an, wie ein verwundeter Berglöwe den,
der ihn zuerſt getroffen hat. Pollux aber, der jugendliche
Held, ſah heiter aus, wie ein Stern am Himmel; er
ſchwang ſeine Hände in der Luft, um ſie zu verſuchen,
ob ſie von der langen Ruderarbeit nicht erſtarrt ſeyen.
Als die Helden das Schiff verlaſſen, ſtellten die beiden
Kämpfer ſich einander gegenüber. Ein Sclave des Kö¬
niges warf ein gedoppeltes Paar von Fechterhandſchuhen
zwiſchen ſie auf den Boden. „Wähle, welches Paar du
willſt, ſagte Amykus, ich will dich nicht lange looſen
laſſen! Du wirſt aus Erfahrung ſagen können, daß ich
ein guter Gerber bin und blutige Backenſtreiche zu er¬
theilen verſtehe!” Pollux lächelte ſchweigend, nahm das
Handſchuhepaar, das ihm zunächſt lag, und ließ es ſich
von ſeinen Freunden an die Hände feſtbinden. Daſſelbe
that der Bebrykenkönig. Jetzt begann der Fauſtkampf.
Wie eine Meerwelle, die ſich dem Schiff entgegen wälzt
und welche die Kunſt des Steuermanns mit Mühe abweist,
ſtürmte der fremde Ringer auf den Griechen ein und
ließ ihm keine Ruhe. Dieſer aber wich ſeinem Angriffe
immer kunſtvoll und unverletzt aus. Er hatte die ſchwa¬
che Seite ſeines Gegners bald ausgekundſchaftet und ver¬
ſetzte ihm manchen unabgewehrten Streich. Doch nahm
auch der König ſeines Vortheils wahr und nun krachten
die Kinnbacken und knirſchten die Zähne von gegenſeiti¬
gen Schlägen und ſie ruhten nicht eher aus, als bis
beide athemlos waren. Dann traten ſie bei Seite, fri¬
ſchen Athem zu ſchöpfen und ſich den ſtrömenden Schweiß
abzutrocknen. Im erneuten Kampfe verfehlte Amykus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0133" n="107"/>
Ge&#x017F;etzen gehorchen und in mir ha&#x017F;t du deinen Mann ge¬<lb/>
funden!&#x201C; Der Bebryke blickte den kühnen Helden mit<lb/>
rollenden Augen an, wie ein verwundeter Berglöwe den,<lb/>
der ihn zuer&#x017F;t getroffen hat. Pollux aber, der jugendliche<lb/>
Held, &#x017F;ah heiter aus, wie ein Stern am Himmel; er<lb/>
&#x017F;chwang &#x017F;eine Hände in der Luft, um &#x017F;ie zu ver&#x017F;uchen,<lb/>
ob &#x017F;ie von der langen Ruderarbeit nicht er&#x017F;tarrt &#x017F;eyen.<lb/>
Als die Helden das Schiff verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;tellten die beiden<lb/>
Kämpfer &#x017F;ich einander gegenüber. Ein Sclave des Kö¬<lb/>
niges warf ein gedoppeltes Paar von Fechterhand&#x017F;chuhen<lb/>
zwi&#x017F;chen &#x017F;ie auf den Boden. &#x201E;Wähle, welches Paar du<lb/>
will&#x017F;t, &#x017F;agte Amykus, ich will dich nicht lange loo&#x017F;en<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en! Du wir&#x017F;t aus Erfahrung &#x017F;agen können, daß ich<lb/>
ein guter Gerber bin und blutige Backen&#x017F;treiche zu er¬<lb/>
theilen ver&#x017F;tehe!&#x201D; Pollux lächelte &#x017F;chweigend, nahm das<lb/>
Hand&#x017F;chuhepaar, das ihm zunäch&#x017F;t lag, und ließ es &#x017F;ich<lb/>
von &#x017F;einen Freunden an die Hände fe&#x017F;tbinden. Da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
that der Bebrykenkönig. Jetzt begann der Fau&#x017F;tkampf.<lb/>
Wie eine Meerwelle, die &#x017F;ich dem Schiff entgegen wälzt<lb/>
und welche die Kun&#x017F;t des Steuermanns mit Mühe abweist,<lb/>
&#x017F;türmte der fremde Ringer auf den Griechen ein und<lb/>
ließ ihm keine Ruhe. Die&#x017F;er aber wich &#x017F;einem Angriffe<lb/>
immer kun&#x017F;tvoll und unverletzt aus. Er hatte die &#x017F;chwa¬<lb/>
che Seite &#x017F;eines Gegners bald ausgekund&#x017F;chaftet und ver¬<lb/>
&#x017F;etzte ihm manchen unabgewehrten Streich. Doch nahm<lb/>
auch der König &#x017F;eines Vortheils wahr und nun krachten<lb/>
die Kinnbacken und knir&#x017F;chten die Zähne von gegen&#x017F;eiti¬<lb/>
gen Schlägen und &#x017F;ie ruhten nicht eher aus, als bis<lb/>
beide athemlos waren. Dann traten &#x017F;ie bei Seite, fri¬<lb/>
&#x017F;chen Athem zu &#x017F;chöpfen und &#x017F;ich den &#x017F;trömenden Schweiß<lb/>
abzutrocknen. Im erneuten Kampfe verfehlte Amykus<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0133] Geſetzen gehorchen und in mir haſt du deinen Mann ge¬ funden!“ Der Bebryke blickte den kühnen Helden mit rollenden Augen an, wie ein verwundeter Berglöwe den, der ihn zuerſt getroffen hat. Pollux aber, der jugendliche Held, ſah heiter aus, wie ein Stern am Himmel; er ſchwang ſeine Hände in der Luft, um ſie zu verſuchen, ob ſie von der langen Ruderarbeit nicht erſtarrt ſeyen. Als die Helden das Schiff verlaſſen, ſtellten die beiden Kämpfer ſich einander gegenüber. Ein Sclave des Kö¬ niges warf ein gedoppeltes Paar von Fechterhandſchuhen zwiſchen ſie auf den Boden. „Wähle, welches Paar du willſt, ſagte Amykus, ich will dich nicht lange looſen laſſen! Du wirſt aus Erfahrung ſagen können, daß ich ein guter Gerber bin und blutige Backenſtreiche zu er¬ theilen verſtehe!” Pollux lächelte ſchweigend, nahm das Handſchuhepaar, das ihm zunächſt lag, und ließ es ſich von ſeinen Freunden an die Hände feſtbinden. Daſſelbe that der Bebrykenkönig. Jetzt begann der Fauſtkampf. Wie eine Meerwelle, die ſich dem Schiff entgegen wälzt und welche die Kunſt des Steuermanns mit Mühe abweist, ſtürmte der fremde Ringer auf den Griechen ein und ließ ihm keine Ruhe. Dieſer aber wich ſeinem Angriffe immer kunſtvoll und unverletzt aus. Er hatte die ſchwa¬ che Seite ſeines Gegners bald ausgekundſchaftet und ver¬ ſetzte ihm manchen unabgewehrten Streich. Doch nahm auch der König ſeines Vortheils wahr und nun krachten die Kinnbacken und knirſchten die Zähne von gegenſeiti¬ gen Schlägen und ſie ruhten nicht eher aus, als bis beide athemlos waren. Dann traten ſie bei Seite, fri¬ ſchen Athem zu ſchöpfen und ſich den ſtrömenden Schweiß abzutrocknen. Im erneuten Kampfe verfehlte Amykus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/133
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/133>, abgerufen am 19.04.2024.