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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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hatte, wieder auf. Ein zweiter Versuch, auch den Piri¬
thous zu befreien, mißlang, denn die Erde fing an, ihm
unter den Füßen zu beben. Vorschreitend erkannte Her¬
kules auch den Askalephus, der einst verrathen hatte,
daß Proserpina von den Rückkehr verwehrenden Granat¬
äpfeln des Hades gegessen; er wälzte den Stein ab, den
Ceres in Verzweiflung über den Verlust ihrer Tochter
auf ihn gewälzt hatte. Dann fiel er unter die Herden
des Pluto und schlachtete eines der Rinder, um die See¬
len mit Blute zu tränken; dieß wollte der Hirte dieser
Rinder, Menötius, nicht gestatten und forderte deßwegen
den Helden zum Ringkampfe auf. Herkules aber faßte
ihn mitten um den Leib, zerbrach ihm die Rippen und
gab ihn nur auf Bitten der Unterweltsfürstin Proserpina
(Persephone) selbst wieder frei. Am Thore der Todten¬
stadt stand der König Pluto und verwehrte ihm den Ein¬
tritt. Aber das Pfeilgeschoß des Heroen durchbohrte den
Gott an der Schulter, daß er Qualen der Sterblichen
empfand, und, als der Halbgott nun bescheidentlich um
Entführung des Höllenhundes bat, sich nicht länger wi¬
dersetzte. Doch forderte er als Bedingung, daß Herkules
desselben mächtig werden sollte, ohne die Waffen zu ge¬
brauchen, die er bei sich führe. So ging der Held, ein¬
zig mit seinem Brustharnische bedeckt und mit der Löwen¬
haut umhangen, aus, das Unthier zu fahen. Er fand ihn
an der Mündung des Acheron hingekauert, und ohne auf
das Bellen des Dreikopfs zu achten, das wie ein sich
in Widerhallen vervielfältigender, dumpfer Donner tönte,
nahm er die Köpfe zwischen die Beine, umschlang den
Hals mit den Armen und ließ ihn nicht los, obgleich
der Schwanz des Thieres, der ein lebendiger Drache war,

hatte, wieder auf. Ein zweiter Verſuch, auch den Piri¬
thous zu befreien, mißlang, denn die Erde fing an, ihm
unter den Füßen zu beben. Vorſchreitend erkannte Her¬
kules auch den Aſkalephus, der einſt verrathen hatte,
daß Proſerpina von den Rückkehr verwehrenden Granat¬
äpfeln des Hades gegeſſen; er wälzte den Stein ab, den
Ceres in Verzweiflung über den Verluſt ihrer Tochter
auf ihn gewälzt hatte. Dann fiel er unter die Herden
des Pluto und ſchlachtete eines der Rinder, um die See¬
len mit Blute zu tränken; dieß wollte der Hirte dieſer
Rinder, Menötius, nicht geſtatten und forderte deßwegen
den Helden zum Ringkampfe auf. Herkules aber faßte
ihn mitten um den Leib, zerbrach ihm die Rippen und
gab ihn nur auf Bitten der Unterweltsfürſtin Proſerpina
(Perſephone) ſelbſt wieder frei. Am Thore der Todten¬
ſtadt ſtand der König Pluto und verwehrte ihm den Ein¬
tritt. Aber das Pfeilgeſchoß des Heroen durchbohrte den
Gott an der Schulter, daß er Qualen der Sterblichen
empfand, und, als der Halbgott nun beſcheidentlich um
Entführung des Höllenhundes bat, ſich nicht länger wi¬
derſetzte. Doch forderte er als Bedingung, daß Herkules
deſſelben mächtig werden ſollte, ohne die Waffen zu ge¬
brauchen, die er bei ſich führe. So ging der Held, ein¬
zig mit ſeinem Bruſtharniſche bedeckt und mit der Löwen¬
haut umhangen, aus, das Unthier zu fahen. Er fand ihn
an der Mündung des Acheron hingekauert, und ohne auf
das Bellen des Dreikopfs zu achten, das wie ein ſich
in Widerhallen vervielfältigender, dumpfer Donner tönte,
nahm er die Köpfe zwiſchen die Beine, umſchlang den
Hals mit den Armen und ließ ihn nicht los, obgleich
der Schwanz des Thieres, der ein lebendiger Drache war,

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[237/0263] hatte, wieder auf. Ein zweiter Verſuch, auch den Piri¬ thous zu befreien, mißlang, denn die Erde fing an, ihm unter den Füßen zu beben. Vorſchreitend erkannte Her¬ kules auch den Aſkalephus, der einſt verrathen hatte, daß Proſerpina von den Rückkehr verwehrenden Granat¬ äpfeln des Hades gegeſſen; er wälzte den Stein ab, den Ceres in Verzweiflung über den Verluſt ihrer Tochter auf ihn gewälzt hatte. Dann fiel er unter die Herden des Pluto und ſchlachtete eines der Rinder, um die See¬ len mit Blute zu tränken; dieß wollte der Hirte dieſer Rinder, Menötius, nicht geſtatten und forderte deßwegen den Helden zum Ringkampfe auf. Herkules aber faßte ihn mitten um den Leib, zerbrach ihm die Rippen und gab ihn nur auf Bitten der Unterweltsfürſtin Proſerpina (Perſephone) ſelbſt wieder frei. Am Thore der Todten¬ ſtadt ſtand der König Pluto und verwehrte ihm den Ein¬ tritt. Aber das Pfeilgeſchoß des Heroen durchbohrte den Gott an der Schulter, daß er Qualen der Sterblichen empfand, und, als der Halbgott nun beſcheidentlich um Entführung des Höllenhundes bat, ſich nicht länger wi¬ derſetzte. Doch forderte er als Bedingung, daß Herkules deſſelben mächtig werden ſollte, ohne die Waffen zu ge¬ brauchen, die er bei ſich führe. So ging der Held, ein¬ zig mit ſeinem Bruſtharniſche bedeckt und mit der Löwen¬ haut umhangen, aus, das Unthier zu fahen. Er fand ihn an der Mündung des Acheron hingekauert, und ohne auf das Bellen des Dreikopfs zu achten, das wie ein ſich in Widerhallen vervielfältigender, dumpfer Donner tönte, nahm er die Köpfe zwiſchen die Beine, umſchlang den Hals mit den Armen und ließ ihn nicht los, obgleich der Schwanz des Thieres, der ein lebendiger Drache war,

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/263>, abgerufen am 29.03.2024.