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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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des Gestades neben seines Freundes Patroklus Gebein in die
Erde gesenkt und mit einem hohen Grabhügel überdeckt wurde.

Auch die unsterblichen Rosse des Helden ahneten sei¬
nen Fall; sie rissen die Stränge los, mit welchen sie an¬
gebunden waren, und wollten nicht länger die Mühselig¬
keiten der Menschen theilen. Nur mit Mühe wurden sie
von den Freunden des Gefallenen eingeholt und ihr Kum¬
mer beschwichtigt.


Leichenspiele des Achilles.

Auch zu Troja wurde in diesen Tagen eine Todten¬
feier begangen: der Lycier Glaukus, der treue Bundes¬
genosse der Trojaner, der im letzten Kampfe gegen die
Griechen gefallen war, und dessen Leichnam seine Freunde
aus den Händen der Feinde gerettet hatten, wurde ver¬
brannt und bestattet.

Am folgenden Tage erhub sich Diomedes, der Sohn
des Tydeus, in der Versammlung der griechischen Helden
mit dem Rathe, jetzt im Augenblicke, ehe die Feinde Muth
aus Achilles Tode schöpften, mit Wagen, Roß und Mann
gegen die Stadt anzurücken und dieselbe zu erstürmen.
Aber gegen ihn stand Ajax, der Sohn Telamons, auf:
"Wäre es auch recht," sprach er, "die erhabene Meeres¬
göttin, die um den Tod ihres Sohnes trauert, ungeehrt
zu lassen, und nicht vor allen Dingen herrliche Spiele um
das Grabmal ihres Sohnes zu feiern? Sie selbst, als
sie gestern an mir vorüber ins Meer zurück rauschte, gab
mir einen Wink, den Sohn nicht ungeehrt zu lassen,

des Geſtades neben ſeines Freundes Patroklus Gebein in die
Erde geſenkt und mit einem hohen Grabhügel überdeckt wurde.

Auch die unſterblichen Roſſe des Helden ahneten ſei¬
nen Fall; ſie riſſen die Stränge los, mit welchen ſie an¬
gebunden waren, und wollten nicht länger die Mühſelig¬
keiten der Menſchen theilen. Nur mit Mühe wurden ſie
von den Freunden des Gefallenen eingeholt und ihr Kum¬
mer beſchwichtigt.


Leichenſpiele des Achilles.

Auch zu Troja wurde in dieſen Tagen eine Todten¬
feier begangen: der Lycier Glaukus, der treue Bundes¬
genoſſe der Trojaner, der im letzten Kampfe gegen die
Griechen gefallen war, und deſſen Leichnam ſeine Freunde
aus den Händen der Feinde gerettet hatten, wurde ver¬
brannt und beſtattet.

Am folgenden Tage erhub ſich Diomedes, der Sohn
des Tydeus, in der Verſammlung der griechiſchen Helden
mit dem Rathe, jetzt im Augenblicke, ehe die Feinde Muth
aus Achilles Tode ſchöpften, mit Wagen, Roß und Mann
gegen die Stadt anzurücken und dieſelbe zu erſtürmen.
Aber gegen ihn ſtand Ajax, der Sohn Telamons, auf:
„Wäre es auch recht,“ ſprach er, „die erhabene Meeres¬
göttin, die um den Tod ihres Sohnes trauert, ungeehrt
zu laſſen, und nicht vor allen Dingen herrliche Spiele um
das Grabmal ihres Sohnes zu feiern? Sie ſelbſt, als
ſie geſtern an mir vorüber ins Meer zurück rauſchte, gab
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[349/0371] des Geſtades neben ſeines Freundes Patroklus Gebein in die Erde geſenkt und mit einem hohen Grabhügel überdeckt wurde. Auch die unſterblichen Roſſe des Helden ahneten ſei¬ nen Fall; ſie riſſen die Stränge los, mit welchen ſie an¬ gebunden waren, und wollten nicht länger die Mühſelig¬ keiten der Menſchen theilen. Nur mit Mühe wurden ſie von den Freunden des Gefallenen eingeholt und ihr Kum¬ mer beſchwichtigt. Leichenſpiele des Achilles. Auch zu Troja wurde in dieſen Tagen eine Todten¬ feier begangen: der Lycier Glaukus, der treue Bundes¬ genoſſe der Trojaner, der im letzten Kampfe gegen die Griechen gefallen war, und deſſen Leichnam ſeine Freunde aus den Händen der Feinde gerettet hatten, wurde ver¬ brannt und beſtattet. Am folgenden Tage erhub ſich Diomedes, der Sohn des Tydeus, in der Verſammlung der griechiſchen Helden mit dem Rathe, jetzt im Augenblicke, ehe die Feinde Muth aus Achilles Tode ſchöpften, mit Wagen, Roß und Mann gegen die Stadt anzurücken und dieſelbe zu erſtürmen. Aber gegen ihn ſtand Ajax, der Sohn Telamons, auf: „Wäre es auch recht,“ ſprach er, „die erhabene Meeres¬ göttin, die um den Tod ihres Sohnes trauert, ungeehrt zu laſſen, und nicht vor allen Dingen herrliche Spiele um das Grabmal ihres Sohnes zu feiern? Sie ſelbſt, als ſie geſtern an mir vorüber ins Meer zurück rauſchte, gab mir einen Wink, den Sohn nicht ungeehrt zu laſſen,

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/371>, abgerufen am 28.03.2024.