Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

dann stürzte er sich auf ihn, und beraubte ihn der Rüstung;
gegen ihn warf der Trojaner Antiphus die Lanze; diese
verfehlte ihn zwar, traf aber Leukus, den tapfern Freund
des Odysseus, wie er eben den Todten hinwegschleifte.
Das schmerzte den Odysseus und, vorsichtig umschauend,
schleuderte er seinen Wurfspieß ab, vor dem die Trojaner
zurückprallten; und er traf einen Sohn des Königes
Priamus, den Bastard Demodokoon, so daß die Spitze
von einer Schläfe zur andern durchdrang. Als dieser
in dumpfem Falle hinstürzte, wichen die vordersten Käm¬
pfer der Trojaner rückwärts, und selbst Hektor mit ihnen.
Die Griechen aber jauchzten laut auf, schoben die Leich¬
name bei Seite und drangen tiefer in die Schlachtreihen
der Trojaner ein.

Darüber zürnte Apollo und ermunterte die Trojaner
von der Stadt aus, indem er ihnen zurief: "Räumet
doch den Achivern das Feld nicht! Ist doch ihr Leib we¬
der von Stein noch von Eisen, und ihr bester Held
Achilles kämpft nicht einmal, sondern grollt bei den Schif¬
fen." Auf der andern Seite trieb Minerva die Danaer
in den Kampf, und so fielen von beiden Theilen noch
viele Helden.

Da rüstete Pallas Athene den Sohn des Tydeus,
Diomedes, mit besonderer Kraft und Kühnheit aus, daß
er vor allem Danaervolk hervorstrahlte, und sich unsterb¬
lichen Ruhm gewann. Helm und Schild machte sie ihm
glänzend wie ein Gestirn der Herbstnacht, und trieb ihn
hinein ins wildeste Getümmel der Feinde. Nun befand sich
unter den Trojanern ein Priester des Vulkan, mit Namen
Dares, ein mächtiger, reicher Mann, der zwei Söhne,
Phegeus und Idäus, muthige Männer, in die Schlacht

dann ſtürzte er ſich auf ihn, und beraubte ihn der Rüſtung;
gegen ihn warf der Trojaner Antiphus die Lanze; dieſe
verfehlte ihn zwar, traf aber Leukus, den tapfern Freund
des Odyſſeus, wie er eben den Todten hinwegſchleifte.
Das ſchmerzte den Odyſſeus und, vorſichtig umſchauend,
ſchleuderte er ſeinen Wurfſpieß ab, vor dem die Trojaner
zurückprallten; und er traf einen Sohn des Königes
Priamus, den Baſtard Demodokoon, ſo daß die Spitze
von einer Schläfe zur andern durchdrang. Als dieſer
in dumpfem Falle hinſtürzte, wichen die vorderſten Käm¬
pfer der Trojaner rückwärts, und ſelbſt Hektor mit ihnen.
Die Griechen aber jauchzten laut auf, ſchoben die Leich¬
name bei Seite und drangen tiefer in die Schlachtreihen
der Trojaner ein.

Darüber zürnte Apollo und ermunterte die Trojaner
von der Stadt aus, indem er ihnen zurief: „Räumet
doch den Achivern das Feld nicht! Iſt doch ihr Leib we¬
der von Stein noch von Eiſen, und ihr beſter Held
Achilles kämpft nicht einmal, ſondern grollt bei den Schif¬
fen.“ Auf der andern Seite trieb Minerva die Danaer
in den Kampf, und ſo fielen von beiden Theilen noch
viele Helden.

Da rüſtete Pallas Athene den Sohn des Tydeus,
Diomedes, mit beſonderer Kraft und Kühnheit aus, daß
er vor allem Danaervolk hervorſtrahlte, und ſich unſterb¬
lichen Ruhm gewann. Helm und Schild machte ſie ihm
glänzend wie ein Geſtirn der Herbſtnacht, und trieb ihn
hinein ins wildeſte Getümmel der Feinde. Nun befand ſich
unter den Trojanern ein Prieſter des Vulkan, mit Namen
Dares, ein mächtiger, reicher Mann, der zwei Söhne,
Phegeus und Idäus, muthige Männer, in die Schlacht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="119"/>
dann &#x017F;türzte er &#x017F;ich auf ihn, und beraubte ihn der Rü&#x017F;tung;<lb/>
gegen ihn warf der Trojaner Antiphus die Lanze; die&#x017F;e<lb/>
verfehlte ihn zwar, traf aber Leukus, den tapfern Freund<lb/>
des Ody&#x017F;&#x017F;eus, wie er eben den Todten hinweg&#x017F;chleifte.<lb/>
Das &#x017F;chmerzte den Ody&#x017F;&#x017F;eus und, vor&#x017F;ichtig um&#x017F;chauend,<lb/>
&#x017F;chleuderte er &#x017F;einen Wurf&#x017F;pieß ab, vor dem die Trojaner<lb/>
zurückprallten; und er traf einen Sohn des Königes<lb/>
Priamus, den Ba&#x017F;tard Demodokoon, &#x017F;o daß die Spitze<lb/>
von einer Schläfe zur andern durchdrang. Als die&#x017F;er<lb/>
in dumpfem Falle hin&#x017F;türzte, wichen die vorder&#x017F;ten Käm¬<lb/>
pfer der Trojaner rückwärts, und &#x017F;elb&#x017F;t Hektor mit ihnen.<lb/>
Die Griechen aber jauchzten laut auf, &#x017F;choben die Leich¬<lb/>
name bei Seite und drangen tiefer in die Schlachtreihen<lb/>
der Trojaner ein.</p><lb/>
          <p>Darüber zürnte Apollo und ermunterte die Trojaner<lb/>
von der Stadt aus, indem er ihnen zurief: &#x201E;Räumet<lb/>
doch den Achivern das Feld nicht! I&#x017F;t doch ihr Leib we¬<lb/>
der von Stein noch von Ei&#x017F;en, und ihr be&#x017F;ter Held<lb/>
Achilles kämpft nicht einmal, &#x017F;ondern grollt bei den Schif¬<lb/>
fen.&#x201C; Auf der andern Seite trieb Minerva die Danaer<lb/>
in den Kampf, und &#x017F;o fielen von beiden Theilen noch<lb/>
viele Helden.</p><lb/>
          <p>Da rü&#x017F;tete Pallas Athene den Sohn des Tydeus,<lb/>
Diomedes, mit be&#x017F;onderer Kraft und Kühnheit aus, daß<lb/>
er vor allem Danaervolk hervor&#x017F;trahlte, und &#x017F;ich un&#x017F;terb¬<lb/>
lichen Ruhm gewann. Helm und Schild machte &#x017F;ie ihm<lb/>
glänzend wie ein Ge&#x017F;tirn der Herb&#x017F;tnacht, und trieb ihn<lb/>
hinein ins wilde&#x017F;te Getümmel der Feinde. Nun befand &#x017F;ich<lb/>
unter den Trojanern ein Prie&#x017F;ter des Vulkan, mit Namen<lb/>
Dares, ein mächtiger, reicher Mann, der zwei Söhne,<lb/>
Phegeus und Idäus, muthige Männer, in die Schlacht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0141] dann ſtürzte er ſich auf ihn, und beraubte ihn der Rüſtung; gegen ihn warf der Trojaner Antiphus die Lanze; dieſe verfehlte ihn zwar, traf aber Leukus, den tapfern Freund des Odyſſeus, wie er eben den Todten hinwegſchleifte. Das ſchmerzte den Odyſſeus und, vorſichtig umſchauend, ſchleuderte er ſeinen Wurfſpieß ab, vor dem die Trojaner zurückprallten; und er traf einen Sohn des Königes Priamus, den Baſtard Demodokoon, ſo daß die Spitze von einer Schläfe zur andern durchdrang. Als dieſer in dumpfem Falle hinſtürzte, wichen die vorderſten Käm¬ pfer der Trojaner rückwärts, und ſelbſt Hektor mit ihnen. Die Griechen aber jauchzten laut auf, ſchoben die Leich¬ name bei Seite und drangen tiefer in die Schlachtreihen der Trojaner ein. Darüber zürnte Apollo und ermunterte die Trojaner von der Stadt aus, indem er ihnen zurief: „Räumet doch den Achivern das Feld nicht! Iſt doch ihr Leib we¬ der von Stein noch von Eiſen, und ihr beſter Held Achilles kämpft nicht einmal, ſondern grollt bei den Schif¬ fen.“ Auf der andern Seite trieb Minerva die Danaer in den Kampf, und ſo fielen von beiden Theilen noch viele Helden. Da rüſtete Pallas Athene den Sohn des Tydeus, Diomedes, mit beſonderer Kraft und Kühnheit aus, daß er vor allem Danaervolk hervorſtrahlte, und ſich unſterb¬ lichen Ruhm gewann. Helm und Schild machte ſie ihm glänzend wie ein Geſtirn der Herbſtnacht, und trieb ihn hinein ins wildeſte Getümmel der Feinde. Nun befand ſich unter den Trojanern ein Prieſter des Vulkan, mit Namen Dares, ein mächtiger, reicher Mann, der zwei Söhne, Phegeus und Idäus, muthige Männer, in die Schlacht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/141
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/141>, abgerufen am 28.03.2024.