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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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gerne büßen, was ich gefehlt, und biete dir Sühnung,
Achilles, so viel du begehrst. Zieh in den Kampf, und
ich bin erbötig, dir alle die Geschenke reichen zu lassen,
die dir Odysseus, von mir in dein Zelt abgesandt, jüngst
noch verheißen hat. Oder wenn du lieber willst, so bleib
noch so lange, bis meine Diener aus dem Schiffe sie
hergebracht haben, damit du mit eigenen Augen sehest, wie
ich mein Versprechen erfülle."

"Ruhmvoller Völkerfürst Agamemnon," antwortete
der Held, "mag es dir gut dünken, mir die Geschenke,
wie es ziemlich ist, zu reichen, oder sie zu behalten: es
gilt mir gleich. Jetzt aber laß uns ohne Verzug der
Schlacht gedenken, denn noch ist Vieles ungethan, und
mich verlangt darnach, daß man den Achilles wieder im
Vordertreffen gewahr werde!" Aber der kluge Odysseus
that Einrede und sprach: "Göttergleicher Pelide, treibe
doch die Achiver nicht so ungespeist vor Troja hin! Laß
sie sich vorher bei den Schiffen mit Speise und Wein
erquicken, denn nur das gibt Kraft und Stärke! Inzwi¬
schen mag Agamemnon das Geschenk in unsern Kreis
bringen, daß alle Danaer es mit Augen schauen, und dein
Herz sich dran erfreue. Und darauf soll er selbst dich in
seinem Gezelte feierlich mit einem köstlichen Mahl bewir¬
then." "Freudig habe ich dein Wort vernommen, Odys¬
seus," antwortete der Atride, "du aber, Achilles, wähle
dir selbst die edelsten Jünglinge aus dem ganzen Heere,
daß sie dir alle Geschenke aus meinem Schiffe herbeibrin¬
gen; und Thalthybius, der Herold, schaffe uns einen Eber
herbei, daß wir Jupiter und dem Sonnengott opfern, und
ohne Fährde den Bund der Eintracht beschwören." "Thut
ihr, wie ihr wollt," sprach Achilles, "mir soll weder Trank

gerne büßen, was ich gefehlt, und biete dir Sühnung,
Achilles, ſo viel du begehrſt. Zieh in den Kampf, und
ich bin erbötig, dir alle die Geſchenke reichen zu laſſen,
die dir Odyſſeus, von mir in dein Zelt abgeſandt, jüngſt
noch verheißen hat. Oder wenn du lieber willſt, ſo bleib
noch ſo lange, bis meine Diener aus dem Schiffe ſie
hergebracht haben, damit du mit eigenen Augen ſeheſt, wie
ich mein Verſprechen erfülle.“

„Ruhmvoller Völkerfürſt Agamemnon,“ antwortete
der Held, „mag es dir gut dünken, mir die Geſchenke,
wie es ziemlich iſt, zu reichen, oder ſie zu behalten: es
gilt mir gleich. Jetzt aber laß uns ohne Verzug der
Schlacht gedenken, denn noch iſt Vieles ungethan, und
mich verlangt darnach, daß man den Achilles wieder im
Vordertreffen gewahr werde!“ Aber der kluge Odyſſeus
that Einrede und ſprach: „Göttergleicher Pelide, treibe
doch die Achiver nicht ſo ungeſpeist vor Troja hin! Laß
ſie ſich vorher bei den Schiffen mit Speiſe und Wein
erquicken, denn nur das gibt Kraft und Stärke! Inzwi¬
ſchen mag Agamemnon das Geſchenk in unſern Kreis
bringen, daß alle Danaer es mit Augen ſchauen, und dein
Herz ſich dran erfreue. Und darauf ſoll er ſelbſt dich in
ſeinem Gezelte feierlich mit einem köſtlichen Mahl bewir¬
then.“ „Freudig habe ich dein Wort vernommen, Odyſ¬
ſeus,“ antwortete der Atride, „du aber, Achilles, wähle
dir ſelbſt die edelſten Jünglinge aus dem ganzen Heere,
daß ſie dir alle Geſchenke aus meinem Schiffe herbeibrin¬
gen; und Thalthybius, der Herold, ſchaffe uns einen Eber
herbei, daß wir Jupiter und dem Sonnengott opfern, und
ohne Fährde den Bund der Eintracht beſchwören.“ „Thut
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[253/0275] gerne büßen, was ich gefehlt, und biete dir Sühnung, Achilles, ſo viel du begehrſt. Zieh in den Kampf, und ich bin erbötig, dir alle die Geſchenke reichen zu laſſen, die dir Odyſſeus, von mir in dein Zelt abgeſandt, jüngſt noch verheißen hat. Oder wenn du lieber willſt, ſo bleib noch ſo lange, bis meine Diener aus dem Schiffe ſie hergebracht haben, damit du mit eigenen Augen ſeheſt, wie ich mein Verſprechen erfülle.“ „Ruhmvoller Völkerfürſt Agamemnon,“ antwortete der Held, „mag es dir gut dünken, mir die Geſchenke, wie es ziemlich iſt, zu reichen, oder ſie zu behalten: es gilt mir gleich. Jetzt aber laß uns ohne Verzug der Schlacht gedenken, denn noch iſt Vieles ungethan, und mich verlangt darnach, daß man den Achilles wieder im Vordertreffen gewahr werde!“ Aber der kluge Odyſſeus that Einrede und ſprach: „Göttergleicher Pelide, treibe doch die Achiver nicht ſo ungeſpeist vor Troja hin! Laß ſie ſich vorher bei den Schiffen mit Speiſe und Wein erquicken, denn nur das gibt Kraft und Stärke! Inzwi¬ ſchen mag Agamemnon das Geſchenk in unſern Kreis bringen, daß alle Danaer es mit Augen ſchauen, und dein Herz ſich dran erfreue. Und darauf ſoll er ſelbſt dich in ſeinem Gezelte feierlich mit einem köſtlichen Mahl bewir¬ then.“ „Freudig habe ich dein Wort vernommen, Odyſ¬ ſeus,“ antwortete der Atride, „du aber, Achilles, wähle dir ſelbſt die edelſten Jünglinge aus dem ganzen Heere, daß ſie dir alle Geſchenke aus meinem Schiffe herbeibrin¬ gen; und Thalthybius, der Herold, ſchaffe uns einen Eber herbei, daß wir Jupiter und dem Sonnengott opfern, und ohne Fährde den Bund der Eintracht beſchwören.“ „Thut ihr, wie ihr wollt,“ ſprach Achilles, „mir ſoll weder Trank

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/275>, abgerufen am 28.03.2024.