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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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ihre Kräfte schonten und selten Ausfälle machten, so wand¬
ten die Danaer ihre Macht gegen die Umgegend. Achilles
zerstörte und plünderte allmählig zwölf Städte mit seiner
Flotte, eilf nahm er zu Lande ein. Dem Priester Chryses
führte er auf einem Streifzuge nach Mysien seine schöne
Tochter Astynome oder Chryseis, gefangen fort. Bei der
Einnahme von Lyrnessus überfiel er den Pallast des Kö¬
niges oder Priesters Brises, der in der Verzweiflung den
Strick um den Hals schlang und sich den Tod gab. Sein
holdseliges Kind Briseis oder Hippodamia wurde dem Sie¬
ger zu Theil, und er führte sie als eine Lieblingsbeute
ins griechische Lager mit sich davon. Auch die Insel Lesbos
und die Stadt Thebe in Cilicien, am Fuße des Berges
Placius gegründet, unterlagen seinen Angriffen. In der
letztern Stadt herrschte der Eidam des Königes Priamus,
der König Eetion, dessen Tochter Andromache mit dem
tapfersten Helden Troja's, mit Hektor, vermählt war.
Sieben blühende Söhne wuchsen noch in seinem Königs¬
hause. Da kam Achilles, stürmte die hochragenden Thore
der Stadt und erschlug den König mit den sieben Söhnen.
Als der Leichnam des hohen Fürsten, der von herrlicher,
Ehrfurcht gebietender Gestalt war, vor dem jungen Hel¬
den ausgestreckt lag, bemächtigte sich desselben ein Grauen
und eine Scheu, und er wagte es nicht, den Liegenden
der Waffen zu berauben, und sich dieselben als rühmliche
Siegesbeute anzueignen. Er verbrannte daher den Leich¬
nam zur ehrlichen Bestattung im vollen kunstreich gearbei¬
teten Waffengeschmeide und thürmte ihm ein mächtiges Denk¬
mal auf, das noch lange, von hohen Ulmen umschattet,
die Gegend schmückte. Die Gemahlin des Königes, die

ihre Kräfte ſchonten und ſelten Ausfälle machten, ſo wand¬
ten die Danaer ihre Macht gegen die Umgegend. Achilles
zerſtörte und plünderte allmählig zwölf Städte mit ſeiner
Flotte, eilf nahm er zu Lande ein. Dem Prieſter Chryſes
führte er auf einem Streifzuge nach Myſien ſeine ſchöne
Tochter Aſtynome oder Chryſeis, gefangen fort. Bei der
Einnahme von Lyrneſſus überfiel er den Pallaſt des Kö¬
niges oder Prieſters Briſes, der in der Verzweiflung den
Strick um den Hals ſchlang und ſich den Tod gab. Sein
holdſeliges Kind Briſeis oder Hippodamia wurde dem Sie¬
ger zu Theil, und er führte ſie als eine Lieblingsbeute
ins griechiſche Lager mit ſich davon. Auch die Inſel Lesbos
und die Stadt Thebe in Cilicien, am Fuße des Berges
Placius gegründet, unterlagen ſeinen Angriffen. In der
letztern Stadt herrſchte der Eidam des Königes Priamus,
der König Eëtion, deſſen Tochter Andromache mit dem
tapferſten Helden Troja's, mit Hektor, vermählt war.
Sieben blühende Söhne wuchſen noch in ſeinem Königs¬
hauſe. Da kam Achilles, ſtürmte die hochragenden Thore
der Stadt und erſchlug den König mit den ſieben Söhnen.
Als der Leichnam des hohen Fürſten, der von herrlicher,
Ehrfurcht gebietender Geſtalt war, vor dem jungen Hel¬
den ausgeſtreckt lag, bemächtigte ſich deſſelben ein Grauen
und eine Scheu, und er wagte es nicht, den Liegenden
der Waffen zu berauben, und ſich dieſelben als rühmliche
Siegesbeute anzueignen. Er verbrannte daher den Leich¬
nam zur ehrlichen Beſtattung im vollen kunſtreich gearbei¬
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[74/0096] ihre Kräfte ſchonten und ſelten Ausfälle machten, ſo wand¬ ten die Danaer ihre Macht gegen die Umgegend. Achilles zerſtörte und plünderte allmählig zwölf Städte mit ſeiner Flotte, eilf nahm er zu Lande ein. Dem Prieſter Chryſes führte er auf einem Streifzuge nach Myſien ſeine ſchöne Tochter Aſtynome oder Chryſeis, gefangen fort. Bei der Einnahme von Lyrneſſus überfiel er den Pallaſt des Kö¬ niges oder Prieſters Briſes, der in der Verzweiflung den Strick um den Hals ſchlang und ſich den Tod gab. Sein holdſeliges Kind Briſeis oder Hippodamia wurde dem Sie¬ ger zu Theil, und er führte ſie als eine Lieblingsbeute ins griechiſche Lager mit ſich davon. Auch die Inſel Lesbos und die Stadt Thebe in Cilicien, am Fuße des Berges Placius gegründet, unterlagen ſeinen Angriffen. In der letztern Stadt herrſchte der Eidam des Königes Priamus, der König Eëtion, deſſen Tochter Andromache mit dem tapferſten Helden Troja's, mit Hektor, vermählt war. Sieben blühende Söhne wuchſen noch in ſeinem Königs¬ hauſe. Da kam Achilles, ſtürmte die hochragenden Thore der Stadt und erſchlug den König mit den ſieben Söhnen. Als der Leichnam des hohen Fürſten, der von herrlicher, Ehrfurcht gebietender Geſtalt war, vor dem jungen Hel¬ den ausgeſtreckt lag, bemächtigte ſich deſſelben ein Grauen und eine Scheu, und er wagte es nicht, den Liegenden der Waffen zu berauben, und ſich dieſelben als rühmliche Siegesbeute anzueignen. Er verbrannte daher den Leich¬ nam zur ehrlichen Beſtattung im vollen kunſtreich gearbei¬ teten Waffengeſchmeide und thürmte ihm ein mächtiges Denk¬ mal auf, das noch lange, von hohen Ulmen umſchattet, die Gegend ſchmückte. Die Gemahlin des Königes, die

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/96>, abgerufen am 24.04.2024.