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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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und Gold in Bächen, in den Oefen zerschmolz der Stahl.
Ein gewaltiger Schild wurde geformt, und Scheiben auf
Scheiben siebenfach geschmiedet; Einige setzten die Blas¬
bälge in Bewegung; Andere verkühlten das zischende
Erz im Löschtroge. Dann wurde die Masse mit der
Zange umgedreht, und die Hämmernden schwangen die
Arme im Takt, und schlugen auf den Ambos, daß die
Höhle schmetterte.

Am andern Morgen übergab der greise Evander,
der nicht selbst mit in den Krieg ziehen konnte, vierhun¬
dert arkadische Reiter, dazu den Trost und die Hoffnung
seines Alters, seinen eigenen Sohn Pallas, dem schei¬
denden Gastfreunde, und beschenkte noch ausserdem alle
seine Trojaner mit Rossen, den Aeneas selbst mit dem
herrlichsten, das ein gelbes Löwenfell bedeckte, und des¬
sen Klauen vergoldet waren. Dann ergriff Evander die
Hand seines abziehenden Sohnes, drückte sie an seine
Brust, und sprach unter Thränen: "Ach, daß mir Ju¬
piter die vergangenen Lebensjahre zurückbrächte, und ich
wäre, wie ich einst unter Präneste's Mauern war, als
ich den König Herilus, der drei Leben von seiner Mut¬
ter, der Nymphe, mitbekommen hatte, dreimal in den Or¬
kus hinabschickte, bis er nicht mehr wiederkam! Jetzt
kann ich nichts, als dich und unsern Freund den Göt¬
tern empfehlen, mögen sie mich erhören, mögen sie dir
fröhliche Wiederkehr bereiten! Möge mir kein Schreckens¬
bote je das Ohr verwunden!" Mit diesem Abschiede
sank der greise Vater zusammen, und wurde von den
Dienern in die Wohnung zurückgetragen.

Die Reiter aber zogen aus den offenen Thoren,
mit ihnen Aeneas und ein Theil der trojanischen

und Gold in Bächen, in den Oefen zerſchmolz der Stahl.
Ein gewaltiger Schild wurde geformt, und Scheiben auf
Scheiben ſiebenfach geſchmiedet; Einige ſetzten die Blas¬
bälge in Bewegung; Andere verkühlten das ziſchende
Erz im Löſchtroge. Dann wurde die Maſſe mit der
Zange umgedreht, und die Hämmernden ſchwangen die
Arme im Takt, und ſchlugen auf den Ambos, daß die
Höhle ſchmetterte.

Am andern Morgen übergab der greiſe Evander,
der nicht ſelbſt mit in den Krieg ziehen konnte, vierhun¬
dert arkadiſche Reiter, dazu den Troſt und die Hoffnung
ſeines Alters, ſeinen eigenen Sohn Pallas, dem ſchei¬
denden Gaſtfreunde, und beſchenkte noch auſſerdem alle
ſeine Trojaner mit Roſſen, den Aeneas ſelbſt mit dem
herrlichſten, das ein gelbes Löwenfell bedeckte, und deſ¬
ſen Klauen vergoldet waren. Dann ergriff Evander die
Hand ſeines abziehenden Sohnes, drückte ſie an ſeine
Bruſt, und ſprach unter Thränen: „Ach, daß mir Ju¬
piter die vergangenen Lebensjahre zurückbrächte, und ich
wäre, wie ich einſt unter Präneſte's Mauern war, als
ich den König Herilus, der drei Leben von ſeiner Mut¬
ter, der Nymphe, mitbekommen hatte, dreimal in den Or¬
kus hinabſchickte, bis er nicht mehr wiederkam! Jetzt
kann ich nichts, als dich und unſern Freund den Göt¬
tern empfehlen, mögen ſie mich erhören, mögen ſie dir
fröhliche Wiederkehr bereiten! Möge mir kein Schreckens¬
bote je das Ohr verwunden!“ Mit dieſem Abſchiede
ſank der greiſe Vater zuſammen, und wurde von den
Dienern in die Wohnung zurückgetragen.

Die Reiter aber zogen aus den offenen Thoren,
mit ihnen Aeneas und ein Theil der trojaniſchen

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[368/0390] und Gold in Bächen, in den Oefen zerſchmolz der Stahl. Ein gewaltiger Schild wurde geformt, und Scheiben auf Scheiben ſiebenfach geſchmiedet; Einige ſetzten die Blas¬ bälge in Bewegung; Andere verkühlten das ziſchende Erz im Löſchtroge. Dann wurde die Maſſe mit der Zange umgedreht, und die Hämmernden ſchwangen die Arme im Takt, und ſchlugen auf den Ambos, daß die Höhle ſchmetterte. Am andern Morgen übergab der greiſe Evander, der nicht ſelbſt mit in den Krieg ziehen konnte, vierhun¬ dert arkadiſche Reiter, dazu den Troſt und die Hoffnung ſeines Alters, ſeinen eigenen Sohn Pallas, dem ſchei¬ denden Gaſtfreunde, und beſchenkte noch auſſerdem alle ſeine Trojaner mit Roſſen, den Aeneas ſelbſt mit dem herrlichſten, das ein gelbes Löwenfell bedeckte, und deſ¬ ſen Klauen vergoldet waren. Dann ergriff Evander die Hand ſeines abziehenden Sohnes, drückte ſie an ſeine Bruſt, und ſprach unter Thränen: „Ach, daß mir Ju¬ piter die vergangenen Lebensjahre zurückbrächte, und ich wäre, wie ich einſt unter Präneſte's Mauern war, als ich den König Herilus, der drei Leben von ſeiner Mut¬ ter, der Nymphe, mitbekommen hatte, dreimal in den Or¬ kus hinabſchickte, bis er nicht mehr wiederkam! Jetzt kann ich nichts, als dich und unſern Freund den Göt¬ tern empfehlen, mögen ſie mich erhören, mögen ſie dir fröhliche Wiederkehr bereiten! Möge mir kein Schreckens¬ bote je das Ohr verwunden!“ Mit dieſem Abſchiede ſank der greiſe Vater zuſammen, und wurde von den Dienern in die Wohnung zurückgetragen. Die Reiter aber zogen aus den offenen Thoren, mit ihnen Aeneas und ein Theil der trojaniſchen

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/390>, abgerufen am 24.04.2024.