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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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dringen konnte er nicht mehr hoffen; so kämpfte er sich
mühsam vorwärts, wo das Lager ohne Mauern an den
Fluß grenzte. An den Sandbänken des Stromes ange¬
langt, zog er sich mit schnelleren Schritten, doch noch
ohne Flucht, zurück, und wenn ihm der Feind zu nahe
auf dem Leib kam, trieb er ihn immer noch siegreich
mit dem Schwerte zurück. Nun flogen aus der Ferne
von allen Seiten Geschosse nach ihm, von den anpral¬
lenden Steinen erklang sein Helm, der Busch war zer¬
fetzt, der Schild steckte voll Speere und ward so schwer,
daß seine Linke ihn kaum mehr zu halten vermochte. In
diesem Augenblicke stürmte auch Mnestheus in blitzenden
Waffen auf ihn zu, und wie flüssiges Pech rannte ihm
der Schweiß über den Leib. So war er fechtend am
Rande des Flusses angekommen. Da zum erstenmale
kehrte Turnus dem Feinde den Rücken, und warf sich
in voller Rüstung in die Wogen des Tiberstroms. Die¬
ser nahm den Kommenden willig auf, und trug ihn mit
sanften Wellen aus dem Bereiche des Lagers an's Ge¬
stade, wo er bald, von Blut und Staube rein gewaschen,
bei den Seinigen ankam.


Aeneas kommt ins Lager zurück.

Jupiter hatte in einer Götterversammlung die Klagen
seiner Gemahlin Juno und die Fürbitten seiner Tochter
Venus angehört, und beschlossen, ohne Einmischung der
Himmlischen, Alles dem Schicksale zu überlassen, und so
dauerte denn die Belagerung der trojanischen Niederlas¬

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dringen konnte er nicht mehr hoffen; ſo kämpfte er ſich
mühſam vorwärts, wo das Lager ohne Mauern an den
Fluß grenzte. An den Sandbänken des Stromes ange¬
langt, zog er ſich mit ſchnelleren Schritten, doch noch
ohne Flucht, zurück, und wenn ihm der Feind zu nahe
auf dem Leib kam, trieb er ihn immer noch ſiegreich
mit dem Schwerte zurück. Nun flogen aus der Ferne
von allen Seiten Geſchoſſe nach ihm, von den anpral¬
lenden Steinen erklang ſein Helm, der Buſch war zer¬
fetzt, der Schild ſteckte voll Speere und ward ſo ſchwer,
daß ſeine Linke ihn kaum mehr zu halten vermochte. In
dieſem Augenblicke ſtürmte auch Mneſtheus in blitzenden
Waffen auf ihn zu, und wie flüſſiges Pech rannte ihm
der Schweiß über den Leib. So war er fechtend am
Rande des Fluſſes angekommen. Da zum erſtenmale
kehrte Turnus dem Feinde den Rücken, und warf ſich
in voller Rüſtung in die Wogen des Tiberſtroms. Die¬
ſer nahm den Kommenden willig auf, und trug ihn mit
ſanften Wellen aus dem Bereiche des Lagers an's Ge¬
ſtade, wo er bald, von Blut und Staube rein gewaſchen,
bei den Seinigen ankam.


Aeneas kommt ins Lager zurück.

Jupiter hatte in einer Götterverſammlung die Klagen
ſeiner Gemahlin Juno und die Fürbitten ſeiner Tochter
Venus angehört, und beſchloſſen, ohne Einmiſchung der
Himmliſchen, Alles dem Schickſale zu überlaſſen, und ſo
dauerte denn die Belagerung der trojaniſchen Niederlaſ¬

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[387/0409] dringen konnte er nicht mehr hoffen; ſo kämpfte er ſich mühſam vorwärts, wo das Lager ohne Mauern an den Fluß grenzte. An den Sandbänken des Stromes ange¬ langt, zog er ſich mit ſchnelleren Schritten, doch noch ohne Flucht, zurück, und wenn ihm der Feind zu nahe auf dem Leib kam, trieb er ihn immer noch ſiegreich mit dem Schwerte zurück. Nun flogen aus der Ferne von allen Seiten Geſchoſſe nach ihm, von den anpral¬ lenden Steinen erklang ſein Helm, der Buſch war zer¬ fetzt, der Schild ſteckte voll Speere und ward ſo ſchwer, daß ſeine Linke ihn kaum mehr zu halten vermochte. In dieſem Augenblicke ſtürmte auch Mneſtheus in blitzenden Waffen auf ihn zu, und wie flüſſiges Pech rannte ihm der Schweiß über den Leib. So war er fechtend am Rande des Fluſſes angekommen. Da zum erſtenmale kehrte Turnus dem Feinde den Rücken, und warf ſich in voller Rüſtung in die Wogen des Tiberſtroms. Die¬ ſer nahm den Kommenden willig auf, und trug ihn mit ſanften Wellen aus dem Bereiche des Lagers an's Ge¬ ſtade, wo er bald, von Blut und Staube rein gewaſchen, bei den Seinigen ankam. Aeneas kommt ins Lager zurück. Jupiter hatte in einer Götterverſammlung die Klagen ſeiner Gemahlin Juno und die Fürbitten ſeiner Tochter Venus angehört, und beſchloſſen, ohne Einmiſchung der Himmliſchen, Alles dem Schickſale zu überlaſſen, und ſo dauerte denn die Belagerung der trojaniſchen Niederlaſ¬ 25 *

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/409>, abgerufen am 28.03.2024.