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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Solch Anerbieten war dem Helden willkommen.
"Dieser Muth," erwiederte er, "erhebt dich, o Jung¬
frau, hoch über dein Geschlecht und in den Rath der
Männer. Von nun an sollst du die ganze Kriegsarbeit
mit mir theilen. Meine Späher melden mir, daß Aeneas
seine leichten Reitergeschwader vorausgesandt hat, er
selbst mit dem schweren Heerhaufen schreitet über den
Bergrücken auf die Stadt zu. Dort will ich ihm in
einem waldumwachsenen Hohlweg einen Hinterhalt be¬
reiten und beide Schlünde des engen Pfades mit Krie¬
gern besetzen. Du dagegen sollst die etruskischen Reiter
mit deiner Reiterei empfangen, und ich gebe dir den
Helden Messapus mit den latischen Geschwadern bei.
Die Oberfeldherrnschaft aber sey dir selbst anvertraut,
unvergleichliche Jungfrau!"

Nach diesen Anordnungen ging Turnus seinen eige¬
nen Weg. Durch ein enges Thal mit vielen Krüm¬
mungen, das von beiden Seiten eine schwarze Bergwand
voll Waldes begränzte, führte ein schmaler Fußpfad.
Drüberhin, zuoberst auf dem Bergesgipfel, lag, zwischen
Wäldern verborgen ein ebnes Feld, wo sich ein sicherer
Hinterhalt aufstellen ließ, und von wo aus man nach
Belieben rechts oder links angreifen oder aber von der
Höhe herab Steine ins Thal hernieder wälzen konnte.
Dorthin zog Turnus mit seinen Schaaren und lagerte
sich auf der Höhe und in den Wälderschluchten.

Während dieses geschah, rückten die Trojaner und
ihre etruskischen Bundesgenossen mit den Reitergeschwa¬
dern immer näher an die Mauern. Die Rosse brausten
durch die Ebene, eine eiserne Saat von Spiessen starrte,
und die Felder schienen von den erhobenen Waffen zu

Solch Anerbieten war dem Helden willkommen.
„Dieſer Muth,“ erwiederte er, „erhebt dich, o Jung¬
frau, hoch über dein Geſchlecht und in den Rath der
Männer. Von nun an ſollſt du die ganze Kriegsarbeit
mit mir theilen. Meine Späher melden mir, daß Aeneas
ſeine leichten Reitergeſchwader vorausgeſandt hat, er
ſelbſt mit dem ſchweren Heerhaufen ſchreitet über den
Bergrücken auf die Stadt zu. Dort will ich ihm in
einem waldumwachſenen Hohlweg einen Hinterhalt be¬
reiten und beide Schlünde des engen Pfades mit Krie¬
gern beſetzen. Du dagegen ſollſt die etruskiſchen Reiter
mit deiner Reiterei empfangen, und ich gebe dir den
Helden Meſſapus mit den latiſchen Geſchwadern bei.
Die Oberfeldherrnſchaft aber ſey dir ſelbſt anvertraut,
unvergleichliche Jungfrau!“

Nach dieſen Anordnungen ging Turnus ſeinen eige¬
nen Weg. Durch ein enges Thal mit vielen Krüm¬
mungen, das von beiden Seiten eine ſchwarze Bergwand
voll Waldes begränzte, führte ein ſchmaler Fußpfad.
Drüberhin, zuoberſt auf dem Bergesgipfel, lag, zwiſchen
Wäldern verborgen ein ebnes Feld, wo ſich ein ſicherer
Hinterhalt aufſtellen ließ, und von wo aus man nach
Belieben rechts oder links angreifen oder aber von der
Höhe herab Steine ins Thal hernieder wälzen konnte.
Dorthin zog Turnus mit ſeinen Schaaren und lagerte
ſich auf der Höhe und in den Wälderſchluchten.

Während dieſes geſchah, rückten die Trojaner und
ihre etruskiſchen Bundesgenoſſen mit den Reitergeſchwa¬
dern immer näher an die Mauern. Die Roſſe brausten
durch die Ebene, eine eiſerne Saat von Spieſſen ſtarrte,
und die Felder ſchienen von den erhobenen Waffen zu

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[414/0436] Solch Anerbieten war dem Helden willkommen. „Dieſer Muth,“ erwiederte er, „erhebt dich, o Jung¬ frau, hoch über dein Geſchlecht und in den Rath der Männer. Von nun an ſollſt du die ganze Kriegsarbeit mit mir theilen. Meine Späher melden mir, daß Aeneas ſeine leichten Reitergeſchwader vorausgeſandt hat, er ſelbſt mit dem ſchweren Heerhaufen ſchreitet über den Bergrücken auf die Stadt zu. Dort will ich ihm in einem waldumwachſenen Hohlweg einen Hinterhalt be¬ reiten und beide Schlünde des engen Pfades mit Krie¬ gern beſetzen. Du dagegen ſollſt die etruskiſchen Reiter mit deiner Reiterei empfangen, und ich gebe dir den Helden Meſſapus mit den latiſchen Geſchwadern bei. Die Oberfeldherrnſchaft aber ſey dir ſelbſt anvertraut, unvergleichliche Jungfrau!“ Nach dieſen Anordnungen ging Turnus ſeinen eige¬ nen Weg. Durch ein enges Thal mit vielen Krüm¬ mungen, das von beiden Seiten eine ſchwarze Bergwand voll Waldes begränzte, führte ein ſchmaler Fußpfad. Drüberhin, zuoberſt auf dem Bergesgipfel, lag, zwiſchen Wäldern verborgen ein ebnes Feld, wo ſich ein ſicherer Hinterhalt aufſtellen ließ, und von wo aus man nach Belieben rechts oder links angreifen oder aber von der Höhe herab Steine ins Thal hernieder wälzen konnte. Dorthin zog Turnus mit ſeinen Schaaren und lagerte ſich auf der Höhe und in den Wälderſchluchten. Während dieſes geſchah, rückten die Trojaner und ihre etruskiſchen Bundesgenoſſen mit den Reitergeſchwa¬ dern immer näher an die Mauern. Die Roſſe brausten durch die Ebene, eine eiſerne Saat von Spieſſen ſtarrte, und die Felder ſchienen von den erhobenen Waffen zu

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/436>, abgerufen am 29.03.2024.