Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

bestimmt sey. Athene selbst (Minerva) band sich die am¬
brosischen, goldenen Sohlen unter die Füße, womit sie
über Wasser und Land dahinschwebt, nahm ihre mächtige
Lanze, mit der gediegenen, scharfen Spitze von Erz, mit
welcher sie so manche Helden in der Schlacht bezwungen
hatte, zur Hand, schwang sich stürmend von dem felsigen
Gipfel des Olympus herab, und bald stand sie auf der
Insel Ithaka, die an der Westküste Griechenlands liegt,
am Palaste des fernen Odysseus, vor der Schwelle des
Hofes, da wo der Weg zum hohen Thore des Königs¬
hauses führte. Ihre Göttergestalt war verwandelt, und
die Lanze in der Hand glich sie dem tapfern Mentes,
dem Könige der Taphier.

Im Hause des Odysseus sah es traurig aus. Die
schöne Penelope, die Tochter Ikarions, blieb mit ihrem
jungen Sohne Telemach nicht lange Meister in dem
verlassenen Palaste. Als Odysseus, nachdem sich
längst die Nachricht von Troja's Fall und von der
Rückkehr der andern Helden verbreitet hatte, allein
nicht heimkehrte, verbreitete sich allmählig mit im¬
mer größerer Sicherheit die Sage von seinem Tode,
und es fanden sich aus der Insel Ithaka selbst, auf
welcher noch andere mächtige und reiche Leute ausser dem
Fürsten Odysseus wohnten, nicht weniger als zwölf, und
von der benachbarten Insel Same vier und zwanzig,
von Zazynth zwanzig, ja von Dulichium zwei und fünfzig
Freier mit einem Herold, einem Sänger, zween geübten
Köchen und großem Sklavengefolge bei Penelope ein, die,
unter dem Vorwand, um die Hand der jungen Wittwe
zu werben, Alle im Hause und vom Gute des abwesen¬
den Fürsten zehrten und den frechesten Uebermuth trieben;

beſtimmt ſey. Athene ſelbſt (Minerva) band ſich die am¬
broſiſchen, goldenen Sohlen unter die Füße, womit ſie
über Waſſer und Land dahinſchwebt, nahm ihre mächtige
Lanze, mit der gediegenen, ſcharfen Spitze von Erz, mit
welcher ſie ſo manche Helden in der Schlacht bezwungen
hatte, zur Hand, ſchwang ſich ſtürmend von dem felſigen
Gipfel des Olympus herab, und bald ſtand ſie auf der
Inſel Ithaka, die an der Weſtküſte Griechenlands liegt,
am Palaſte des fernen Odyſſeus, vor der Schwelle des
Hofes, da wo der Weg zum hohen Thore des Königs¬
hauſes führte. Ihre Göttergeſtalt war verwandelt, und
die Lanze in der Hand glich ſie dem tapfern Mentes,
dem Könige der Taphier.

Im Hauſe des Odyſſeus ſah es traurig aus. Die
ſchöne Penelope, die Tochter Ikarions, blieb mit ihrem
jungen Sohne Telemach nicht lange Meiſter in dem
verlaſſenen Palaſte. Als Odyſſeus, nachdem ſich
längſt die Nachricht von Troja's Fall und von der
Rückkehr der andern Helden verbreitet hatte, allein
nicht heimkehrte, verbreitete ſich allmählig mit im¬
mer größerer Sicherheit die Sage von ſeinem Tode,
und es fanden ſich aus der Inſel Ithaka ſelbſt, auf
welcher noch andere mächtige und reiche Leute auſſer dem
Fürſten Odyſſeus wohnten, nicht weniger als zwölf, und
von der benachbarten Inſel Same vier und zwanzig,
von Zazynth zwanzig, ja von Dulichium zwei und fünfzig
Freier mit einem Herold, einem Sänger, zween geübten
Köchen und großem Sklavengefolge bei Penelope ein, die,
unter dem Vorwand, um die Hand der jungen Wittwe
zu werben, Alle im Hauſe und vom Gute des abweſen¬
den Fürſten zehrten und den frecheſten Uebermuth trieben;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0090" n="68"/>
be&#x017F;timmt &#x017F;ey. Athene &#x017F;elb&#x017F;t (Minerva) band &#x017F;ich die am¬<lb/>
bro&#x017F;i&#x017F;chen, goldenen Sohlen unter die Füße, womit &#x017F;ie<lb/>
über Wa&#x017F;&#x017F;er und Land dahin&#x017F;chwebt, nahm ihre mächtige<lb/>
Lanze, mit der gediegenen, &#x017F;charfen Spitze von Erz, mit<lb/>
welcher &#x017F;ie &#x017F;o manche Helden in der Schlacht bezwungen<lb/>
hatte, zur Hand, &#x017F;chwang &#x017F;ich &#x017F;türmend von dem fel&#x017F;igen<lb/>
Gipfel des Olympus herab, und bald &#x017F;tand &#x017F;ie auf der<lb/>
In&#x017F;el Ithaka, die an der We&#x017F;tkü&#x017F;te Griechenlands liegt,<lb/>
am Pala&#x017F;te des fernen Ody&#x017F;&#x017F;eus, vor der Schwelle des<lb/>
Hofes, da wo der Weg zum hohen Thore des Königs¬<lb/>
hau&#x017F;es führte. Ihre Götterge&#x017F;talt war verwandelt, und<lb/>
die Lanze in der Hand glich &#x017F;ie dem tapfern Mentes,<lb/>
dem Könige der Taphier.</p><lb/>
            <p>Im Hau&#x017F;e des Ody&#x017F;&#x017F;eus &#x017F;ah es traurig aus. Die<lb/>
&#x017F;chöne Penelope, die Tochter Ikarions, blieb mit ihrem<lb/>
jungen Sohne Telemach nicht lange Mei&#x017F;ter in dem<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;enen Pala&#x017F;te. Als Ody&#x017F;&#x017F;eus, nachdem &#x017F;ich<lb/>
läng&#x017F;t die Nachricht von Troja's Fall und von der<lb/>
Rückkehr der andern Helden verbreitet hatte, allein<lb/>
nicht heimkehrte, verbreitete &#x017F;ich allmählig mit im¬<lb/>
mer größerer Sicherheit die Sage von &#x017F;einem Tode,<lb/>
und es fanden &#x017F;ich aus der In&#x017F;el Ithaka &#x017F;elb&#x017F;t, auf<lb/>
welcher noch andere mächtige und reiche Leute au&#x017F;&#x017F;er dem<lb/>
Für&#x017F;ten Ody&#x017F;&#x017F;eus wohnten, nicht weniger als zwölf, und<lb/>
von der benachbarten In&#x017F;el Same vier und zwanzig,<lb/>
von Zazynth zwanzig, ja von Dulichium zwei und fünfzig<lb/>
Freier mit einem Herold, einem Sänger, zween geübten<lb/>
Köchen und großem Sklavengefolge bei Penelope ein, die,<lb/>
unter dem Vorwand, um die Hand der jungen Wittwe<lb/>
zu werben, Alle im Hau&#x017F;e und vom Gute des abwe&#x017F;en¬<lb/>
den Für&#x017F;ten zehrten und den freche&#x017F;ten Uebermuth trieben;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0090] beſtimmt ſey. Athene ſelbſt (Minerva) band ſich die am¬ broſiſchen, goldenen Sohlen unter die Füße, womit ſie über Waſſer und Land dahinſchwebt, nahm ihre mächtige Lanze, mit der gediegenen, ſcharfen Spitze von Erz, mit welcher ſie ſo manche Helden in der Schlacht bezwungen hatte, zur Hand, ſchwang ſich ſtürmend von dem felſigen Gipfel des Olympus herab, und bald ſtand ſie auf der Inſel Ithaka, die an der Weſtküſte Griechenlands liegt, am Palaſte des fernen Odyſſeus, vor der Schwelle des Hofes, da wo der Weg zum hohen Thore des Königs¬ hauſes führte. Ihre Göttergeſtalt war verwandelt, und die Lanze in der Hand glich ſie dem tapfern Mentes, dem Könige der Taphier. Im Hauſe des Odyſſeus ſah es traurig aus. Die ſchöne Penelope, die Tochter Ikarions, blieb mit ihrem jungen Sohne Telemach nicht lange Meiſter in dem verlaſſenen Palaſte. Als Odyſſeus, nachdem ſich längſt die Nachricht von Troja's Fall und von der Rückkehr der andern Helden verbreitet hatte, allein nicht heimkehrte, verbreitete ſich allmählig mit im¬ mer größerer Sicherheit die Sage von ſeinem Tode, und es fanden ſich aus der Inſel Ithaka ſelbſt, auf welcher noch andere mächtige und reiche Leute auſſer dem Fürſten Odyſſeus wohnten, nicht weniger als zwölf, und von der benachbarten Inſel Same vier und zwanzig, von Zazynth zwanzig, ja von Dulichium zwei und fünfzig Freier mit einem Herold, einem Sänger, zween geübten Köchen und großem Sklavengefolge bei Penelope ein, die, unter dem Vorwand, um die Hand der jungen Wittwe zu werben, Alle im Hauſe und vom Gute des abweſen¬ den Fürſten zehrten und den frecheſten Uebermuth trieben;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/90
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/90>, abgerufen am 29.03.2024.