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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.

In Deutschland beschränken sich die Forstvereine im Wesentlichen
auf die Pflege der Forstwirtschaft und die Besprechung von forst-
politischen Fragen, während eine Interessenvertretung fast gar nicht
stattfindet. Wesentlich anders liegt das Verhältnis in ausserdeutschen
Staaten, vor allem in Oesterreich-Ungarn und in der Schweiz.

Der Grund hierfür ist in erster Linie in der Zusammensetzung der
deutschen Forstvereine zu suchen, in denen meist die Forstbeamten
und speziell die Staatsforstbeamten weitaus überwiegen, während die
Waldbesitzer nur in sehr beschränkter Zahl vertreten sind; ganz be-
sonders gilt dies für die wichtigste derartige Vereinigung, nämlich für
die allgemeinen Versammlungen deutscher Forstwirte.

Bei den Zentralstellen besteht natürlich geringe Neigung, kritische
Bemerkungen von seiten untergebener Beamten entgegenzunehmen oder
diesen die Gesetzesentwürfe und die Pläne von forstpolitischen Verord-
nungen zur Begutachtung zu unterbreiten, während berufene Vertreter
des Faches in diesen Behörden sitzen; auf der anderen Seite herrscht
eben deswegen eine gewisse, nicht unberechtigte Scheu, durch unlieb-
same Beschlüsse eine Pression nach oben auszuüben.

Wo der Staatswaldbesitz zurücktritt und die Waldbesitzer selbst
regen Anteil am Vereinsleben nahmen, besitzen die Beschlüsse auch
in forstpolitischer Beziehung eine hohe Bedeutung, wie dies z. B. die
einflussreiche Stellung der österreichischen Forstvereine, namentlich jene
des böhmischen Forstvereines, beweist.

Nicht minder aber kommen sowohl bezüglich der Interessenvertretung
als auch hinsichtlich der Beschlüsse über andere Fragen die Orga-
nisation
der deutschen Forstvereine in Betracht.

Sämtliche Vereine halten nur Wanderversammlungen ab, und viele
derselben haben keine ständige Mitgliedschaft. Je grösser daher der
Bezirk ist, für den solche Versammlungen stattfinden, desto verschieden-
gestaltiger ist das besuchende Publikum, da sich dieses naturgemäss
vorwiegend immer aus jenen Interessenten zusammensetzt, in deren Nähe
die Versammlung tagt. Der Ort der Versammlung ist aber nicht allein
entscheidend für die Heimat der Majorität der Besucher, sondern damit
gleichzeitig auch, in manchen Fragen wenigstens, für die Natur der
Beschlüsse. Man kann letztere geradezu dadurch in einer bestimmten
Richtung provozieren, dass das betreffende Thema in einer Versammlung
beraten wird, welche in entsprechender Gegend stattfindet (Unter-
richtsfrage auf der Freiburger Forstversammlung 1874).

Eine politische Wirksamkeit der Forstvereine setzt aber voraus,
dass stets dieselben Interessenten und möglichst im gleichen Verhältnisse
vertreten sind, wie dies bei der Landwirtschaft mit grossem Erfolge
in den landwirtschaftlichen Zentralvereinen, dem Landwirtschaftsrate
und dem preussischen Landesökonomiekollegium der Fall ist, und wie es

B. Zweiter (spezieller) Teil.

In Deutschland beschränken sich die Forstvereine im Wesentlichen
auf die Pflege der Forstwirtschaft und die Besprechung von forst-
politischen Fragen, während eine Interessenvertretung fast gar nicht
stattfindet. Wesentlich anders liegt das Verhältnis in auſserdeutschen
Staaten, vor allem in Oesterreich-Ungarn und in der Schweiz.

Der Grund hierfür ist in erster Linie in der Zusammensetzung der
deutschen Forstvereine zu suchen, in denen meist die Forstbeamten
und speziell die Staatsforstbeamten weitaus überwiegen, während die
Waldbesitzer nur in sehr beschränkter Zahl vertreten sind; ganz be-
sonders gilt dies für die wichtigste derartige Vereinigung, nämlich für
die allgemeinen Versammlungen deutscher Forstwirte.

Bei den Zentralstellen besteht natürlich geringe Neigung, kritische
Bemerkungen von seiten untergebener Beamten entgegenzunehmen oder
diesen die Gesetzesentwürfe und die Pläne von forstpolitischen Verord-
nungen zur Begutachtung zu unterbreiten, während berufene Vertreter
des Faches in diesen Behörden sitzen; auf der anderen Seite herrscht
eben deswegen eine gewisse, nicht unberechtigte Scheu, durch unlieb-
same Beschlüsse eine Pression nach oben auszuüben.

Wo der Staatswaldbesitz zurücktritt und die Waldbesitzer selbst
regen Anteil am Vereinsleben nahmen, besitzen die Beschlüsse auch
in forstpolitischer Beziehung eine hohe Bedeutung, wie dies z. B. die
einfluſsreiche Stellung der österreichischen Forstvereine, namentlich jene
des böhmischen Forstvereines, beweist.

Nicht minder aber kommen sowohl bezüglich der Interessenvertretung
als auch hinsichtlich der Beschlüsse über andere Fragen die Orga-
nisation
der deutschen Forstvereine in Betracht.

Sämtliche Vereine halten nur Wanderversammlungen ab, und viele
derselben haben keine ständige Mitgliedschaft. Je grösser daher der
Bezirk ist, für den solche Versammlungen stattfinden, desto verschieden-
gestaltiger ist das besuchende Publikum, da sich dieses naturgemäſs
vorwiegend immer aus jenen Interessenten zusammensetzt, in deren Nähe
die Versammlung tagt. Der Ort der Versammlung ist aber nicht allein
entscheidend für die Heimat der Majorität der Besucher, sondern damit
gleichzeitig auch, in manchen Fragen wenigstens, für die Natur der
Beschlüsse. Man kann letztere geradezu dadurch in einer bestimmten
Richtung provozieren, daſs das betreffende Thema in einer Versammlung
beraten wird, welche in entsprechender Gegend stattfindet (Unter-
richtsfrage auf der Freiburger Forstversammlung 1874).

Eine politische Wirksamkeit der Forstvereine setzt aber voraus,
daſs stets dieselben Interessenten und möglichst im gleichen Verhältnisse
vertreten sind, wie dies bei der Landwirtschaft mit groſsem Erfolge
in den landwirtschaftlichen Zentralvereinen, dem Landwirtschaftsrate
und dem preuſsischen Landesökonomiekollegium der Fall ist, und wie es

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[136/0154] B. Zweiter (spezieller) Teil. In Deutschland beschränken sich die Forstvereine im Wesentlichen auf die Pflege der Forstwirtschaft und die Besprechung von forst- politischen Fragen, während eine Interessenvertretung fast gar nicht stattfindet. Wesentlich anders liegt das Verhältnis in auſserdeutschen Staaten, vor allem in Oesterreich-Ungarn und in der Schweiz. Der Grund hierfür ist in erster Linie in der Zusammensetzung der deutschen Forstvereine zu suchen, in denen meist die Forstbeamten und speziell die Staatsforstbeamten weitaus überwiegen, während die Waldbesitzer nur in sehr beschränkter Zahl vertreten sind; ganz be- sonders gilt dies für die wichtigste derartige Vereinigung, nämlich für die allgemeinen Versammlungen deutscher Forstwirte. Bei den Zentralstellen besteht natürlich geringe Neigung, kritische Bemerkungen von seiten untergebener Beamten entgegenzunehmen oder diesen die Gesetzesentwürfe und die Pläne von forstpolitischen Verord- nungen zur Begutachtung zu unterbreiten, während berufene Vertreter des Faches in diesen Behörden sitzen; auf der anderen Seite herrscht eben deswegen eine gewisse, nicht unberechtigte Scheu, durch unlieb- same Beschlüsse eine Pression nach oben auszuüben. Wo der Staatswaldbesitz zurücktritt und die Waldbesitzer selbst regen Anteil am Vereinsleben nahmen, besitzen die Beschlüsse auch in forstpolitischer Beziehung eine hohe Bedeutung, wie dies z. B. die einfluſsreiche Stellung der österreichischen Forstvereine, namentlich jene des böhmischen Forstvereines, beweist. Nicht minder aber kommen sowohl bezüglich der Interessenvertretung als auch hinsichtlich der Beschlüsse über andere Fragen die Orga- nisation der deutschen Forstvereine in Betracht. Sämtliche Vereine halten nur Wanderversammlungen ab, und viele derselben haben keine ständige Mitgliedschaft. Je grösser daher der Bezirk ist, für den solche Versammlungen stattfinden, desto verschieden- gestaltiger ist das besuchende Publikum, da sich dieses naturgemäſs vorwiegend immer aus jenen Interessenten zusammensetzt, in deren Nähe die Versammlung tagt. Der Ort der Versammlung ist aber nicht allein entscheidend für die Heimat der Majorität der Besucher, sondern damit gleichzeitig auch, in manchen Fragen wenigstens, für die Natur der Beschlüsse. Man kann letztere geradezu dadurch in einer bestimmten Richtung provozieren, daſs das betreffende Thema in einer Versammlung beraten wird, welche in entsprechender Gegend stattfindet (Unter- richtsfrage auf der Freiburger Forstversammlung 1874). Eine politische Wirksamkeit der Forstvereine setzt aber voraus, daſs stets dieselben Interessenten und möglichst im gleichen Verhältnisse vertreten sind, wie dies bei der Landwirtschaft mit groſsem Erfolge in den landwirtschaftlichen Zentralvereinen, dem Landwirtschaftsrate und dem preuſsischen Landesökonomiekollegium der Fall ist, und wie es

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/154>, abgerufen am 19.04.2024.