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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
notwendig ist, wird sich auf dem Wege der Entschädigung niemals
erreichen lassen; eine solche ist nur durch die Expropriation von
seiten des Staates zu erzielen.

Diese erscheint hier deshalb als zulässig, weil die Nutzbarkeit und
Bewohnbarkeit der gefährdeten Grundstücke ein öffentliches In-
teresse darstellen, welches durch ein Privatrecht gefährdet wird. Die
Aufgabe des Staates, dieses öffentliche Interesse zu schützen, wird da-
durch am sichersten erzielt, dass er das Eigentum des gefährdeten Grund-
stücks übernimmt und selbst die erforderlichen Arbeiten ausführen
lässt. Die Expropriation derartiger Schutzwaldungen ist nach der heu-
tigen Rechtsanschauung vollständig gerechtfertigt. Vom praktisch-poli-
tischen Standpunkte aus kommt ausserdem noch in Betracht, dass der
Privatbesitz keineswegs die geeignetste Form des Grundbesitzes für
Schutzwaldungen ist, weil die dauernde Erhaltung und angemessene
Bewirtschaftung derselben hier nur durch einen immerhin unangenehm
empfundenen und schwer durchzuführenden Zwang gesichert werden kann.

Soweit grössere Anlagen, Aufforstungen u. s. w. notwendig sind,
können sie auch vom Staate am leichtesten und sachgemässesten durch-
geführt werden, weil ihm die nötigen Arbeitskräfte und Geldmittel zur
Verfügung stehen.

Überall wo solche umfassende Arbeiten in Schutzwaldungen oder
die Anlage von solchen unter schwierigen Verhältnissen notwendig er-
scheinen, ist daher dem Staate auch das Expropriationsrecht eingeräumt,
so in Frankreich, Oesterreich, Italien, Russland, Elsass-Lothringen. In
einigen dieser Gesetze ist den bisherigen Eigentümern das Recht der
Rückerwerbung innerhalb gewisser Zeit (Russland binnen 10 Jahren)
gegen Ersatz der aufgewandten Kosten vorbehalten. 1)

Da sich die Form des Staatswaldbesitzes aus verschiedenen Gründen
am besten für die Schutzwaldungen eignet, so ist bereits mehrfach an-

1) Frankreich, Gesetz vom 28. VI. 1860, Art. 7: Si les terrains compris
dans le perimetre determine par le decret imperial appartiennent a des particuliers,
ceux-ci doivent declarer s'ils entendent effectuer eux-memes le reboisement, et, dans
ce cas, ils sont tenus d'executer les travaux dans les delais fixes par le decret. En
cas de refus ou d'inexecution de l'engagement pris, il peut etre procede a l'expro-
priation pour cause d'utilite publique. Le proprietaire exproprie en execution du
present article a le droit d'obtenir sa reintegration dans sa propriete apres le reboise-
ment, a la charge de restituer l'indemnite d'expropriation et le prix des travaux,
en principal et interets. Il peut s'exonerer du remboursement du prix des travaux
en abanndonnaut la moitie de sa propriete.
Russland, Gesetz vom 4. IV. 1888, Art. 9: In allen Fällen, wo sich die Aus-
führung der mit Kosten verbundenen forstwirtschaftlichen Massregeln als notwendig
zur Schonung von Schutzwäldern erweist, die Gesellschaften, Institutionen und Privat-
personen gehören, hat das Domänenministerium im Falle der Weigerung der letzteren,
die bezüglichen Kosten zu tragen, das Recht, solche Wälder als Kreiseigentum zu
erwerben. Den Besitzern bleibt für eine Zeitdauer von 10 Jahren das Recht des Rück-

B. Zweiter (spezieller) Teil.
notwendig ist, wird sich auf dem Wege der Entschädigung niemals
erreichen lassen; eine solche ist nur durch die Expropriation von
seiten des Staates zu erzielen.

Diese erscheint hier deshalb als zulässig, weil die Nutzbarkeit und
Bewohnbarkeit der gefährdeten Grundstücke ein öffentliches In-
teresse darstellen, welches durch ein Privatrecht gefährdet wird. Die
Aufgabe des Staates, dieses öffentliche Interesse zu schützen, wird da-
durch am sichersten erzielt, daſs er das Eigentum des gefährdeten Grund-
stücks übernimmt und selbst die erforderlichen Arbeiten ausführen
läſst. Die Expropriation derartiger Schutzwaldungen ist nach der heu-
tigen Rechtsanschauung vollständig gerechtfertigt. Vom praktisch-poli-
tischen Standpunkte aus kommt auſserdem noch in Betracht, daſs der
Privatbesitz keineswegs die geeignetste Form des Grundbesitzes für
Schutzwaldungen ist, weil die dauernde Erhaltung und angemessene
Bewirtschaftung derselben hier nur durch einen immerhin unangenehm
empfundenen und schwer durchzuführenden Zwang gesichert werden kann.

Soweit gröſsere Anlagen, Aufforstungen u. s. w. notwendig sind,
können sie auch vom Staate am leichtesten und sachgemäſsesten durch-
geführt werden, weil ihm die nötigen Arbeitskräfte und Geldmittel zur
Verfügung stehen.

Überall wo solche umfassende Arbeiten in Schutzwaldungen oder
die Anlage von solchen unter schwierigen Verhältnissen notwendig er-
scheinen, ist daher dem Staate auch das Expropriationsrecht eingeräumt,
so in Frankreich, Oesterreich, Italien, Ruſsland, Elsaſs-Lothringen. In
einigen dieser Gesetze ist den bisherigen Eigentümern das Recht der
Rückerwerbung innerhalb gewisser Zeit (Ruſsland binnen 10 Jahren)
gegen Ersatz der aufgewandten Kosten vorbehalten. 1)

Da sich die Form des Staatswaldbesitzes aus verschiedenen Gründen
am besten für die Schutzwaldungen eignet, so ist bereits mehrfach an-

1) Frankreich, Gesetz vom 28. VI. 1860, Art. 7: Si les terrains compris
dans le périmètre déterminé par le décret imperial appartiennent à des particuliers,
ceux-ci doivent déclarer s’ils entendent effectuer eux-mêmes le reboisement, et, dans
ce cas, ils sont tenus d’exécuter les travaux dans les délais fixés par le décret. En
cas de refus ou d’inexécution de l’engagement pris, il peut être procédé à l’expro-
priation pour cause d’utilité publique. Le propriétaire exproprié en exécution du
présent article a le droit d’obtenir sa réintégration dans sa propriété après le reboise-
ment, à la charge de restituer l’indemnité d’expropriation et le prix des travaux,
en principal et intérêts. Il peut s’exonérer du remboursement du prix des travaux
en abanndonnaut la moitié de sa propriété.
Ruſsland, Gesetz vom 4. IV. 1888, Art. 9: In allen Fällen, wo sich die Aus-
führung der mit Kosten verbundenen forstwirtschaftlichen Maſsregeln als notwendig
zur Schonung von Schutzwäldern erweist, die Gesellschaften, Institutionen und Privat-
personen gehören, hat das Domänenministerium im Falle der Weigerung der letzteren,
die bezüglichen Kosten zu tragen, das Recht, solche Wälder als Kreiseigentum zu
erwerben. Den Besitzern bleibt für eine Zeitdauer von 10 Jahren das Recht des Rück-
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[238/0256] B. Zweiter (spezieller) Teil. notwendig ist, wird sich auf dem Wege der Entschädigung niemals erreichen lassen; eine solche ist nur durch die Expropriation von seiten des Staates zu erzielen. Diese erscheint hier deshalb als zulässig, weil die Nutzbarkeit und Bewohnbarkeit der gefährdeten Grundstücke ein öffentliches In- teresse darstellen, welches durch ein Privatrecht gefährdet wird. Die Aufgabe des Staates, dieses öffentliche Interesse zu schützen, wird da- durch am sichersten erzielt, daſs er das Eigentum des gefährdeten Grund- stücks übernimmt und selbst die erforderlichen Arbeiten ausführen läſst. Die Expropriation derartiger Schutzwaldungen ist nach der heu- tigen Rechtsanschauung vollständig gerechtfertigt. Vom praktisch-poli- tischen Standpunkte aus kommt auſserdem noch in Betracht, daſs der Privatbesitz keineswegs die geeignetste Form des Grundbesitzes für Schutzwaldungen ist, weil die dauernde Erhaltung und angemessene Bewirtschaftung derselben hier nur durch einen immerhin unangenehm empfundenen und schwer durchzuführenden Zwang gesichert werden kann. Soweit gröſsere Anlagen, Aufforstungen u. s. w. notwendig sind, können sie auch vom Staate am leichtesten und sachgemäſsesten durch- geführt werden, weil ihm die nötigen Arbeitskräfte und Geldmittel zur Verfügung stehen. Überall wo solche umfassende Arbeiten in Schutzwaldungen oder die Anlage von solchen unter schwierigen Verhältnissen notwendig er- scheinen, ist daher dem Staate auch das Expropriationsrecht eingeräumt, so in Frankreich, Oesterreich, Italien, Ruſsland, Elsaſs-Lothringen. In einigen dieser Gesetze ist den bisherigen Eigentümern das Recht der Rückerwerbung innerhalb gewisser Zeit (Ruſsland binnen 10 Jahren) gegen Ersatz der aufgewandten Kosten vorbehalten. 1) Da sich die Form des Staatswaldbesitzes aus verschiedenen Gründen am besten für die Schutzwaldungen eignet, so ist bereits mehrfach an- 1) Frankreich, Gesetz vom 28. VI. 1860, Art. 7: Si les terrains compris dans le périmètre déterminé par le décret imperial appartiennent à des particuliers, ceux-ci doivent déclarer s’ils entendent effectuer eux-mêmes le reboisement, et, dans ce cas, ils sont tenus d’exécuter les travaux dans les délais fixés par le décret. En cas de refus ou d’inexécution de l’engagement pris, il peut être procédé à l’expro- priation pour cause d’utilité publique. Le propriétaire exproprié en exécution du présent article a le droit d’obtenir sa réintégration dans sa propriété après le reboise- ment, à la charge de restituer l’indemnité d’expropriation et le prix des travaux, en principal et intérêts. Il peut s’exonérer du remboursement du prix des travaux en abanndonnaut la moitié de sa propriété. Ruſsland, Gesetz vom 4. IV. 1888, Art. 9: In allen Fällen, wo sich die Aus- führung der mit Kosten verbundenen forstwirtschaftlichen Maſsregeln als notwendig zur Schonung von Schutzwäldern erweist, die Gesellschaften, Institutionen und Privat- personen gehören, hat das Domänenministerium im Falle der Weigerung der letzteren, die bezüglichen Kosten zu tragen, das Recht, solche Wälder als Kreiseigentum zu erwerben. Den Besitzern bleibt für eine Zeitdauer von 10 Jahren das Recht des Rück-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/256>, abgerufen am 20.04.2024.