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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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A. Erster (allgemeiner) Teil.
und die Ertragsfähigkeit eines Waldes zu ermitteln, sowie die Abnutz-
ungsgrösse dem Produktionsvermögen und den leitenden allgemeinen
wirtschaftlichen Grundsätzen entsprechend zu bemessen.

Auf waldbaulichem Gebiete haben weder der Femelschlagbetrieb
noch der Kahlschlag allen Erwartungen entsprochen, welche man von
ihnen hegte. Unter diesen Umständen konnte eine Reaktion gegen die
übertriebene Anwendung beider Hauptwirtschaftsformen nicht ausbleiben.
Einerseits wurden ihre schlechten finanziellen Erfolge angegriffen, ander-
seits befriedigten auch in der Praxis die erzielten Resultate keineswegs
ganz, sondern veranlassten, die guten Seiten der älteren Wirtschafts-
methoden auch für die modernen Verhältnisse nutzbar zu machen.

In den letzten 30 Jahren hat sich namentlich unter dem Einfluss
von Burckhardt und Gayer eine neue Richtung des Waldbaues ent-
wickelt, welche sich bemüht, sowohl den finanziellen, wie den techni-
schen und namentlich auch den sozial-politischen Ansprüchen, welche
an die Forstwirtschaft gestellt werden, zu genügen.

Erziehung gemischter Bestände, standortsgemässe und holzarten-
gerechte Wirtschaft sind nunmehr die Ziele, die je nach den Verhält-
nissen durch verschiedene waldbauliche Formen erstrebt werden.

In ähnlicher Weise lässt sich auch in der Gegenwart ein allmäh-
licher Übergang von extensiven zu immer intensiveren Betriebsformen
bei der Annäherung an die grossen Consumtionscentren für Holz verfolgen.

Das Bild ist jedoch hier ungleich weniger rein, weil einerseits das
genügende statistische Grundlagenmaterial fehlt und Standortsverhältnisse
modifizierend einwirken, sowie weil anderseits die Anordnung der ver-
schiedenen Betriebsformen durch die moderne Gestaltung der Verhält-
nisse und die Verbreitung der technischen Kenntnisse in hohem Masse
beeinflusst ist.

Man muss sich deshalb bei dieser Betrachtung damit begnügen, in
grossen Zügen die Gültigkeit des Thünenschen Gesetzes für die Forst-
wirtschaft zu verfolgen.

Das Hauptconsumtionscentrum für das europäische Holz ist, abge-
sehen von den kleinen, mehr lokalen Centren, in den Gebieten am mitt-
leren und unteren Laufe des Rheines, in England, Frankreich und
Italien zu suchen, während das meiste Holz aus den ausgedehnten Wal-
dungen von Galizien, Russland und Schweden und neuerdings auch
aus Amerika bezogen wird. Hier wird noch der grösste Teil der für
den Welthandel in Betracht kommenden Waldungen im Wege der Ex-
ploitation
ausgenützt.

In jenen Gebieten, wo sich die Transportverhältnisse günstiger und
infolgedessen die Holzpreise höher gestalten, folgt alsdann meist der
Kahlschlag, zuerst ohne, später mit allmählich immer sorgfältiger
werdender künstlicher Verjüngung.


A. Erster (allgemeiner) Teil.
und die Ertragsfähigkeit eines Waldes zu ermitteln, sowie die Abnutz-
ungsgröſse dem Produktionsvermögen und den leitenden allgemeinen
wirtschaftlichen Grundsätzen entsprechend zu bemessen.

Auf waldbaulichem Gebiete haben weder der Femelschlagbetrieb
noch der Kahlschlag allen Erwartungen entsprochen, welche man von
ihnen hegte. Unter diesen Umständen konnte eine Reaktion gegen die
übertriebene Anwendung beider Hauptwirtschaftsformen nicht ausbleiben.
Einerseits wurden ihre schlechten finanziellen Erfolge angegriffen, ander-
seits befriedigten auch in der Praxis die erzielten Resultate keineswegs
ganz, sondern veranlaſsten, die guten Seiten der älteren Wirtschafts-
methoden auch für die modernen Verhältnisse nutzbar zu machen.

In den letzten 30 Jahren hat sich namentlich unter dem Einfluſs
von Burckhardt und Gayer eine neue Richtung des Waldbaues ent-
wickelt, welche sich bemüht, sowohl den finanziellen, wie den techni-
schen und namentlich auch den sozial-politischen Ansprüchen, welche
an die Forstwirtschaft gestellt werden, zu genügen.

Erziehung gemischter Bestände, standortsgemäſse und holzarten-
gerechte Wirtschaft sind nunmehr die Ziele, die je nach den Verhält-
nissen durch verschiedene waldbauliche Formen erstrebt werden.

In ähnlicher Weise läſst sich auch in der Gegenwart ein allmäh-
licher Übergang von extensiven zu immer intensiveren Betriebsformen
bei der Annäherung an die groſsen Consumtionscentren für Holz verfolgen.

Das Bild ist jedoch hier ungleich weniger rein, weil einerseits das
genügende statistische Grundlagenmaterial fehlt und Standortsverhältnisse
modifizierend einwirken, sowie weil anderseits die Anordnung der ver-
schiedenen Betriebsformen durch die moderne Gestaltung der Verhält-
nisse und die Verbreitung der technischen Kenntnisse in hohem Maſse
beeinfluſst ist.

Man muſs sich deshalb bei dieser Betrachtung damit begnügen, in
groſsen Zügen die Gültigkeit des Thünenschen Gesetzes für die Forst-
wirtschaft zu verfolgen.

Das Hauptconsumtionscentrum für das europäische Holz ist, abge-
sehen von den kleinen, mehr lokalen Centren, in den Gebieten am mitt-
leren und unteren Laufe des Rheines, in England, Frankreich und
Italien zu suchen, während das meiste Holz aus den ausgedehnten Wal-
dungen von Galizien, Ruſsland und Schweden und neuerdings auch
aus Amerika bezogen wird. Hier wird noch der gröſste Teil der für
den Welthandel in Betracht kommenden Waldungen im Wege der Ex-
ploitation
ausgenützt.

In jenen Gebieten, wo sich die Transportverhältnisse günstiger und
infolgedessen die Holzpreise höher gestalten, folgt alsdann meist der
Kahlschlag, zuerst ohne, später mit allmählich immer sorgfältiger
werdender künstlicher Verjüngung.


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[32/0050] A. Erster (allgemeiner) Teil. und die Ertragsfähigkeit eines Waldes zu ermitteln, sowie die Abnutz- ungsgröſse dem Produktionsvermögen und den leitenden allgemeinen wirtschaftlichen Grundsätzen entsprechend zu bemessen. Auf waldbaulichem Gebiete haben weder der Femelschlagbetrieb noch der Kahlschlag allen Erwartungen entsprochen, welche man von ihnen hegte. Unter diesen Umständen konnte eine Reaktion gegen die übertriebene Anwendung beider Hauptwirtschaftsformen nicht ausbleiben. Einerseits wurden ihre schlechten finanziellen Erfolge angegriffen, ander- seits befriedigten auch in der Praxis die erzielten Resultate keineswegs ganz, sondern veranlaſsten, die guten Seiten der älteren Wirtschafts- methoden auch für die modernen Verhältnisse nutzbar zu machen. In den letzten 30 Jahren hat sich namentlich unter dem Einfluſs von Burckhardt und Gayer eine neue Richtung des Waldbaues ent- wickelt, welche sich bemüht, sowohl den finanziellen, wie den techni- schen und namentlich auch den sozial-politischen Ansprüchen, welche an die Forstwirtschaft gestellt werden, zu genügen. Erziehung gemischter Bestände, standortsgemäſse und holzarten- gerechte Wirtschaft sind nunmehr die Ziele, die je nach den Verhält- nissen durch verschiedene waldbauliche Formen erstrebt werden. In ähnlicher Weise läſst sich auch in der Gegenwart ein allmäh- licher Übergang von extensiven zu immer intensiveren Betriebsformen bei der Annäherung an die groſsen Consumtionscentren für Holz verfolgen. Das Bild ist jedoch hier ungleich weniger rein, weil einerseits das genügende statistische Grundlagenmaterial fehlt und Standortsverhältnisse modifizierend einwirken, sowie weil anderseits die Anordnung der ver- schiedenen Betriebsformen durch die moderne Gestaltung der Verhält- nisse und die Verbreitung der technischen Kenntnisse in hohem Maſse beeinfluſst ist. Man muſs sich deshalb bei dieser Betrachtung damit begnügen, in groſsen Zügen die Gültigkeit des Thünenschen Gesetzes für die Forst- wirtschaft zu verfolgen. Das Hauptconsumtionscentrum für das europäische Holz ist, abge- sehen von den kleinen, mehr lokalen Centren, in den Gebieten am mitt- leren und unteren Laufe des Rheines, in England, Frankreich und Italien zu suchen, während das meiste Holz aus den ausgedehnten Wal- dungen von Galizien, Ruſsland und Schweden und neuerdings auch aus Amerika bezogen wird. Hier wird noch der gröſste Teil der für den Welthandel in Betracht kommenden Waldungen im Wege der Ex- ploitation ausgenützt. In jenen Gebieten, wo sich die Transportverhältnisse günstiger und infolgedessen die Holzpreise höher gestalten, folgt alsdann meist der Kahlschlag, zuerst ohne, später mit allmählich immer sorgfältiger werdender künstlicher Verjüngung.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/50>, abgerufen am 29.03.2024.