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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.
Bewältigung ungeheurer eiserner Massen erfordert eine eiserne Energie und wo sich
diese findet, ist alles möglich. Wir bewundern die alten Riesenbauten, wie beispiels-
weise die Pyramiden, die mächtigen Thürme der Dome und manches Andere. Sie
alle hat bezüglich der Höhe und Schnelligkeit der Fertigstellung der eiserne Pariser
Thurmkoloß überflügelt, sowie die modernen eisernen Brücken ihre steinernen Vor-
läufer, was Kühnheit der Anlage und Ausnützung mechanischer Gesetze anbetrifft,
[Abbildung] Fig. 204.

Ansicht des Eiffelthurmes bei 3 Kilometer Entfernung.

weit in den Schatten gestellt
haben.

Ein Eisenbau von solchen
Größenverhältnissen wie der
Eiffelthum ist niemals geschaffen
worden. Eine Eisenmasse von
7 Millionen Kilogramm als
scheinbar luftiges, aus der Ferne
wie ein Filigrangespinnst sich
ausnehmendes Gebilde bis in die
Höhe von 300 Metern aufzu-
bauen, muß dem Weisen, der
solches vollbringt, Bewunderung
eintragen. Der Eisenkoloß erhebt
sich von einer gestuften Terrasse
und ruht mit seinen vier schräg-
geneigten Thurmträgern auf ebenso
vielen mächtigen, schief aufge-
bauten, tief fundirten Sockeln.
Der Grundplan ist ein Quadrat
von 110 Meter Seitenlänge. In
einer Höhe von 60 Metern ver-
einigen sich die vier Träger,
welche untereinander durch vier
riesige, 40 Meter lichte Oeffnung
messende Rundbogen verbunden sind, zu einer Plattform, welche von Säulengängen
im Rundbogenstyl umgeben und von einem Dache überwölbt ist.

Weiter hinauf verjüngt sich der Thurm rasch und erreicht in 115 Meter die
zweite Galerie, in 165 Meter die dritte Galerie. Hier verknoten sich die vier
Thurmträger, die nach oben immer kleinere Abmessungen besitzen. Der letzte Aufbau
besteht aus einem einzigen Thurm, und zwar bis in 258 Meter Höhe. Hieran schließt
bis 280 Meter ein Kuppelbau, auf dem ein kleiner offener Thurm aufgesetzt ist,
der mit der Spitze des Blitzableiters die ungeheure Höhe von 300 Meter abschließt.

Sieht man auch von allen weiteren Constructionen -- Treppen, Zahnrad-
aufzügen etc. -- ab, so muß der Bau als solcher durch die an ihm zur Geltung

Erſter Abſchnitt.
Bewältigung ungeheurer eiſerner Maſſen erfordert eine eiſerne Energie und wo ſich
dieſe findet, iſt alles möglich. Wir bewundern die alten Rieſenbauten, wie beiſpiels-
weiſe die Pyramiden, die mächtigen Thürme der Dome und manches Andere. Sie
alle hat bezüglich der Höhe und Schnelligkeit der Fertigſtellung der eiſerne Pariſer
Thurmkoloß überflügelt, ſowie die modernen eiſernen Brücken ihre ſteinernen Vor-
läufer, was Kühnheit der Anlage und Ausnützung mechaniſcher Geſetze anbetrifft,
[Abbildung] Fig. 204.

Anſicht des Eiffelthurmes bei 3 Kilometer Entfernung.

weit in den Schatten geſtellt
haben.

Ein Eiſenbau von ſolchen
Größenverhältniſſen wie der
Eiffelthum iſt niemals geſchaffen
worden. Eine Eiſenmaſſe von
7 Millionen Kilogramm als
ſcheinbar luftiges, aus der Ferne
wie ein Filigrangeſpinnſt ſich
ausnehmendes Gebilde bis in die
Höhe von 300 Metern aufzu-
bauen, muß dem Weiſen, der
ſolches vollbringt, Bewunderung
eintragen. Der Eiſenkoloß erhebt
ſich von einer geſtuften Terraſſe
und ruht mit ſeinen vier ſchräg-
geneigten Thurmträgern auf ebenſo
vielen mächtigen, ſchief aufge-
bauten, tief fundirten Sockeln.
Der Grundplan iſt ein Quadrat
von 110 Meter Seitenlänge. In
einer Höhe von 60 Metern ver-
einigen ſich die vier Träger,
welche untereinander durch vier
rieſige, 40 Meter lichte Oeffnung
meſſende Rundbogen verbunden ſind, zu einer Plattform, welche von Säulengängen
im Rundbogenſtyl umgeben und von einem Dache überwölbt iſt.

Weiter hinauf verjüngt ſich der Thurm raſch und erreicht in 115 Meter die
zweite Galerie, in 165 Meter die dritte Galerie. Hier verknoten ſich die vier
Thurmträger, die nach oben immer kleinere Abmeſſungen beſitzen. Der letzte Aufbau
beſteht aus einem einzigen Thurm, und zwar bis in 258 Meter Höhe. Hieran ſchließt
bis 280 Meter ein Kuppelbau, auf dem ein kleiner offener Thurm aufgeſetzt iſt,
der mit der Spitze des Blitzableiters die ungeheure Höhe von 300 Meter abſchließt.

Sieht man auch von allen weiteren Conſtructionen — Treppen, Zahnrad-
aufzügen ꝛc. — ab, ſo muß der Bau als ſolcher durch die an ihm zur Geltung

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[248/0284] Erſter Abſchnitt. Bewältigung ungeheurer eiſerner Maſſen erfordert eine eiſerne Energie und wo ſich dieſe findet, iſt alles möglich. Wir bewundern die alten Rieſenbauten, wie beiſpiels- weiſe die Pyramiden, die mächtigen Thürme der Dome und manches Andere. Sie alle hat bezüglich der Höhe und Schnelligkeit der Fertigſtellung der eiſerne Pariſer Thurmkoloß überflügelt, ſowie die modernen eiſernen Brücken ihre ſteinernen Vor- läufer, was Kühnheit der Anlage und Ausnützung mechaniſcher Geſetze anbetrifft, [Abbildung Fig. 204. Anſicht des Eiffelthurmes bei 3 Kilometer Entfernung.] weit in den Schatten geſtellt haben. Ein Eiſenbau von ſolchen Größenverhältniſſen wie der Eiffelthum iſt niemals geſchaffen worden. Eine Eiſenmaſſe von 7 Millionen Kilogramm als ſcheinbar luftiges, aus der Ferne wie ein Filigrangeſpinnſt ſich ausnehmendes Gebilde bis in die Höhe von 300 Metern aufzu- bauen, muß dem Weiſen, der ſolches vollbringt, Bewunderung eintragen. Der Eiſenkoloß erhebt ſich von einer geſtuften Terraſſe und ruht mit ſeinen vier ſchräg- geneigten Thurmträgern auf ebenſo vielen mächtigen, ſchief aufge- bauten, tief fundirten Sockeln. Der Grundplan iſt ein Quadrat von 110 Meter Seitenlänge. In einer Höhe von 60 Metern ver- einigen ſich die vier Träger, welche untereinander durch vier rieſige, 40 Meter lichte Oeffnung meſſende Rundbogen verbunden ſind, zu einer Plattform, welche von Säulengängen im Rundbogenſtyl umgeben und von einem Dache überwölbt iſt. Weiter hinauf verjüngt ſich der Thurm raſch und erreicht in 115 Meter die zweite Galerie, in 165 Meter die dritte Galerie. Hier verknoten ſich die vier Thurmträger, die nach oben immer kleinere Abmeſſungen beſitzen. Der letzte Aufbau beſteht aus einem einzigen Thurm, und zwar bis in 258 Meter Höhe. Hieran ſchließt bis 280 Meter ein Kuppelbau, auf dem ein kleiner offener Thurm aufgeſetzt iſt, der mit der Spitze des Blitzableiters die ungeheure Höhe von 300 Meter abſchließt. Sieht man auch von allen weiteren Conſtructionen — Treppen, Zahnrad- aufzügen ꝛc. — ab, ſo muß der Bau als ſolcher durch die an ihm zur Geltung

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/284>, abgerufen am 29.03.2024.