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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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bei Scanzoni nur Bescheidenheit, dass er dies sein Verdienst
in der Silberschmidt'schen Schrift verschweigen liess.

Wenn Carl Braun. Scanzoni, Semmelweis für eine Wahr-
heit kämpfen, so ist der Triumph gewiss, und die befreite
Menschheit wird den Alliirten die Siegespalme nicht versagen.

Was die Stimmen anbelangt, welche Carl Braun aus der
Literatur anführt, so haben wir die Scanzoni's, Seyfert's, Ki-
wisch's, Lumpe's, Bamberger's, Hammernjk's, der Academie
der Medicin in Paris schon beurtheilt.

Mende bezweifelt die Richtigkeit der Theorie der cada-
verösen Infection und glaubt die Ursache der Häufigkeit des
Puerperalfiebers in Wien in der erschwerten Ventilation, der
Anhäufung vieler Wöchnerinnen in den eng zusammenliegen-
den Gebäulichkeiten des allgemeinen Krankenhauses und in
der dadurch begünstigten Erzeugung von Miasmen suchen zu
müssen. Aber Carl Braun weiss so gut wie ich, dass diese
Verhältnisse nicht geändert wurden, und die Sterblichkeit
wurde doch bedeutend gemindert, und zwar von ihm selbst
dadurch gemindert, dass er gegen die cadaveröse Infection an-
kämpfte; warum also eine Stimme anführen, von deren Un-
richtigkeit Carl Braun überzeugt sein musste?

Retzius in Stockholm verlor 3.3 %; Faye in Christiania
verlor 15 % Wöchnerinnen trotz Chlorwaschungen.

Wir haben schon gesagt, dass auch die scandinavischen
Gebärhäuser ein Beleg dafür sind, dass trotz der vortrefflich-
sten Einrichtungen in so lange kein Heil für die Gebärhäuser
zu hoffen ist, bis nicht das von mir erbetene Gesetz in seiner
vollen Strenge in Wirksamkeit getreten sein wird.

Wenn Carl Braun sagt, dass eine so enorme Sterblich-
keit, wie selbe bei Faye vorgekommen, sich in der zwanzig-
mal ausgedehnteren Wiener Klinik für Aerzte nur ein einzi-
gesmal, im Jahre 1842, ohne Chlorwaschungen ereignete, so
ersehen wir daraus, dass er wohl zur Bestätigung der Zuver-
lässigkeit der cadaverösen Infection in ihrer practischen An-
wendung die Sterblichkeit in Folge des Puerperalfiebers zu

bei Scanzoni nur Bescheidenheit, dass er dies sein Verdienst
in der Silberschmidt’schen Schrift verschweigen liess.

Wenn Carl Braun. Scanzoni, Semmelweis für eine Wahr-
heit kämpfen, so ist der Triumph gewiss, und die befreite
Menschheit wird den Alliirten die Siegespalme nicht versagen.

Was die Stimmen anbelangt, welche Carl Braun aus der
Literatur anführt, so haben wir die Scanzoni’s, Seyfert’s, Ki-
wisch’s, Lumpe’s, Bamberger’s, Hammernjk’s, der Academie
der Medicin in Paris schon beurtheilt.

Mende bezweifelt die Richtigkeit der Theorie der cada-
verösen Infection und glaubt die Ursache der Häufigkeit des
Puerperalfiebers in Wien in der erschwerten Ventilation, der
Anhäufung vieler Wöchnerinnen in den eng zusammenliegen-
den Gebäulichkeiten des allgemeinen Krankenhauses und in
der dadurch begünstigten Erzeugung von Miasmen suchen zu
müssen. Aber Carl Braun weiss so gut wie ich, dass diese
Verhältnisse nicht geändert wurden, und die Sterblichkeit
wurde doch bedeutend gemindert, und zwar von ihm selbst
dadurch gemindert, dass er gegen die cadaveröse Infection an-
kämpfte; warum also eine Stimme anführen, von deren Un-
richtigkeit Carl Braun überzeugt sein musste?

Retzius in Stockholm verlor 3.3 %; Faye in Christiania
verlor 15 % Wöchnerinnen trotz Chlorwaschungen.

Wir haben schon gesagt, dass auch die scandinavischen
Gebärhäuser ein Beleg dafür sind, dass trotz der vortrefflich-
sten Einrichtungen in so lange kein Heil für die Gebärhäuser
zu hoffen ist, bis nicht das von mir erbetene Gesetz in seiner
vollen Strenge in Wirksamkeit getreten sein wird.

Wenn Carl Braun sagt, dass eine so enorme Sterblich-
keit, wie selbe bei Faye vorgekommen, sich in der zwanzig-
mal ausgedehnteren Wiener Klinik für Aerzte nur ein einzi-
gesmal, im Jahre 1842, ohne Chlorwaschungen ereignete, so
ersehen wir daraus, dass er wohl zur Bestätigung der Zuver-
lässigkeit der cadaverösen Infection in ihrer practischen An-
wendung die Sterblichkeit in Folge des Puerperalfiebers zu

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[526/0538] bei Scanzoni nur Bescheidenheit, dass er dies sein Verdienst in der Silberschmidt’schen Schrift verschweigen liess. Wenn Carl Braun. Scanzoni, Semmelweis für eine Wahr- heit kämpfen, so ist der Triumph gewiss, und die befreite Menschheit wird den Alliirten die Siegespalme nicht versagen. Was die Stimmen anbelangt, welche Carl Braun aus der Literatur anführt, so haben wir die Scanzoni’s, Seyfert’s, Ki- wisch’s, Lumpe’s, Bamberger’s, Hammernjk’s, der Academie der Medicin in Paris schon beurtheilt. Mende bezweifelt die Richtigkeit der Theorie der cada- verösen Infection und glaubt die Ursache der Häufigkeit des Puerperalfiebers in Wien in der erschwerten Ventilation, der Anhäufung vieler Wöchnerinnen in den eng zusammenliegen- den Gebäulichkeiten des allgemeinen Krankenhauses und in der dadurch begünstigten Erzeugung von Miasmen suchen zu müssen. Aber Carl Braun weiss so gut wie ich, dass diese Verhältnisse nicht geändert wurden, und die Sterblichkeit wurde doch bedeutend gemindert, und zwar von ihm selbst dadurch gemindert, dass er gegen die cadaveröse Infection an- kämpfte; warum also eine Stimme anführen, von deren Un- richtigkeit Carl Braun überzeugt sein musste? Retzius in Stockholm verlor 3.3 %; Faye in Christiania verlor 15 % Wöchnerinnen trotz Chlorwaschungen. Wir haben schon gesagt, dass auch die scandinavischen Gebärhäuser ein Beleg dafür sind, dass trotz der vortrefflich- sten Einrichtungen in so lange kein Heil für die Gebärhäuser zu hoffen ist, bis nicht das von mir erbetene Gesetz in seiner vollen Strenge in Wirksamkeit getreten sein wird. Wenn Carl Braun sagt, dass eine so enorme Sterblich- keit, wie selbe bei Faye vorgekommen, sich in der zwanzig- mal ausgedehnteren Wiener Klinik für Aerzte nur ein einzi- gesmal, im Jahre 1842, ohne Chlorwaschungen ereignete, so ersehen wir daraus, dass er wohl zur Bestätigung der Zuver- lässigkeit der cadaverösen Infection in ihrer practischen An- wendung die Sterblichkeit in Folge des Puerperalfiebers zu

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/538>, abgerufen am 25.04.2024.