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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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wie die Barbarey. Einige feine Artikel waren zer¬
spalten und bekleckst; aber die conceptio immaculata
und die sponsa spiritus sancti standen unter dem Ave
Maria zum Trost der Gläubigen noch fest und wohl
erhalten. Es soll bey Iglau schon ein recht guter
Wein wachsen; er muss aber nicht in Menge kommen;
denn ich habe in der Gegend nicht viel Weingärten
gesehen. Eine halbe Stunde diesseits Iglau stehen an
der Gränze zwey Pyramiden nicht weit von einander,
welche im Jahr 1750 unter Maria Theresia von den
böhmischen und mährischen Ständen errichtet worden
sind. Die Inschriften sind ächtes neudiplomatisches
Latein, und schon ziemlich verloschen; so dass man
in hundert Jahren wohl schwerlich mehr etwas davon
wird lesen können: und doch sind sie, wie gewöhn¬
lich, zum ewigen Gedächtniss gesetzt. In Mähren
scheint mir durchaus noch mehr Liberalität und Bon¬
hommie zu herrschen als in Böhmen.

Im Städchen Stannern müssen beträchtliche Wol¬
lenmanufakturen seyn; denn alle Fenster sind mit die¬
sen Artikeln behangen, und man trägt sehr viel Mü¬
tzen, Strümpfe, Handschuhe und dergleichen zu
ausserordentlich niedrigen Preisen zum Verkauf herum.
Ein gutes bequemes Wirthshaus, das erste, das wir
seitdem wir aus Prag sind trafen, hatte den Ort gleich
etwas mehr in Kredit bey uns gesetzt. Wenn man
nicht mit Extrapost fährt, sondern zu Fusse trotzig vor
sich hin stapelt, muss man sich sehr oft sehr huronisch
behelfen. Meine grösste Furcht ist indessen vor der
etwas ekeln Einquartierung gewisser weisser schwarz
besattelter Thierchen, die in Polen vorzüglich gedei¬

wie die Barbarey. Einige feine Artikel waren zer¬
spalten und bekleckst; aber die conceptio immaculata
und die sponsa spiritus sancti standen unter dem Ave
Maria zum Trost der Gläubigen noch fest und wohl
erhalten. Es soll bey Iglau schon ein recht guter
Wein wachsen; er muſs aber nicht in Menge kommen;
denn ich habe in der Gegend nicht viel Weingärten
gesehen. Eine halbe Stunde dieſseits Iglau stehen an
der Gränze zwey Pyramiden nicht weit von einander,
welche im Jahr 1750 unter Maria Theresia von den
böhmischen und mährischen Ständen errichtet worden
sind. Die Inschriften sind ächtes neudiplomatisches
Latein, und schon ziemlich verloschen; so daſs man
in hundert Jahren wohl schwerlich mehr etwas davon
wird lesen können: und doch sind sie, wie gewöhn¬
lich, zum ewigen Gedächtniſs gesetzt. In Mähren
scheint mir durchaus noch mehr Liberalität und Bon¬
hommie zu herrschen als in Böhmen.

Im Städchen Stannern müssen beträchtliche Wol¬
lenmanufakturen seyn; denn alle Fenster sind mit die¬
sen Artikeln behangen, und man trägt sehr viel Mü¬
tzen, Strümpfe, Handschuhe und dergleichen zu
auſserordentlich niedrigen Preisen zum Verkauf herum.
Ein gutes bequemes Wirthshaus, das erste, das wir
seitdem wir aus Prag sind trafen, hatte den Ort gleich
etwas mehr in Kredit bey uns gesetzt. Wenn man
nicht mit Extrapost fährt, sondern zu Fuſse trotzig vor
sich hin stapelt, muſs man sich sehr oft sehr huronisch
behelfen. Meine gröſste Furcht ist indessen vor der
etwas ekeln Einquartierung gewisser weiſser schwarz
besattelter Thierchen, die in Polen vorzüglich gedei¬

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[22/0048] wie die Barbarey. Einige feine Artikel waren zer¬ spalten und bekleckst; aber die conceptio immaculata und die sponsa spiritus sancti standen unter dem Ave Maria zum Trost der Gläubigen noch fest und wohl erhalten. Es soll bey Iglau schon ein recht guter Wein wachsen; er muſs aber nicht in Menge kommen; denn ich habe in der Gegend nicht viel Weingärten gesehen. Eine halbe Stunde dieſseits Iglau stehen an der Gränze zwey Pyramiden nicht weit von einander, welche im Jahr 1750 unter Maria Theresia von den böhmischen und mährischen Ständen errichtet worden sind. Die Inschriften sind ächtes neudiplomatisches Latein, und schon ziemlich verloschen; so daſs man in hundert Jahren wohl schwerlich mehr etwas davon wird lesen können: und doch sind sie, wie gewöhn¬ lich, zum ewigen Gedächtniſs gesetzt. In Mähren scheint mir durchaus noch mehr Liberalität und Bon¬ hommie zu herrschen als in Böhmen. Im Städchen Stannern müssen beträchtliche Wol¬ lenmanufakturen seyn; denn alle Fenster sind mit die¬ sen Artikeln behangen, und man trägt sehr viel Mü¬ tzen, Strümpfe, Handschuhe und dergleichen zu auſserordentlich niedrigen Preisen zum Verkauf herum. Ein gutes bequemes Wirthshaus, das erste, das wir seitdem wir aus Prag sind trafen, hatte den Ort gleich etwas mehr in Kredit bey uns gesetzt. Wenn man nicht mit Extrapost fährt, sondern zu Fuſse trotzig vor sich hin stapelt, muſs man sich sehr oft sehr huronisch behelfen. Meine gröſste Furcht ist indessen vor der etwas ekeln Einquartierung gewisser weiſser schwarz besattelter Thierchen, die in Polen vorzüglich gedei¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/48>, abgerufen am 29.03.2024.