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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Cyprinoidei.
[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 11.


Schlundknochen und Schlundzähne
(nach Heckel und Kner).

Die sehr gestreckten und zerbrechli-
chen Schlundknochen des Brachsen sind
besonders charakteristisch durch die ge-
gen die Symphyse hin sehr verlängerten
vorderen Fortsätze. Ausserdem zeich-
net sich auch der gemeine Brachsen von
allen übrigen hochrückigen Abramiden
durch die blaugraue Farbe aller seiner
Flossen aus. Der Vorderrand der Rücken-
flosse ist sehr hoch und über viermal
länger als ihr Hinterrand, so dass die
Spitze dieser Flosse zurückgelegt die neunte Schuppe des Hinterrückens er-
reicht. Die nach hinten zurückgeschlagenen Brustflossen überragen mit ihrer
Spitze die Basis der Bauchflossen. Die sehr lange untere Spitze des gabel-
förmigen Schwanzes ragt weit über die obere Spitze desselben hinaus.

Es kommen auch Varietäten vor, welche durch eine mehr oder weniger
gewölbte Schnauze und durch einen niedrigeren Rücken und gestreckteren
Leib auffallen. Diese gestrecktere Gestalt ist meistens auch den jüngeren
Individuen eigen, worauf schon Bloch (Nr. 3 a. Th. I. pag. 76 u. 82) aufmerk-
sam gemacht hat. Solche junge Brachsen, welche in Schweden den Volks-
namen Faren erhalten haben, sind von den älteren schwedischen Ichthyolo-
gen verkannt und unter dem Namen Cyprinus Farenus als eine besondere
Fischspecies beschrieben worden. Dies hatte auch mich früher in Danzig
verführt, junge Brachsen als C. Farenus zu deuten und das Vorkommen
dieses kleinen Abramiden für das Weichsel-Gebiet festzustellen1), wozu Kröyer
auch noch das Vorkommen des C. Farenus in Dänemark hinzufügte2). Erst
seitdem Nordmann3) und Valenciennes4) auf den von den schwedischen Ich-

1) In einer brieflichen Mittheilung an Wiegmann, s. dessen Archiv für Naturgeschichte.
Jahrg. 1836. I. pag. 327. Schon ein Jahr darauf war ich zweifelhaft geworden, ob obiger
Fisch von mir auch richtig bestimmt worden sei. Vergl. Preuss. Provinzial-Blätter. Kö-
nigsberg, 1837. pag. 443. S. auch Bujack Nr. 97. pag. 340. Das Herausfinden des C. Fa-
renus
war eine um so schwierigere Aufgabe, als von Linne selbst in die erste Beschreibung,
welche Artedi von dem Faren gegeben, eine Verwirrung dadurch gebracht worden war,
dass er in der von Artedi für den Faren aufgestellten Diagnose: "iride flava, pinna ani ossi-
culorum viginti septem
" die Zahl 27 in 37 umgewandelt hat. Vergl. Artedi Nr. 1: Gen. pisc.
pag. 3. n. 4, Linne Nr. 2: pag. 532. n. 30 und dessen Fauna suecica. Stockholm, 1761.
Pag. 130. n. 369. Hierdurch konnte diese Diagnose: "pinna ani triginta septem, iridibus flavis",
auch auf Abramis Ballerus bezogen werden. Vergl. Skandinaviens Fiskar (a. a. O. latein.
Text) pag. 57 u. 97 und Nilsson: Skandinavisk Fauna. IV. Lund, 1855. pag. 324.
2) Vergl. Kröyer: Zur Verbreitung von Cyprinus Farenus, in Wiegmann's Archiv.
Jahrg. 1837. I. pag. 393.
3) S. dessen: Observations sur la Faune Pontique. pag. 503.
4) S. dessen: Hist. d. poiss. T. 17. pag. 29.
Familie: Cyprinoidei.
[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 11.


Schlundknochen und Schlundzähne
(nach Heckel und Kner).

Die sehr gestreckten und zerbrechli-
chen Schlundknochen des Brachsen sind
besonders charakteristisch durch die ge-
gen die Symphyse hin sehr verlängerten
vorderen Fortsätze. Ausserdem zeich-
net sich auch der gemeine Brachsen von
allen übrigen hochrückigen Abramiden
durch die blaugraue Farbe aller seiner
Flossen aus. Der Vorderrand der Rücken-
flosse ist sehr hoch und über viermal
länger als ihr Hinterrand, so dass die
Spitze dieser Flosse zurückgelegt die neunte Schuppe des Hinterrückens er-
reicht. Die nach hinten zurückgeschlagenen Brustflossen überragen mit ihrer
Spitze die Basis der Bauchflossen. Die sehr lange untere Spitze des gabel-
förmigen Schwanzes ragt weit über die obere Spitze desselben hinaus.

Es kommen auch Varietäten vor, welche durch eine mehr oder weniger
gewölbte Schnauze und durch einen niedrigeren Rücken und gestreckteren
Leib auffallen. Diese gestrecktere Gestalt ist meistens auch den jüngeren
Individuen eigen, worauf schon Bloch (Nr. 3 a. Th. I. pag. 76 u. 82) aufmerk-
sam gemacht hat. Solche junge Brachsen, welche in Schweden den Volks-
namen Faren erhalten haben, sind von den älteren schwedischen Ichthyolo-
gen verkannt und unter dem Namen Cyprinus Farenus als eine besondere
Fischspecies beschrieben worden. Dies hatte auch mich früher in Danzig
verführt, junge Brachsen als C. Farenus zu deuten und das Vorkommen
dieses kleinen Abramiden für das Weichsel-Gebiet festzustellen1), wozu Krøyer
auch noch das Vorkommen des C. Farenus in Dänemark hinzufügte2). Erst
seitdem Nordmann3) und Valenciennes4) auf den von den schwedischen Ich-

1) In einer brieflichen Mittheilung an Wiegmann, s. dessen Archiv für Naturgeschichte.
Jahrg. 1836. I. pag. 327. Schon ein Jahr darauf war ich zweifelhaft geworden, ob obiger
Fisch von mir auch richtig bestimmt worden sei. Vergl. Preuss. Provinzial-Blätter. Kö-
nigsberg, 1837. pag. 443. S. auch Bujack Nr. 97. pag. 340. Das Herausfinden des C. Fa-
renus
war eine um so schwierigere Aufgabe, als von Linné selbst in die erste Beschreibung,
welche Artedi von dem Faren gegeben, eine Verwirrung dadurch gebracht worden war,
dass er in der von Artedi für den Faren aufgestellten Diagnose: »iride flava, pinna ani ossi-
culorum viginti septem
« die Zahl 27 in 37 umgewandelt hat. Vergl. Artedi Nr. 1: Gen. pisc.
pag. 3. n. 4, Linné Nr. 2: pag. 532. n. 30 und dessen Fauna suecica. Stockholm, 1761.
Pag. 130. n. 369. Hierdurch konnte diese Diagnose: »pinna ani triginta septem, iridibus flavis«,
auch auf Abramis Ballerus bezogen werden. Vergl. Skandinaviens Fiskar (a. a. O. latein.
Text) pag. 57 u. 97 und Nilsson: Skandinavisk Fauna. IV. Lund, 1855. pag. 324.
2) Vergl. Krøyer: Zur Verbreitung von Cyprinus Farenus, in Wiegmann’s Archiv.
Jahrg. 1837. I. pag. 393.
3) S. dessen: Observations sur la Faune Pontique. pag. 503.
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[122/0135] Familie: Cyprinoidei. [Abbildung] [Abbildung Fig. 11. Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner). ] Die sehr gestreckten und zerbrechli- chen Schlundknochen des Brachsen sind besonders charakteristisch durch die ge- gen die Symphyse hin sehr verlängerten vorderen Fortsätze. Ausserdem zeich- net sich auch der gemeine Brachsen von allen übrigen hochrückigen Abramiden durch die blaugraue Farbe aller seiner Flossen aus. Der Vorderrand der Rücken- flosse ist sehr hoch und über viermal länger als ihr Hinterrand, so dass die Spitze dieser Flosse zurückgelegt die neunte Schuppe des Hinterrückens er- reicht. Die nach hinten zurückgeschlagenen Brustflossen überragen mit ihrer Spitze die Basis der Bauchflossen. Die sehr lange untere Spitze des gabel- förmigen Schwanzes ragt weit über die obere Spitze desselben hinaus. Es kommen auch Varietäten vor, welche durch eine mehr oder weniger gewölbte Schnauze und durch einen niedrigeren Rücken und gestreckteren Leib auffallen. Diese gestrecktere Gestalt ist meistens auch den jüngeren Individuen eigen, worauf schon Bloch (Nr. 3 a. Th. I. pag. 76 u. 82) aufmerk- sam gemacht hat. Solche junge Brachsen, welche in Schweden den Volks- namen Faren erhalten haben, sind von den älteren schwedischen Ichthyolo- gen verkannt und unter dem Namen Cyprinus Farenus als eine besondere Fischspecies beschrieben worden. Dies hatte auch mich früher in Danzig verführt, junge Brachsen als C. Farenus zu deuten und das Vorkommen dieses kleinen Abramiden für das Weichsel-Gebiet festzustellen 1), wozu Krøyer auch noch das Vorkommen des C. Farenus in Dänemark hinzufügte 2). Erst seitdem Nordmann 3) und Valenciennes 4) auf den von den schwedischen Ich- 1) In einer brieflichen Mittheilung an Wiegmann, s. dessen Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1836. I. pag. 327. Schon ein Jahr darauf war ich zweifelhaft geworden, ob obiger Fisch von mir auch richtig bestimmt worden sei. Vergl. Preuss. Provinzial-Blätter. Kö- nigsberg, 1837. pag. 443. S. auch Bujack Nr. 97. pag. 340. Das Herausfinden des C. Fa- renus war eine um so schwierigere Aufgabe, als von Linné selbst in die erste Beschreibung, welche Artedi von dem Faren gegeben, eine Verwirrung dadurch gebracht worden war, dass er in der von Artedi für den Faren aufgestellten Diagnose: »iride flava, pinna ani ossi- culorum viginti septem« die Zahl 27 in 37 umgewandelt hat. Vergl. Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 3. n. 4, Linné Nr. 2: pag. 532. n. 30 und dessen Fauna suecica. Stockholm, 1761. Pag. 130. n. 369. Hierdurch konnte diese Diagnose: »pinna ani triginta septem, iridibus flavis«, auch auf Abramis Ballerus bezogen werden. Vergl. Skandinaviens Fiskar (a. a. O. latein. Text) pag. 57 u. 97 und Nilsson: Skandinavisk Fauna. IV. Lund, 1855. pag. 324. 2) Vergl. Krøyer: Zur Verbreitung von Cyprinus Farenus, in Wiegmann’s Archiv. Jahrg. 1837. I. pag. 393. 3) S. dessen: Observations sur la Faune Pontique. pag. 503. 4) S. dessen: Hist. d. poiss. T. 17. pag. 29.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/135>, abgerufen am 25.04.2024.