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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Einleitung.
Fischspecies, welche den Genfersee bewohnen, wurde mir durch die Auf-
merksamkeit des Leibarztes Herrn v. Schleiss gewährt, während ich eine Er-
gänzung dieser Fischfauna des Rhone-Gebiets durch Zusendung zahlreicher
Süsswasserfische den Herrn Coinde in Lyon und Gervais in Montpellier zu ver-
danken hatte.

Auch die hier und dort in Lustschlössern, Rathhäusern oder an andern
öffentlichen Orten zur Schau aufgehängten und meist mit Inschriften versehe-
nen Gemälde, Zeichnungen oder in Holz geschnitzten Porträts von Fischen, die
ihrer Grösse oder Seltenheit wegen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen
hatten, gaben mir manche Gelegenheit, über Verbreitung, Alter und Wachs-
thum gewisser einheimischer Fische Notizen zu sammeln. Ein merkwürdiges
von J. M. Füessli 1709 gefertigtes und im Rathhause zu Zürich aufgehängtes Oel-
gemälde kann ich hier nicht unerwähnt lassen, da dasselbe zur Belehrung der
Beschauer alle Fischarten des Zürichersee's und der Limmat in brittelmässiger
Grösse 1) mit Angabe ihrer Volksnamen und ihrer Schonzeit darstellt.

Ferner liess ich auf meinen Reisen und ichthyologischen Excursionen nie-
mals die Gelegenheit vorübergehen, da, wo es die Verhältnisse irgend erlaub-
ten, unter meinen Augen fischen zu lassen oder den Fischern bei ihren Ge-
schäften Gesellschaft zu leisten, wobei ich stets bedacht war, mich mit den
Fischern theils in ihrer Behausung, theils draussen bei ihrer Arbeit zu unter-
halten und von ihnen Erkundigungen einzuziehen über den Fischfang, über
das Leben der in ihrem Bereiche vorkommenden Fische, wobei ich allmählich
Uebung erlangt hatte, aus solchen Mittheilungen das zu unterscheiden, was
die Erzählenden wirklich mit Augen beobachtet, und was dieselben nur als
Tradition anzugeben wussten. Bei diesen Nachforschungen war es aber oft
schwierig, sich gegenseitig über diese oder jene bestimmte Fischart zu ver-
ständigen, da die Volksnamen der bekanntesten und gemeinsten Fische auf die
verschiedenste Weise von den Fischern selbst verwechselt und durcheinander
gemengt werden.

Da auch in Süddeutschland seit längerer Zeit die Angelkunst viele Freunde
gefunden hat, so suchte ich die Erfahrungen der Angler ebenfalls für meine
Zwecke zu verwerthen, freilich konnte ich es mir auch hier nicht immer klar
machen, auf welchen Fisch sich diese oder jene interessante Mittheilung bezog,
weil die Angelfreunde in der Regel die Fische auch nur mit unzuverlässigen
Trivialnamen zu benennen wussten.


1) Das Brittelmaass schreibt die Grösse der Maschen für die verschiedenen Netze vor
und bestimmt somit die vorschriftsmässige Grösse, unter welcher die verschiedenen Fisch-
arten nicht gefangen werden sollen. Durch solche Brittelmaasse, welche aus gestempelten
Brettchen bestanden, wurde in den älteren Fischerei-Ordnungen die Maschenweite der grossen
und kleinen Netze festgesetzt, indem sie als die Modelle für jene Brettchen galten, mit wel-
chen die Fischer ihr verschiedenes Fischzeug strickten. Vergl. H. Peetz: Die Fischwaid
in den bayerischen Seen. München, 1862. pag. 9, 22, 56 u. 62.

Einleitung.
Fischspecies, welche den Genfersee bewohnen, wurde mir durch die Auf-
merksamkeit des Leibarztes Herrn v. Schleiss gewährt, während ich eine Er-
gänzung dieser Fischfauna des Rhone-Gebiets durch Zusendung zahlreicher
Süsswasserfische den Herrn Coinde in Lyon und Gervais in Montpellier zu ver-
danken hatte.

Auch die hier und dort in Lustschlössern, Rathhäusern oder an andern
öffentlichen Orten zur Schau aufgehängten und meist mit Inschriften versehe-
nen Gemälde, Zeichnungen oder in Holz geschnitzten Porträts von Fischen, die
ihrer Grösse oder Seltenheit wegen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen
hatten, gaben mir manche Gelegenheit, über Verbreitung, Alter und Wachs-
thum gewisser einheimischer Fische Notizen zu sammeln. Ein merkwürdiges
von J. M. Füessli 1709 gefertigtes und im Rathhause zu Zürich aufgehängtes Oel-
gemälde kann ich hier nicht unerwähnt lassen, da dasselbe zur Belehrung der
Beschauer alle Fischarten des Zürichersee’s und der Limmat in brittelmässiger
Grösse 1) mit Angabe ihrer Volksnamen und ihrer Schonzeit darstellt.

Ferner liess ich auf meinen Reisen und ichthyologischen Excursionen nie-
mals die Gelegenheit vorübergehen, da, wo es die Verhältnisse irgend erlaub-
ten, unter meinen Augen fischen zu lassen oder den Fischern bei ihren Ge-
schäften Gesellschaft zu leisten, wobei ich stets bedacht war, mich mit den
Fischern theils in ihrer Behausung, theils draussen bei ihrer Arbeit zu unter-
halten und von ihnen Erkundigungen einzuziehen über den Fischfang, über
das Leben der in ihrem Bereiche vorkommenden Fische, wobei ich allmählich
Uebung erlangt hatte, aus solchen Mittheilungen das zu unterscheiden, was
die Erzählenden wirklich mit Augen beobachtet, und was dieselben nur als
Tradition anzugeben wussten. Bei diesen Nachforschungen war es aber oft
schwierig, sich gegenseitig über diese oder jene bestimmte Fischart zu ver-
ständigen, da die Volksnamen der bekanntesten und gemeinsten Fische auf die
verschiedenste Weise von den Fischern selbst verwechselt und durcheinander
gemengt werden.

Da auch in Süddeutschland seit längerer Zeit die Angelkunst viele Freunde
gefunden hat, so suchte ich die Erfahrungen der Angler ebenfalls für meine
Zwecke zu verwerthen, freilich konnte ich es mir auch hier nicht immer klar
machen, auf welchen Fisch sich diese oder jene interessante Mittheilung bezog,
weil die Angelfreunde in der Regel die Fische auch nur mit unzuverlässigen
Trivialnamen zu benennen wussten.


1) Das Brittelmaass schreibt die Grösse der Maschen für die verschiedenen Netze vor
und bestimmt somit die vorschriftsmässige Grösse, unter welcher die verschiedenen Fisch-
arten nicht gefangen werden sollen. Durch solche Brittelmaasse, welche aus gestempelten
Brettchen bestanden, wurde in den älteren Fischerei-Ordnungen die Maschenweite der grossen
und kleinen Netze festgesetzt, indem sie als die Modelle für jene Brettchen galten, mit wel-
chen die Fischer ihr verschiedenes Fischzeug strickten. Vergl. H. Peetz: Die Fischwaid
in den bayerischen Seen. München, 1862. pag. 9, 22, 56 u. 62.
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[8/0021] Einleitung. Fischspecies, welche den Genfersee bewohnen, wurde mir durch die Auf- merksamkeit des Leibarztes Herrn v. Schleiss gewährt, während ich eine Er- gänzung dieser Fischfauna des Rhone-Gebiets durch Zusendung zahlreicher Süsswasserfische den Herrn Coinde in Lyon und Gervais in Montpellier zu ver- danken hatte. Auch die hier und dort in Lustschlössern, Rathhäusern oder an andern öffentlichen Orten zur Schau aufgehängten und meist mit Inschriften versehe- nen Gemälde, Zeichnungen oder in Holz geschnitzten Porträts von Fischen, die ihrer Grösse oder Seltenheit wegen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten, gaben mir manche Gelegenheit, über Verbreitung, Alter und Wachs- thum gewisser einheimischer Fische Notizen zu sammeln. Ein merkwürdiges von J. M. Füessli 1709 gefertigtes und im Rathhause zu Zürich aufgehängtes Oel- gemälde kann ich hier nicht unerwähnt lassen, da dasselbe zur Belehrung der Beschauer alle Fischarten des Zürichersee’s und der Limmat in brittelmässiger Grösse 1) mit Angabe ihrer Volksnamen und ihrer Schonzeit darstellt. Ferner liess ich auf meinen Reisen und ichthyologischen Excursionen nie- mals die Gelegenheit vorübergehen, da, wo es die Verhältnisse irgend erlaub- ten, unter meinen Augen fischen zu lassen oder den Fischern bei ihren Ge- schäften Gesellschaft zu leisten, wobei ich stets bedacht war, mich mit den Fischern theils in ihrer Behausung, theils draussen bei ihrer Arbeit zu unter- halten und von ihnen Erkundigungen einzuziehen über den Fischfang, über das Leben der in ihrem Bereiche vorkommenden Fische, wobei ich allmählich Uebung erlangt hatte, aus solchen Mittheilungen das zu unterscheiden, was die Erzählenden wirklich mit Augen beobachtet, und was dieselben nur als Tradition anzugeben wussten. Bei diesen Nachforschungen war es aber oft schwierig, sich gegenseitig über diese oder jene bestimmte Fischart zu ver- ständigen, da die Volksnamen der bekanntesten und gemeinsten Fische auf die verschiedenste Weise von den Fischern selbst verwechselt und durcheinander gemengt werden. Da auch in Süddeutschland seit längerer Zeit die Angelkunst viele Freunde gefunden hat, so suchte ich die Erfahrungen der Angler ebenfalls für meine Zwecke zu verwerthen, freilich konnte ich es mir auch hier nicht immer klar machen, auf welchen Fisch sich diese oder jene interessante Mittheilung bezog, weil die Angelfreunde in der Regel die Fische auch nur mit unzuverlässigen Trivialnamen zu benennen wussten. 1) Das Brittelmaass schreibt die Grösse der Maschen für die verschiedenen Netze vor und bestimmt somit die vorschriftsmässige Grösse, unter welcher die verschiedenen Fisch- arten nicht gefangen werden sollen. Durch solche Brittelmaasse, welche aus gestempelten Brettchen bestanden, wurde in den älteren Fischerei-Ordnungen die Maschenweite der grossen und kleinen Netze festgesetzt, indem sie als die Modelle für jene Brettchen galten, mit wel- chen die Fischer ihr verschiedenes Fischzeug strickten. Vergl. H. Peetz: Die Fischwaid in den bayerischen Seen. München, 1862. pag. 9, 22, 56 u. 62.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/21>, abgerufen am 19.04.2024.