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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Cyprinoidei.
such Heckel's (Nr. 11 g), die Gattungen Idus, Leuciscus und Squalius, sowie
die dazu gehörigen Arten kritisch zu beleuchten und fest zu begründen, von
den Ichthyologen mit grösstem Danke aufgenommen werden; bei aller Sorg-
falt und Umsicht, welche Heckel auf diesen Versuch verwendet hat, war es
ihm aber nicht gelungen, die grenzenlose Verwirrung, welche die Autoren
bis dahin durch ihre Verwechslungen der allerwärts verbreiteten und im Volke
sehr wohl gekannten Cyprinoiden angerichtet hatten, vollständig zu beseiti-
gen. Eine Hauptursache, durch welche Heckel verhindert wurde, in diesem
Chaos von Namen-Verwechslungen klar zu sehen, lag wohl darin, dass Heckel
gewissen unwesentlichen Formabweichungen, welche derselbe an einzelnen
Cyprinoiden-Arten je nach ihrer verschiedenen geographischen Verbreitung
herausgefunden haben wollte, ein zu grosses Gewicht beilegte, wodurch er
verführt wurde, den deutschen Aitel, den französischen Meunier, den
englischen Chub und den italienischen Squaglio für ganz verschiedene und
selbstständige Arten zu erklären, während sie sich höchst wahrscheinlich,
bei näherer Vergleichung und genauerer Prüfung möglichst vieler Individuen,
nur als die verschiedenen Rassenformen einer und derselben Cyprinoiden-
Species herausstellen werden. Ich habe für diese Species von den vielen
Synonymen die älteste Bezeichnung Cephalus ausgewählt oder vielmehr wie-
der herzustellen gesucht und Heckel's Artnamen Dobula fallen lassen, weil
dieser letztere Name auch auf den Hasel bezogen wurde und eben dadurch
so viele Verwirrung hervorgerufen hat.

Hätte man die Beschreibung des Aitel, wie sie zuerst von dem ältesten
Systematiker Artedi ausgegangen ist, festgehalten, so würde ein grosser
Theil von Namens-Verwechslungen vermieden worden sein. Artedi hat so-
wohl in den Genera piscium (a. a. O.) durch seine kurze Beschreibung, als
auch in der Synonymia nominum piscium (a. a. O.) durch die Aufführung der
Namen: Capito des Ausonius, Cephalus fluvialilis des Gesner, sowie durch
Erwähnung der Volksnamen: Chub, Squaglio, Chevin, Munier, Alet,
Alte, Diebel
klar zu erkennen gegeben, dass er unter seinem Cyprinus ob-
longus macrolepidotus, pinna ani ossiculorum undecim
nichts anderes verstan-
den wissen wollte, als den oben von mir als Squalius Cephalus bezeichneten
Cyprinoiden, dessen Kennzeichnung Linne (a. a. O.) dadurch trübte, dass er
zu Artedi's Diagnose des Cyprinus Cephalus unbegreiflicher Weise die Be-
schreibung eines ganz anderen, gar nicht einmal den Cyprinoiden angehöri-
gen, americanischen Fisches (eines Erythrinus), den er in dem Museum
Adolphi Friderici dargestellt hatte, als Synonym hinzufügte. Obgleich wegen
dieses Versehens Heckel (Nr. 11 g: pag. 63) und vor ihm schon Valenciennes
(Nr. 5: Tom. XVII. pag. 171) und Nilsson 1) den alten Species-Namen Ce-

1) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. Fiskarna. pag. 309. Hier bezeichnet

Familie: Cyprinoidei.
such Heckel’s (Nr. 11 g), die Gattungen Idus, Leuciscus und Squalius, sowie
die dazu gehörigen Arten kritisch zu beleuchten und fest zu begründen, von
den Ichthyologen mit grösstem Danke aufgenommen werden; bei aller Sorg-
falt und Umsicht, welche Heckel auf diesen Versuch verwendet hat, war es
ihm aber nicht gelungen, die grenzenlose Verwirrung, welche die Autoren
bis dahin durch ihre Verwechslungen der allerwärts verbreiteten und im Volke
sehr wohl gekannten Cyprinoiden angerichtet hatten, vollständig zu beseiti-
gen. Eine Hauptursache, durch welche Heckel verhindert wurde, in diesem
Chaos von Namen-Verwechslungen klar zu sehen, lag wohl darin, dass Heckel
gewissen unwesentlichen Formabweichungen, welche derselbe an einzelnen
Cyprinoiden-Arten je nach ihrer verschiedenen geographischen Verbreitung
herausgefunden haben wollte, ein zu grosses Gewicht beilegte, wodurch er
verführt wurde, den deutschen Aitel, den französischen Meunier, den
englischen Chub und den italienischen Squaglio für ganz verschiedene und
selbstständige Arten zu erklären, während sie sich höchst wahrscheinlich,
bei näherer Vergleichung und genauerer Prüfung möglichst vieler Individuen,
nur als die verschiedenen Rassenformen einer und derselben Cyprinoiden-
Species herausstellen werden. Ich habe für diese Species von den vielen
Synonymen die älteste Bezeichnung Cephalus ausgewählt oder vielmehr wie-
der herzustellen gesucht und Heckel’s Artnamen Dobula fallen lassen, weil
dieser letztere Name auch auf den Hasel bezogen wurde und eben dadurch
so viele Verwirrung hervorgerufen hat.

Hätte man die Beschreibung des Aitel, wie sie zuerst von dem ältesten
Systematiker Artedi ausgegangen ist, festgehalten, so würde ein grosser
Theil von Namens-Verwechslungen vermieden worden sein. Artedi hat so-
wohl in den Genera piscium (a. a. O.) durch seine kurze Beschreibung, als
auch in der Synonymia nominum piscium (a. a. O.) durch die Aufführung der
Namen: Capito des Ausonius, Cephalus fluvialilis des Gesner, sowie durch
Erwähnung der Volksnamen: Chub, Squaglio, Chevin, Munier, Alet,
Alte, Diebel
klar zu erkennen gegeben, dass er unter seinem Cyprinus ob-
longus macrolepidotus, pinna ani ossiculorum undecim
nichts anderes verstan-
den wissen wollte, als den oben von mir als Squalius Cephalus bezeichneten
Cyprinoiden, dessen Kennzeichnung Linné (a. a. O.) dadurch trübte, dass er
zu Artedi’s Diagnose des Cyprinus Cephalus unbegreiflicher Weise die Be-
schreibung eines ganz anderen, gar nicht einmal den Cyprinoiden angehöri-
gen, americanischen Fisches (eines Erythrinus), den er in dem Museum
Adolphi Friderici dargestellt hatte, als Synonym hinzufügte. Obgleich wegen
dieses Versehens Heckel (Nr. 11 g: pag. 63) und vor ihm schon Valenciennes
(Nr. 5: Tom. XVII. pag. 171) und Nilsson 1) den alten Species-Namen Ce-

1) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. Fiskarna. pag. 309. Hier bezeichnet
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[202/0215] Familie: Cyprinoidei. such Heckel’s (Nr. 11 g), die Gattungen Idus, Leuciscus und Squalius, sowie die dazu gehörigen Arten kritisch zu beleuchten und fest zu begründen, von den Ichthyologen mit grösstem Danke aufgenommen werden; bei aller Sorg- falt und Umsicht, welche Heckel auf diesen Versuch verwendet hat, war es ihm aber nicht gelungen, die grenzenlose Verwirrung, welche die Autoren bis dahin durch ihre Verwechslungen der allerwärts verbreiteten und im Volke sehr wohl gekannten Cyprinoiden angerichtet hatten, vollständig zu beseiti- gen. Eine Hauptursache, durch welche Heckel verhindert wurde, in diesem Chaos von Namen-Verwechslungen klar zu sehen, lag wohl darin, dass Heckel gewissen unwesentlichen Formabweichungen, welche derselbe an einzelnen Cyprinoiden-Arten je nach ihrer verschiedenen geographischen Verbreitung herausgefunden haben wollte, ein zu grosses Gewicht beilegte, wodurch er verführt wurde, den deutschen Aitel, den französischen Meunier, den englischen Chub und den italienischen Squaglio für ganz verschiedene und selbstständige Arten zu erklären, während sie sich höchst wahrscheinlich, bei näherer Vergleichung und genauerer Prüfung möglichst vieler Individuen, nur als die verschiedenen Rassenformen einer und derselben Cyprinoiden- Species herausstellen werden. Ich habe für diese Species von den vielen Synonymen die älteste Bezeichnung Cephalus ausgewählt oder vielmehr wie- der herzustellen gesucht und Heckel’s Artnamen Dobula fallen lassen, weil dieser letztere Name auch auf den Hasel bezogen wurde und eben dadurch so viele Verwirrung hervorgerufen hat. Hätte man die Beschreibung des Aitel, wie sie zuerst von dem ältesten Systematiker Artedi ausgegangen ist, festgehalten, so würde ein grosser Theil von Namens-Verwechslungen vermieden worden sein. Artedi hat so- wohl in den Genera piscium (a. a. O.) durch seine kurze Beschreibung, als auch in der Synonymia nominum piscium (a. a. O.) durch die Aufführung der Namen: Capito des Ausonius, Cephalus fluvialilis des Gesner, sowie durch Erwähnung der Volksnamen: Chub, Squaglio, Chevin, Munier, Alet, Alte, Diebel klar zu erkennen gegeben, dass er unter seinem Cyprinus ob- longus macrolepidotus, pinna ani ossiculorum undecim nichts anderes verstan- den wissen wollte, als den oben von mir als Squalius Cephalus bezeichneten Cyprinoiden, dessen Kennzeichnung Linné (a. a. O.) dadurch trübte, dass er zu Artedi’s Diagnose des Cyprinus Cephalus unbegreiflicher Weise die Be- schreibung eines ganz anderen, gar nicht einmal den Cyprinoiden angehöri- gen, americanischen Fisches (eines Erythrinus), den er in dem Museum Adolphi Friderici dargestellt hatte, als Synonym hinzufügte. Obgleich wegen dieses Versehens Heckel (Nr. 11 g: pag. 63) und vor ihm schon Valenciennes (Nr. 5: Tom. XVII. pag. 171) und Nilsson 1) den alten Species-Namen Ce- 1) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. Fiskarna. pag. 309. Hier bezeichnet

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/215>, abgerufen am 29.03.2024.