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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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wegen Heb-Ammen Sachen.
sie mit der Hand hinein zu dringen/ den Mutter-Mund gleich-
sam von einander zu treiben/ und der Schwangern die gran-
sambsten Schmertzen zu verursachen/ ja die schwangere Mutter
sammt der Frucht gar in die unumgängliche Lebens-Gefahr zu
setzen/ und also die Secundinas abzuschelen sich niehmahls unter-
fangen haben solte; Und da auch gleich angemaßter Denunciant
sich einbilden und darauf regeriren wolte/ sie thäte es/ wenn
die Frucht schon eingetreten; So würde er doch die Mög-
lichkeit/ wie sie zwischen dem Haupte des eingetretenen Kindes
eindringen/ und die gantz unvernüfftige Abschälung der Secun-
din
en vornehmen solte/ nimmermehr beständiger Weise darthun
können/ in Betrachtung/ daß ja abermahls dabey dieungezwei-
felte Blutstürtzung und unumgängliche Sprengung des Was-
sers/ ja gar die euserste Todes-Gefahr/ so wol der schwangern
Frauen/ als auch der Frucht/ sich allerdings ereugnen würde/ da
hingegen die letztere durch ihre zur höchsten Ungebühr beygemes-
sene Verwahrlosung/ GOtt lob! noch niehmahls erfolget wä-
re/ sondern vielmehr die von dem Chirurgo, als angemasten
Denuncianten selbst angegebene Exempel alle vor sie attestirten/
in dem Kinder von dritthalb Jahren/ auch von etlichen dreißig
Wochen darunter verhanden/ die bey guter Gesundheit ein ziem-
liches Alter erlanget/ und theils noch am Leben wären.

Wann ich dann hierinn allenthalben gerne gründliche
Nachricht haben möchte; Als ergehet an die gesammte löbliche
Facultät hiermit mein freundliches Ersuchen/ sie wollen nach
reiffer Uberlegung aller puncten und dabey angeführter Umb-
stände: Ob der Titia Vorgeben sich in der Anatomi und Heb-
Ammen Kunst/ warhafftig also verhalte/ oder ob vielmehr Sem-
pronii Denunciation
statt finde/ und es möglich/ daß dergleichen
Hand und Kunst-Griffe/ wie er wider Titiam angegeben/ mit
effect zu practiciren? Mich förderlichst/ (weil sonderlich dem
gantzen Lande viel daran gelegen) durch einen in Medicina &

Ana-
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wegen Heb-Ammen Sachen.
ſie mit der Hand hinein zu dringen/ den Mutter-Mund gleich-
ſam von einander zu treiben/ und der Schwangern die gran-
ſambſten Schmertzen zu verurſachen/ ja die ſchwangere Mutter
ſammt der Frucht gar in die unumgaͤngliche Lebens-Gefahr zu
ſetzen/ und alſo die Secundinas abzuſchelen ſich niehmahls unter-
fangen haben ſolte; Und da auch gleich angemaßter Denunciant
ſich einbilden und darauf regeriren wolte/ ſie thaͤte es/ wenn
die Frucht ſchon eingetreten; So wuͤrde er doch die Moͤg-
lichkeit/ wie ſie zwiſchen dem Haupte des eingetretenen Kindes
eindringen/ und die gantz unvernuͤfftige Abſchaͤlung der Secun-
din
en vornehmen ſolte/ nimmermehr beſtaͤndiger Weiſe darthun
koͤnnen/ in Betrachtung/ daß ja abermahls dabey dieungezwei-
felte Blutſtuͤrtzung und unumgaͤngliche Sprengung des Waſ-
ſers/ ja gar die euſerſte Todes-Gefahr/ ſo wol der ſchwangern
Frauen/ als auch der Frucht/ ſich allerdings ereugnen wuͤrde/ da
hingegen die letztere durch ihre zur hoͤchſten Ungebuͤhr beygemeſ-
ſene Verwahrloſung/ GOtt lob! noch niehmahls erfolget waͤ-
re/ ſondern vielmehr die von dem Chirurgo, als angemaſten
Denuncianten ſelbſt angegebene Exempel alle vor ſie atteſtirten/
in dem Kinder von dritthalb Jahren/ auch von etlichen dreißig
Wochen darunter verhanden/ die bey guter Geſundheit ein ziem-
liches Alter erlanget/ und theils noch am Leben waͤren.

Wann ich dann hierinn allenthalben gerne gruͤndliche
Nachricht haben moͤchte; Als ergehet an die geſammte loͤbliche
Facultaͤt hiermit mein freundliches Erſuchen/ ſie wollen nach
reiffer Uberlegung aller puncten und dabey angefuͤhrter Umb-
ſtaͤnde: Ob der Titia Vorgeben ſich in der Anatomi und Heb-
Ammen Kunſt/ warhafftig alſo verhalte/ oder ob vielmehr Sem-
pronii Denunciation
ſtatt finde/ und es moͤglich/ daß dergleichen
Hand und Kunſt-Griffe/ wie er wider Titiam angegeben/ mit
effect zu practiciren? Mich foͤrderlichſt/ (weil ſonderlich dem
gantzen Lande viel daran gelegen) durch einen in Medicinâ &

Ana-
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[201/0328] wegen Heb-Ammen Sachen. ſie mit der Hand hinein zu dringen/ den Mutter-Mund gleich- ſam von einander zu treiben/ und der Schwangern die gran- ſambſten Schmertzen zu verurſachen/ ja die ſchwangere Mutter ſammt der Frucht gar in die unumgaͤngliche Lebens-Gefahr zu ſetzen/ und alſo die Secundinas abzuſchelen ſich niehmahls unter- fangen haben ſolte; Und da auch gleich angemaßter Denunciant ſich einbilden und darauf regeriren wolte/ ſie thaͤte es/ wenn die Frucht ſchon eingetreten; So wuͤrde er doch die Moͤg- lichkeit/ wie ſie zwiſchen dem Haupte des eingetretenen Kindes eindringen/ und die gantz unvernuͤfftige Abſchaͤlung der Secun- dinen vornehmen ſolte/ nimmermehr beſtaͤndiger Weiſe darthun koͤnnen/ in Betrachtung/ daß ja abermahls dabey dieungezwei- felte Blutſtuͤrtzung und unumgaͤngliche Sprengung des Waſ- ſers/ ja gar die euſerſte Todes-Gefahr/ ſo wol der ſchwangern Frauen/ als auch der Frucht/ ſich allerdings ereugnen wuͤrde/ da hingegen die letztere durch ihre zur hoͤchſten Ungebuͤhr beygemeſ- ſene Verwahrloſung/ GOtt lob! noch niehmahls erfolget waͤ- re/ ſondern vielmehr die von dem Chirurgo, als angemaſten Denuncianten ſelbſt angegebene Exempel alle vor ſie atteſtirten/ in dem Kinder von dritthalb Jahren/ auch von etlichen dreißig Wochen darunter verhanden/ die bey guter Geſundheit ein ziem- liches Alter erlanget/ und theils noch am Leben waͤren. Wann ich dann hierinn allenthalben gerne gruͤndliche Nachricht haben moͤchte; Als ergehet an die geſammte loͤbliche Facultaͤt hiermit mein freundliches Erſuchen/ ſie wollen nach reiffer Uberlegung aller puncten und dabey angefuͤhrter Umb- ſtaͤnde: Ob der Titia Vorgeben ſich in der Anatomi und Heb- Ammen Kunſt/ warhafftig alſo verhalte/ oder ob vielmehr Sem- pronii Denunciation ſtatt finde/ und es moͤglich/ daß dergleichen Hand und Kunſt-Griffe/ wie er wider Titiam angegeben/ mit effect zu practiciren? Mich foͤrderlichſt/ (weil ſonderlich dem gantzen Lande viel daran gelegen) durch einen in Medicinâ & Ana- C c

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/328>, abgerufen am 23.04.2024.